I. Begriff und Rechtsgut des Verbrechens gegen die Menschlichkeit
Ebenso wie andere Begrifflichkeiten im Völkerstrafrecht erscheint der Begriff der Verbrechen gegen die Menschlichkeit denkbar weit und schwer zu umreißen. Eine Klärung der in der Literatur sowie bei Gerichten angewendeten Begrifflichkeiten ist somit zum Verständnis der Materie unumgänglich.
Wie auch beim Völkermord („genocide“) müssen wir uns auch beim Verbrechen gegen die Menschlichkeit damit begnügen, dass der englischsprachige Terminus eigentlich genauer auf den Punkt bringt, was der Tatbestand beschreiben will.
Im Englischen heißen die Verbrechen gegen die Menschlichkeit „crimes against humanity“. Darin liegt das eigentlich Verwerfliche dieses Verbrechen bereits verborgen. Es wird nicht irgendwer oder irgendwas Bestimmtes angegriffen. Vielmehr richtet sich der Angriff des oder der Täter gegen die Humanität, also das Menschsein oder die Menschlichkeit als solche und in ihrer Gesamtheit. Durch die Tat werden also grundlegendste Menschenrechte beeinträchtigt.
Wie auch die herrschende Meinung beim Völkermord die Ansicht hat, kann es sich beim Verbrechen gegen die Menschlichkeit nur um ein kollektives, also ein gemeinschaftliches Rechtsgut Vieler handeln. Dies schließt aber nicht aus, dass dadurch teilweise zugleich auch Individualrechtsgüter geschützt werden (insoweit eine lit. Mindermeinung). Seiner Natur nach schützt der Tatbestand aber in erster Linie Kollektivrechtsgüter. Nach der herrschenden Meinung werden, wiederum wie beim Völkermord, Individualrechtsgüter durch die einschlägigen nationalen Straftatbestände geschützt.
III. Tatbestandsmerkmale des Verbrechens gegen die Menschlichkeit
1. Tatsituation
Bei einem oder mehreren Verbrechen gegen die Menschlichkeit muss immer ein Angriff auf die Zivilbevölkerung vorliegen. Das heißt im Umkehrschluss, dass sogenannte Kombatanten (also Soldaten o.ä.) vom Tatbestand als Opfer nicht umfasst sind.
Dabei kann oder wird es sich zumeist um eine Einzeltat eines Täters handeln. Diese muss aber, anders als beim Völkermord, im Zusammenhang zu einer großen Gesamttat stehen (sog. „chapeau“). Dies ergibt sich unmittelbar aus der Formulierung des Art. 7 Abs. 1 IStGHSt.
Die Gesamttat ist dabei der ausgedehnte oder systematische Angriff gegen die Zivilbevölkerung. In Art. 7 Abs. 2 lit. a IStGHSt wird der Angriff auch legal definiert als Verhaltensweise, die in der wiederholten Begehung der einzelnen Tathandlungen nach Abs. 1 besteht und die der Politik eines Staates oder einer Organisation dient, deren Ziel ein solcher Angriff bildet.
Zur Zivilbevölkerung zählen dabei alle Personen, die nicht oder nicht mehr an dem Konflikt teilnehmen, mithin die allgemeine Bevölkerung, aber auch Kämpfer, die ihre Waffen niedergelegt haben.
Die hier gemeinte Zivilbevölkerung muss dabei einige Merkmale ähnlich einer Gruppe beim Völkermord tragen. Es darf sich nicht um eine zufällige Menge von Menschen handeln. Genügen würde aber beispielsweise schon das gemeinsame Bewohnen eines bestimmten Gebietes.
2. Tathandlungen
Ist die oben erläuterte Tatsituation insoweit gegeben, stellt sich die Frage welche Tathandlungen im Allgemeinen geeignet sind, den Straftatbestand zu erfüllen.
Die hier beschriebenen Tathandlungen sind sämtlich in den Elements of Crimes legal definiert.
Zunächst in Frage kommt die Tathandlung des Tötens, also der vorsätzlichen Tötung eines Menschen, ohne dass dabei Mordmerkmale vorliegen müssen, in Frage. Hier ist zu beachten, dass gleichzeitig bereits unter Umständen der Tatbestand des Völkermordes verwirklicht sein kann.
Als zweite Tathandlung kommt die Ausrottung in Betracht. Ausrottung bedeutet die Schaffung auf die Vernichtung von Bevölkerungsteilen ausgerichteter Lebensbedingungen. Hier käme beispielsweise die Unfruchtbarmachung eines Gebietes in Frage.
Weiterhin existiert die Tathandlung der Versklavung, also der Verdinglichung eines Menschen, sowie der Vertreibung oder zwangsweisen Überführung der Bevölkerung. Dies beschreibt eine unzulässige Verbringung aus dem bisherigen Gebiet in ein anderes.
Auch möglich ist die Handlung des Freiheitsentzugs, der Folter und der sexuellen Gewalt von gewisser Schwere. Hier kommen insbesondere Vergewaltigung, Zwangssterilisationen und Zwangsschwangerschaftsabbrüche in Betracht.
Die Verfolgung einer identifizierbaren Gruppe oder Gemeinschaft gehört weiterhin ebenso zu den denkbaren Tathandlungen wie das zwangsweise Verschwindenlassen von Menschen.
Auch Apartheit, also Rassentrennung und –diskriminierung, sowie andere unmenschliche Handlungen, die mit den oben genannten vergleichbar schwere Beeinträchtigungen des Körpers darstellen, beispielsweise Versuche am Menschen, können Tathandlungen sein.
3. Der subjektive Tatbestand
Vorausgesetzt wird auch beim Verbrechen gegen die Menschlichkeit wiederum Vorsatz (Art. 30 IStGHSt), also Kenntnis der Umstände, die den systematischen Angriff auf die Bevölkerung bilden. Die Kenntnis der Politik, die vom fraglichen Staat oder der fraglichen Organisation damit verfolgt wird, wird jedoch nicht verlangt. Eine weitere besondere Absicht des Täters ist nicht von Nöten.