Schwere Körperverletzung, §§ 223, 226 StGB

Schwere Körperverletzung, §§ 223, 226 StGB

Hat die Körperverletzung zur Folge, dass die verletzte Person beispielsweise das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen verliert so ist gemäß § 226 StGB die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Bei der schweren Körperverletzung nach § 226 StGB handelt es sich um eine Erfolgsqualifikation, deren Grund in dem Eintritt der schweren Folge liegt. In diesem Beitrag werden das Prüfungsschema des § 226 StGB sowie dessen einzelnen Voraussetzungen erläutert.
schwere körperverletzung
Lecturio Redaktion

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27.02.2024

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I. Allgemeines zu § 226 StGB

In § 226 StGB ist die schwere Körperverletzung geregelt. Hierbei handelt es sich um Erfolgsqualifikationen, deren Grund nicht in der gefährlichen Handlung, wie bei § 224 StGB liegt, sondern im Eintritt der schweren Folge. 

§ 226 Abs. 1 StGB:

Hat die Körperverletzung zur Folge, dass die verletzte Person
1. das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert,
2. ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder
3. in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in SiechtumLähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt,
so ist die Strafe Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren.

Die Erfolgsqualifikation setzt voraus, dass der Grundtatbestand § 223 StGB, erfüllt wurde.

Tipp: Zu Ausführungen zum Grundtatbestand (§ 223 StGB) lies hier weiter. Zum Artikel zur gefährlichen Körperverletzung (§ 224 StGB) hier entlang.

II. Schema: schwere Körperverletzung, § 226 StGB

Prüfungsschema: schwere Körperverletzung, § 226 StGB

  • I. Tatbestand
  • 1. Grundtatbestand, § 223 StGB
  • 2. Erfolgsqualifikation: schwere Körperverletzung § 226 StGB
    • a) Eintritt der schweren Folge
    • b) Kausalität und Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen Grunddelikt und schwerer Folge
    • b) Objektive und subjektive Fahrlässigkeit bzw. Vorsatz (§ 18 StGB)
    • c) Sonderfall, § 226 Abs. 2 StGB: absichtliche oder wissentliche Erfolgsverursachung
  • II. Rechtswidrigkeit und Schuld

III. Voraussetzungen des § 226 StGB

Für die Erfolgsqualifikation der schweren Körperverletzung (§ 226 StGB) ist zunächst der Eintritt der schweren Folge erforderlich.

1. Schwere Folge

Die möglichen schweren Folgen werden in § 226 Abs. 1 StGB aufgelistet und werden im Folgenden näher beleuchtet.

Tipp: Keine Lust zu lesen? Dann empfehlen wir dieses Video zu den qualifizierenden Erfolgen.

a) § 226 Abs. 1 Nr. 1 StGB: Verlust Sehvermögen, Gehör, Sprechvermögen und Fortpflanzungsfähigkeit

„das Sehvermögen auf einem Auge oder beiden Augen, das Gehör, das Sprechvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit verliert“

Definition: Sehvermögen ist die Fähigkeit, Gegenstände visuell zu erkennen.

Das Sehvermögen ist verloren, wenn die genannte Fähigkeit nahezu aufgehoben ist, also lediglich ein Restsehvermögen von ca. 5-10 % verbleibt. Der Verlust des Sehvermögens auf einem Auge reicht aus.

Definition: Gehör ist die Fähigkeit, artikulierte Laute akustisch zu verstehen.

Das Gehör ist verloren, wenn die genannte Fähigkeit insgesamt auf beiden Ohren fehlt.

Definition: Sprechvermögen ist die Fähigkeit artikuliert zu reden.

Verlust heißt hierbei nicht, dass völlige Stimmlosigkeit eintreten muss. Dennoch ist bloßes Stottern nicht ausreichend.

Definition: Fortpflanzungsfähigkeit ist die Fähigkeit, sich zu reproduzieren.

Die Fortpflanzungsfähigkeit ist verloren, wenn sie im Wesentlichen (nicht zwingend vollständig) aufgehoben ist, der Ausfall langzeitig ist und die Heilung sich entweder gar nicht oder auf unbestimmte Zeit nicht absehen lässt.

b) § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB: wichtiges Glied

„ein wichtiges Glied des Körpers verliert oder dauernd nicht mehr gebrauchen kann oder“

Definition: Nach allgemeinem Wortverständnis sind von der Formulierung „wichtiges Glied“ nur die äußerlichen Körperteile erfasst, die mit dem Rumpf oder einem Körperteil durch ein Gelenk verbunden sind.

Für die Bestimmung der Wichtigkeit eines Gliedes kommt es entscheidend auf seine Bedeutung für den Gesamtorganismus an.

Fraglich ist, inwieweit persönliche Umstände des Tatopfers in die Auslegung mit einfließen müssen:

  • Nach herrschender Meinung ist ein genereller Maßstab anzusetzen. Nicht körperliche Aspekte (z. B. Beruf) sind außer Acht zu lassen.
  • Nach einigen immer lauter werdenden Stimmen in der Literatur ist das Merkmal der Wichtigkeit aus der Perspektive des Verletzten zu betrachten.

c) § 226 Abs. 1 Nr. 3 StGB: Entstellt, Siechtum, Lähmung, geistige Krankheit und Behinderung

„in erheblicher Weise dauernd entstellt wird oder in SiechtumLähmung oder geistige Krankheit oder Behinderung verfällt“

Definition: Erheblich dauernd entstellt meint die Verunstaltung der Gesamterscheinung, die einen unästhetischen Eindruck vermittelt.

Sie ist erheblich, wenn sie dem Gewicht der übrigen in § 226 Abs. 1 StGB genannten schweren Fällen gleichkommt.

Definition: Unter Siechtum ist ein chronischer Krankheitszustand, der den Gesamtorganismus des Verletzten angreift, und ein Schwinden der körperlichen und geistigen Kräfte zur Folge hat, zu verstehen.

Definition: Lähmung ist die erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit eines Körperteils.

Definition: Geistige Krankheiten sind alle exogenen und endogenen Psychosen im Sinne von § 20 StGB.

Definition: Behinderung ist eine geistige Störung.

Hierbei ist die Erhöhung des Behinderungsgrades möglich. Körperliche Behinderungen sind bereits durch die anderen Alternativen abgedeckt.

Definition: Verfall liegt vor, wenn der Körper im Ganzen in erheblicher Weise chronisch (nicht notwendigerweise unheilbar) beeinträchtigt wird und die Beseitigung dieses Zustandes sich für eine absehbare Zeit nicht bestimmen lässt.

2. Unmittelbarkeitszusammenhang

Erforderlich ist für § 226 StGB immer ein Unmittelbarkeitszusammenhang zwischen:

Unmittelbarkeitszusammenhang
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Welche Anforderungen an den Unmittelbarkeitszusammenhang zu stellen sind, ist umstritten. Insbesondere geht es darum, ob auf die Körperverletzungshandlung oder auf den Körperverletzungserfolg abgestellt werden muss.

Anforderungen an den Unmittelbarkeitszusammenhang
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3. subjektiver Tatbestand

Die schwere Körperverletzung nach § 226 StGB kann nicht nur bedingt vorsätzlich, sondern auch fahrlässig verwirklicht werden.

Handelt der Täter absichtlich oder mit sicherem Wissen findet § 226 Abs. 2 StGB Anwendung. Auf der Rechtsfolgenseite sieht § 226 Abs. 2 StGB eine nochmals erhöhte Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren vor.

Tipp: Für weitere Ausführungen zur schweren Körperverletzung empfehlen wir dieses Video.

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