Warum lohnt sich eine flexible Arbeitszeitgestaltung?
Die Rahmenbedingungen sind auf der einen Seite durch die steigenden Anforderungen an die Unternehmen bezüglich Schnelligkeit, Qualität, Image und Service geprägt. Auf der anderen Seite stehen die wachsenden Ansprüche der Mitarbeitenden an Mitbestimmung und Lebensqualität. Hinzu kommen gesetzliche Normen, die die Arbeitszeitgestaltung für abhängig Beschäftigte in Betrieben regeln:
- Europäische Arbeitszeitrichtlinie
- Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
- Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)
- Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)
- Mutterschutzgesetz (MuSchG)
- Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG)
- „Flexi-II-Gesetz“
- Sonderregelungen für spezielle Branchen (Versorgung, Sicherheit und Ordnung)
Besondere Arbeitszeitbedingungen sind aufgrund betrieblicher Erfordernisse für viele Erwerbstätige ohnehin Realität. Laut Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) muss rund ein Viertel der deutschen Beschäftigten zumindest gelegentlich Abend- oder Samstagsarbeit leisten, 14% schieben Schichten, jede*r Zehnte arbeitet auch nachts.
Warum das so ist? Weil Betriebe profitabel und wettbewerbsfähig bleiben wollen, und das trotz kurzer Abschreibungszeiten, schwankender Auftragslage und spezieller Kundenwünsche.
Die Folgen sind eine möglichst optimale Auslastung der Investitionsmittel in der Produktion, ein breit aufgestelltes und jederzeit verfügbares Serviceangebot, die Ausdehnung von Öffnungs- und Produktionszeiten u. a.. Flexibilität ist das A und O, und diese wird vor allem durch eine flexibel einsetzbare Belegschaft realisiert.
Bei der flexiblen Arbeitszeitgestaltung soll jedoch nicht nur die Handlungsfähigkeit und der Erfolg des Unternehmens gesichert werden. Vielmehr geht es auch um die Bedürfnisse der Belegschaft.
Einer Umfrage der Internationalen Hochschule zufolge ist es 67,1% der befragten Eltern besonders wichtig, Beruf und Familie gut zu vereinen und ihre beruflichen Ziele und Einstellungen danach auszurichten. 95,3% aller Befragten wünschen sich einen Arbeitgeber, der flexible Arbeitszeitmodelle anbietet, noch vor einem guten Betriebsklima und einem breiten Weiterbildungsangebot.
Gerade letzteres ist jedoch maßgeblich davon abhängig, ob und wieviel Zeit die Arbeitnehmenden in ihre Weiterentwicklung investieren können – zusätzlich zur Erfüllung von Familienpflichten, zu langen Anfahrtswegen zur Arbeit, zum Wunsch nach mehr Zeit für Ehrenamt und Hobbies.
Nach einer bedarfsgerechten Arbeitszeitgestaltung wird daher in Bewerbungs- und Personalgesprächen immer häufiger gefragt. Monetäre Anreize reichen schon lange nicht mehr aus, um Fachkräfte zu rekrutieren und an das Unternehmen zu binden.
Von flexibler Arbeitszeitgestaltung profitieren beide Seiten
Die Vorteile, welche eine flexible Arbeitszeitgestaltung mit sich bringt, sind vielfältig. Sie wirkt sich sowohl auf den Erfolg des Unternehmens als auch auf das Wohlbefinden seiner Mitarbeitenden aus – und das spüren Kundschaft, Konkurrenz und Geschäftspartner*innen. Die flexible Arbeitsgestaltung bietet sowohl Vorteile für Arbeitgebende als auch Arbeitnehmende.
Darüber freuen sich Ihre Mitarbeitende:
- Sie schaffen und sichern Arbeitsplätze.
- Sie erhalten und fördern die Gesundheit und Beschäftigungsfähigkeit.
- Sie können auf die Bedürfnisse spezieller Zielgruppen (familiär Gebundene, Ältere, Schichtarbeitende, Mitarbeitende mit langen Anfahrtswegen, Weiterbildungswillige…) reagieren.
- Sie erhöhen die Arbeitsmotivation und -zufriedenheit.
Die Geschäftsleitung hat folgende Vorteile:
- Sie haben einen größeren Spielraum beim Personaleinsatz.
- Sie erhöhen die Arbeitgeberattraktivität für potenzielle Bewerbende.
- Sie erreichen geringere Fehlzeiten der Belegschaft.
- Sie intensivieren die Mitarbeitendenbindung und Fachkräftesicherung.
- Sie bewirken eine sinkende Fluktuation.
- Sie können konjunkturelle Schwankungen abfedern.
- Sie optimieren Betriebs- und Servicezeiten.
- Sie erhöhen die Kundenzufriedenheit.
Die große Auswahl an Modellen ermöglicht maßgeschneiderte Lösungen
Die flexible Arbeitszeitgestaltung bietet eine breite Palette von Modellen, sodass individuelle Lösungen für alle Mitarbeitenden gefunden werden können. Welche für das Unternehmen tatsächlich sinnvoll und umsetzbar sind, kann dabei sehr unterschiedlich sein und ist das Thema des nächsten Abschnitts.
Schauen Sie sich zunächst die folgende Übersicht über mögliche Arbeitszeitmodelle an.
Dies sind die Vor- und Nachteile:
Flexible Arbeitszeitgestaltung steht nicht im luftleeren Raum
Vier Faktoren beeinflussen die individuellen Arbeitszeitmodelle: die persönliche Lebenssituation des Mitarbeiters bzw. der Mitarbeiterin sowie die individuellen Lernanforderungen, die Betriebsabläufe und die Anforderungen an den Arbeitsplatz.
Zu einer tatsächlichen Arbeitszeitflexibilisierung kann es allerdings nur kommen, wenn die Arbeitszeit und möglicherweise auch der Arbeitsort grundsätzlich überhaupt flexibilisiert werden können. Vor allem die Betriebsabläufe und Arbeitsplatzanforderungen müssen daher genau geprüft werden.
Weiterhin spielt auch die Gesetzeskonformität bei der Planung und Umsetzung von flexiblen Arbeitszeitregelungen eine große Rolle. Zur Information und einem Kurzcheck können Sie die Tool-Box der Initiative “Neue Arbeitszeit Praxis” nutzen. Eine ausführliche Rechtsberatung ist allerdings unabdingbar.
Ein wichtiger Faktor ist weiterhin die Mitbestimmung der Belegschaft, beispielsweise über Befragungen und die Beteiligung des Betriebsrates nach §87 des Betriebsverfassungsgesetzes. Neben der verpflichtenden Gesetzeslage bildet eine ausgeglichene Interessenvertretung ein starkes Fundament für die Belastbarkeit und Nachhaltigkeit neuer Arbeitszeitkonzepte. Ziehen Sie alle an einem Strang!
Eine Patentlösung gibt es nicht, aber einen Plan
Eine Patentlösung für die Einführung neuer Arbeitszeitmodelle kann es aufgrund der unterschiedlichen betrieblichen und mitarbeiterbezogenen Erfordernisse gar nicht geben. Betriebe tun gut daran, eine maßgeschneiderte Lösung zu entwickeln, Arbeitszeitberatungen können dabei helfen. Grundsätzlich lässt sich der Prozess aber in vier grobe Phasen unterteilen.
Phase 1: Vorbereitung und Analyse
Untersuchen Sie die aktuelle Arbeitszeitgestaltung in Ihrem Unternehmen. Was funktioniert gut, wo gibt es Probleme? Ziehen Sie ebenfalls Krankheitsstände, Stellenbeschreibungen, Produktionsprozessanalysen und Kundenzufriedenheitsbefragungen zu Rate.
Fragen Sie nach bei Ihren Abteilungs- und Schichtleiter*innen, bei den Arbeitenden, beim Betriebsrat. So können Sie sich ein Bild von der gegenwärtigen Situation machen und Problemstellungen identifizieren. Gleichen Sie diese mit den jeweiligen Wünschen und Zielen ab.
Einen weiteren Schritt haben Sie bereits getan, indem Sie sich ausführlich über die Möglichkeiten und Verpflichtungen der flexiblen Arbeitszeitgestaltung informieren. Die Fülle an Informationen scheint im ersten Moment unüberschaubar.
Versuchen Sie sich dennoch mithilfe von Informationsveranstaltungen, externen Berater*innen, Publikationen etc. inhaltlich vorzubereiten. Wichtige Eckpunkte sind die rechtlichen Rahmenbedingungen, arbeitswissenschaftliche Empfehlungen und die verschiedenen Arbeitszeitmodelle.
Phase 2: Konzeptentwicklung und Maßnahmenauswahl
Bei der Konzeptentwicklung sollten die Leitung, der Betriebsrat, betroffene Mitarbeitende und die Personalabteilung eng zusammenarbeiten. Eine Planungsgruppe, der entsprechende Vertretende angehören, setzt sich nun mit der Auswahl des Modells auseinander und steckt den Zeitrahmen für die Entwicklungs-, Umsetzungs- und Erfolgskontrollphasen ab.
Welche Ziele soll die neue Arbeitszeitgestaltung erfüllen? Ein Kriterien- und Anforderungskatalog sollte Ergebnis der Konzeptentwicklung sein.
Schließlich geht es an die Auswahl von geeigneten Modellen, deren Varianten die Soll-Situation herbeiführen könnten. Stellen Sie diese auch der Belegschaft vor, diskutieren Sie darüber, justieren Sie nach. Die Partizipation der Mitarbeitenden ist das wichtigste Element der Arbeitszeitgestaltung, denn sie führen sie am Ende aus und sollen davon profitieren.
Phase 3: Testweise Einführung
Ist die Entscheidung für ein Arbeitszeitmodell gefallen, empfiehlt es sich, eine Testphase einzuleiten. Überprüfen Sie seine Tauglichkeit in bestimmten Abteilungen oder als befristete Maßnahme. Bleiben Sie weiterhin im Gespräch, um Rückmeldungen und auftretende Probleme analysieren zu können. Ändern Sie zunächst nichts an Ihrem Modell, sondern erarbeiten sie Ihre Vorschläge zur Verbesserung parallel.
Darüber hinaus ist es wichtig, die Führungskräfte auf die neue Arbeitszeitgestaltung einzustellen, indem Sie entsprechende Qualifizierungsmaßnahmen durchführen, sodass neue organisatorische und administrative Aufgaben bewältigt werden können.
Phase 4: Erfolgskontrolle und endgültige Umsetzung
Am Ende der Testphase werten Sie alle Rückmeldungen, Anmerkungen, Diskussions- und Umfrageergebnisse aus. Sie werden Ihnen Aufschluss geben, ob das gewählte Arbeitszeitmodell das richtige ist oder etwas anderes entwickelt werden muss. Am Ende der Evaluationsphase sollte sich die Belegschaft einig sein, wie die flexible Arbeitszeitgestaltung zukünftig auszusehen hat.
Und wenn Sie nicht mehr weiter wissen…
Aufgrund seiner tiefgreifenden Veränderungen im Betrieb und des hohen Arbeitsaufwands ist es ratsam, sich bei der Einführung der flexiblen Arbeitszeitgestaltung Hilfe zu holen. Regionale Arbeitgebendenverbände, Kammern, Unternehmensnetzwerke und private Arbeitszeitberatungen helfen Ihnen gern weiter.
Im Internet steht Ihnen eine Vielzahl von Ratgebern und Toolboxen kostenlos zur Verfügung, zwei ausführliche Exemplare sind: