I. Einleitung
Im Vergleich zu den Aufbauten der Tatbestände des Völkermordes oder der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ist der Tatbestand der Kriegsverbrechen aufgrund seiner Weite eher kompliziert ausgefallen.
Dies liegt auch daran, dass es sich bei der Norm teilweise um eine Verweisungsnorm ins humanitäre Völkerrecht handelt, mithin also der Blick auf andere Vorschriften, wie etwa die verschiedenen Genfer Konventionen, kaum zu vermeiden ist.
II. Das Rechtsgut/Schutzgut
Bezüglich des geschützten Rechtsguts der Vorschrift des Art. 8 IStGHSt besteht, wie bei den meisten Verbrechen des Völkerstrafrechts keine ungeteilte Einigkeit. Unstrittig handelt es sich zwar um eine Vorschrift, die in irgendeiner Weise kollektive Rechtsgüter schützt, doch welches Kollektivrechtsgut das gemeinte ist, ist im Einzelnen umstritten.
Teilweise sieht man das Schutzgut des Artikels in einem kollektiven, grundsätzlich vorhandenen Interesse am Erhalt oder der Schaffung des Weltfriedens. Dies hätte bei konsequenter Auslegung dieses Gedankens zur Folge, dass die Kriegsverbrechen bewaffnete Konflikte im Allgemeinen verbieten sollen.
Die herrschende Meinung sieht dies nachvollziehbar anders. Denn für ein Verbot bewaffneter Konflikte als solcher bietet der Gesetzestext keine Anhaltspunkte. Verboten werden sollen aber einige Formen der Kriegsführung. Es handelt sich also nicht um das „Ob“, sondern um das „Wie“ der Kriegsführung. Dadurch sollen im Endeffekt die kriegführenden Kollektive einem Mindestmaß an Schutz unterstellt werden.
Da sich im Zweifel beiden Seiten der Auseinandersetzung an diese Mindestregeln zu halten haben, kann man den Beschluss des Tatbestandes der Kriegsverbrechen durch die Völkergemeinschaft als Egoismus oder Selbstschutz in Reinform bezeichnen, der aber letztlich auch den Schutz Anderer bezweckt.
III. Allgemeine Voraussetzungen
Als allgemeine Voraussetzung zur Verwirklichung des Tatbestandes muss ein bewaffneter internationaler oder auch nationaler Konflikt vorliegen. Bezüglich der Definition der Begrifflichkeit des internationalen bewaffneten Konflikts besteht Uneinigkeit, ob der Terminus formal oder materiell definiert werden soll.
Die formale Definition würde letztlich darauf zurückführen, dass ein Konflikt dann vorliegt, wenn ein Staat einem anderen Staat offiziell den Krieg erklärt hat. Diese Form der Definition erscheint hier nicht überzeugend, ist doch die Intention der Vorschrift erkennbar: Auch andere Konflikte sollen unter dem „Schutz“ der Vorschrift stehen.
Eine materielle Definition ist daher zu bevorzugen. Das heißt im Einzelnen, dass ein bewaffneter Konflikt bei jeder Auseinandersetzung zwischen Staaten besteht, die durch Armeen oder ähnliche bewaffnete Gruppierungen ausgeführt werden.
Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt trägt dann die Besonderheit in sich, dass auch vergleichbare Auseinandersetzungen innerstaatlicher Parteien unter den Tatbestand fallen können
Grundsätzlich besteht auch bei den Kriegsverbrechen, ähnlich wie bei den Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Notwendigkeit einer Gesamttat, die im Zusammenhang mit der Einzeltat stehen muss. Der Zusammenhang ist dann zu vermuten, wenn der Einzeltäter einer der Konfliktparteien angehört oder der Täter, so er denn eine Zivilperson ist, gezielt von einer Konfliktpartei eingesetzt wird.
IV. Tathandlungen
Spätestens bei den denkbaren Tathandlungen, die zur Verwirklichung eines Kriegsverbrechens ausreichen können, wird der Tatbestand unübersichtlich. Denn das IStGHSt nennt allein über 50 verschiedene denkbare Tathandlungen. Unter Berücksichtigung der Verweisungen auf das humanitäre Völkerrecht wird der Tatbestand noch unübersichtlicher.
Um eine bessere Verständlichkeit zu erzeugen, kann man die Tathandlungen jedoch wiederum den beiden oben genannten Voraussetzungen, also entweder dem innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikt zuordnen.
Innerhalb der Gruppen kann wiederum nach Verstößen gegen Genfer oder Haager Recht unterschieden werden.
1. Internationale Konflikte
Als Tathandlungen bei internationalen bewaffneten Konflikten kommen zum Beispiel Folter, vorsätzliche Tötung oder unmenschliche Behandlungen in Betracht. Hier spielt das Genfer Recht in dem Sinne eine übergeordnete Rolle, dass der Schutz, den diese Tathandlungen bezwecken, nicht den Kombatanten, sondern der Zivilbevölkerung oder kampfunfähigen ehemaligen Kombatanten zugutekommen soll. Unter der Anwendung der Genfer Konventionen muss darüber hinaus eine schwere Verletzung einer der vier Wiener Konventionen vorliegen.
Die Verweise auf das Haager Recht beziehen sich dagegen auf die Regeln, die zwischen den Kombatanten zu beachten sind.
Insgesamt befindet sich der Tatbestand in einer ständigen Weiterentwicklung. Trotz mannigfaltiger Unterabsätze, hinkt er der technischen Entwicklung bei den Waffensystemen immer einen Schritt hinterher. So sind beispielsweise der Einsatz von Atomwaffen oder chemischer Kampfstoffe noch nicht unter Strafe gestellt.
2. Nicht internationale Konflikte
Aufgrund der im Grunde genommen respektierten Hoheit eines Staates auf seinem Gebiet, sind die Einschränkungen bei nicht internationalen Konflikten wesentlich moderater ausgefallen. Nur besonders schwere Verstöße gegen die Genfer Konvention werden hier unter Strafe gestellt, wie beispielsweise Angriffe auf Leib und Leben oder rechtsstaatswidrige Gerichtsverfahren.
Geschützt sind hier nur Personen, die keine Kombatanten im fraglichen Konflikt darstellen.
V. Subjektiver Tatbestand
Wie bei den anderen Verbrechen des Völkerstrafrechts, wird regelmäßig Vorsatz vorausgesetzt. Einige streitige Besonderheiten sind unklaren Formulierungen, insbesondere in der englischen Fassung, geschuldet, die aber wenig Relevanz, auch auf die Klausur bezogen, entfalten.