I. Allgemeines
Wie aus § 9 VwVfG ersichtlich wird, ist der öffentlich-rechtliche Vertrag gleichrangig mit dem Verwaltungsakt:
Das Verwaltungsverfahren […] [ist] auf den Erlass eines Verwaltungsaktes oder auf den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags gerichtet […].
Die Legaldefinition des öffentlich-rechtlichen Vertrags ergibt sich aus § 54 S. 1 VwVfG:
Ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts kann durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben werden (öffentlich-rechtlicher Vertrag), soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Insbesondere kann die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließen, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.
Danach ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ein Rechtsverhältnis auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, welches durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben wird. Es muss unbedingt ein Vertrag vorliegen. Dieser ist identisch mit zivilrechtlichen Verträgen, es sind mithin übereinstimmende wirksame Willenserklärungen notwendig.
Ob ein Vertrag öffentlich-rechtlicher oder privater Natur ist, ergibt sich aus dem Vertragsgegenstand. Hierbei kommt es auf die objektive Zuordnung des durch den Vertrag geregelten Rechtsverhältnisses an. Subjektive Vorstellungen oder die Zuordnung der Personen zum öffentlichen Recht bleiben außer Betracht.
- Dem öffentlichen Recht ist ein Vertrag dann zuzuordnen, wenn er sich auf Sachverhalte bezieht, die von der gesetzlichen Ordnung öffentlich-rechtlich geregelt werden.
- Bei gemischten Verträgen wird keine Trennung in einen privatrechtlichen und einen öffentlich-rechtlichen Teil vorgenommen. Es ist somit vielmehr darauf abzustellen, wo der Schwerpunkt des Vertrages liegt.
- Anders ist dies bei zusammengesetzten Verträgen, welche aus mehreren Einzelverträgen bestehen, welche sowohl privatrechtlich, als auch öffentlich-rechtlich sein können. Das Aufspaltungsverbot greift hier nicht.
II. Vertragsarten des öffentlich-rechtlichen Vertrages
Nur wenige Arten des öffentlich-rechtlichen Vertrags sind typisiert. Mangels Typenzwangs ist die Verwaltung allerdings in der Lage, vielgestaltige Verträge einzugehen. Einige wichtige Vertragsarten sollen jedoch vorgestellt werden.
1. Koordinations- und subordinationsrechtliche Verträge, § 54 VwVfG
§ 54 VwVfG unterscheidet zwei Arten des öffentlich-rechtlichen Vertrags. In § 54 S. 2 VwVfG ist der subordinationsrechtliche Vertrag genannt. Alle anderen Verträge sind koordinationsrechtliche Verträge (S. 1).
Für den subordinationsrechtlichen Vertrag gelten zusätzlich einige Sondervorschriften.
Hierbei handelt es sich gem. § 54 S. 2 VwVfG um einen Vertrag, bei dem die Behörde, anstatt einen Verwaltungsakt zu erlassen, einen öffentlich-rechtlichen Vertrag mit demjenigen schließt, an den sie sonst den Verwaltungsakt richten würde.
Wann ein subordinationsrechtlicher Vertrag im Gegensatz zum koordinationsrechtlichen Vertrag anzunehmen ist, kann nicht immer leicht festgestellt werden.
Die Rechtsprechung stellt darauf ab, ob der Vertrag auf einem Gebiet geschlossen wurde, welches durch ein hoheitliches Über- und Unterordnungsverhältnis gekennzeichnet ist. Es handelt sich dann nicht um einen subordinationsrechtlichen Vertrag nach § 54 S. 2 VwVfG, wenn das Gebiet des Vertragsgegenstandes nicht typischerweise von hoheitlichen Handlungsbefugnissen geprägt ist.
Bei einem koordinationsrechtlichen Vertrag handelt es sich im Gegensatz dazu um einen Vertrag zwischen verschiedenen Stellen der öffentlichen Verwaltung.
Hierfür gelten diejenigen Vorschriften nicht, welche an das Vorliegen eines subordinationsrechtlichen Vertrags i.S.v. § 54 S. 2 VwVfG anknüpfen.
2. Vergleichsvertrag, § 55 VwVfG
Der Vergleichsvertrag ist in § 55 VwVfG geregelt. Er zählt aufgrund der Schutzbedürftigkeit zu den subordinationsrechtlichen Verträgen.
Die Legaldefinition ergibt sich aus § 55 VwVfG.
Ein Vergleichsvertrag ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne des § 54 Satz 2, durch den eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts oder der Rechtslage bestehende Ungewissheit durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird.
Hierbei ist jedoch die Amtsermittlungspflicht der Behörde gem. § 24 VwVfG zu beachten. Erst nach Bestrebungen den Sachverhalt zu ermitteln, kann es zu einem Vergleichsvertrag kommen.
Das gegenseitige Nachgeben muss sich gerade auf die Ungewissheit beziehen, womit die vertragliche Regelung zur Vertragsgrundlage wird. Der gerichtliche Vergleich gem. § 106 VwGO hat eine Doppelnatur und ist teilweise ein öffentlich-rechtlicher Vertrag.
3. Austauschvertrag, § 56 VwVfG
Der Austauschvertrag ist in § 56 VwVfG geregelt. Er dient dazu, den Ausverkauf von Hoheitsrechten zu verhindern und schützt zudem den Bürger davor, dass ihm unangemessene Leistungen abverlangt werden.
Unterschieden wird zwischen echten Austauschverträgen, wo eine echte Gegenseitigkeit besteht und sog. hinkenden Austauschverträgen, bei denen die behördliche Gegenleistung als außervertragliche Bedingung oder als stillschweigende Geschäftsgrundlage vorausgesetzt wird.
4. Verpflichtungs- und Verfügungsverträge
Bei einem Verpflichtungsvertrag verpflichten sich die Parteien nur zur Leistung. Durch einen Verfügungsvertrag erfolgt die Begründung, Änderung oder Aufhebung des Rechtsverhältnisses unmittelbar durch den Vertrag.
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III. Zulässigkeit und formelle Anforderungen des öffentlich-rechtlichen Vertrages
Der öffentlich-rechtliche Vertrag muss zulässig sein und ggf. formelle Anforderungen erfüllen.
1. Zulässigkeit der Handlungsform
Aus § 54 S. 1 VwVfG ergibt sich, dass die Behörde einen öffentlich-rechtlichen Vertrag anstelle eines Verwaltungsaktes erlassen kann. Ihr steht somit ein Ermessensspielraum diesbezüglich zu. Zudem kann der Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrags durch eine Norm verboten sein.
Zu unterscheiden sind solche Vertragsformverbote von sog. Inhaltsverboten, welche sich auf den Inhalt des Vertrages beziehen.
2. Zuständigkeit und Formerfordernisse
Die Behörde muss, wie auch beim Erlass von Verwaltungsakten, örtlich, sachlich und instantiell zuständig sein.
Gem. § 57 VwVfG gilt für öffentlich-rechtliche Verträge grundsätzlich die Schriftform. Ein Verstoß hiergegen führt gem. § 59 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 125 BGB zur Nichtigkeit des Vertrags.
3. Zustimmung von Dritten und Behörde
Gem. § 58 VwVfG müssen ggf. betroffene Dritte oder andere Behörden dem öffentlich-rechtlichen Vertrag ihre Zustimmung erteilen.
Dies gilt für Verfügungsverträge. Ob dies auch bereits für Verpflichtungsverträge gilt, ist umstritten. Fehlt es an einer Zustimmung, ist der Vertrag schwebend unwirksam.
IV. Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge
Direkte Vorgaben gibt es gem. § 54 VwVfG für den Inhalt öffentlich-rechtlicher Verträge nicht. Die inhaltlichen Voraussetzungen eines Vergleichsvertrages ergeben sich direkt aus § 55 VwVfG.
Ebenso ergeben sich die inhaltlichen Erfordernisse eines Austauschvertrages aus § 56 VwVfG. Als Leistung zulässig ist jedes Verwaltungshandeln, sofern dieses zulässig und begründet ist.
Beim Austauschvertrag sind auch die Bestimmtheitserfordernis, und das Koppelungsverbot wichtig.
Aus § 56 VwVfG ergibt sich auch, dass die Gegenleistung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben dienen muss und die Gegenleistung angemessen sein muss.
V. Prüfung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages
Das Schema ist angelehnt an das eines zivilrechtlichen Vertrages, orientiert sich aber – logischerweise – an den §§ 54 ff. VwVfG.
Schema, §§ 54 ff VwVfG
- Vorliegen eines öffentlich-rechtlichen Vertrags
- Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
maßgeblich ist der Vertragsgegenstand (beachte eine möglicherweise Vorliegende Teilung) - Vertragliche Regelung
gleichrangiger Einfluss bzgl. der Gestaltung
- Regelung auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts
- Wirksamkeit des Vertrags
- Wirksame Einigung, § 62 S. 2 VwVfG iVm BGB-Vorschriften
- Schriftform, § 57 VwVfG
- Evtl. Beteiligung Dritter, § 58 VwVfG
- Spezielle Nichtigkeitsgründe, § 59 Abs. 2 VwVfG bei subordinationsrechtliche Verträge
- §59Abs.2Nr.1VwVfG: VA mit entsprechendem Inhalt wäre nach § 44 VwVfG nichtig
- §59Abs.2Nr.2VwVfG:Rechtswidrigkeit eines entsprechenden VA erforderlich und Wissen der Beteiligten
- §59Abs.2Nr.3VwVfG:keine Vergleichslage, kein gegenseitiges Nachgeben
- §59Abs.2Nr.4VwVfG: § 56 VwVfG Versprechung einer unzulässige Gegenleistung
- Allgemeine Nichtigkeitsgründe, § 59 Abs. 1 VwVfG bei koordinations- und subordinationsrechtlicher Vertrag
- Zulässige Handlungsform, § 59 VwVfG i.V.m. § 134 BGB (Vertragsformverbot)
- kein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, § 59 I VwVfG i.V.m. § 134 BGB
VI. Fehlerhafte öffentlich-rechtliche Verträge
Welche Folgen ein fehlerhafter öffentlich-rechtlicher Vertrag hat, ergibt sich aus § 59 VwVfG. Hiernach gibt es einerseits fehlerhafte nichtige Verträge und andererseits solche, welche nicht nichtig sind.
1. Rechtswidrige Verträge
Ist ein Vertrag bloß rechtswidrig, ohne dass dies gem. § 59 VwVfG zur Nichtigkeit führt, ist er trotz seiner Rechtswidrigkeit wirksam.
2. Nichtige Verträge
Die Nichtigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages ergibt sich aus § 59 VwVfG. Dessen Abs. 1 gilt für alle öffentlich-rechtlichen Verträge und Abs. 2 spezialgesetzlich für subordinationsrechtliche, weshalb er bei Vorliegen eines solchen vorrangig zu prüfen ist.
§ 59 Abs. 1 VwVfG lautet:
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag ist nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus der entsprechenden Anwendung von Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs ergibt.
Hier ist besonders § 134 BGB zu beachten.
§ 59 Abs. 2 VwVfG, welcher für subordinationsrechtliche Verträge gilt lautet:
Ein Vertrag im Sinne des § 54 Satz 2 ist ferner nichtig, wenn
- Ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nichtig wäre,
- Ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 46 rechtswidrig wäre und dies den Vertragschließenden bekannt war,
- Die Voraussetzungen zum Abschluss eines Vergleichsvertrags nicht vorlagen und ein Verwaltungsakt mit entsprechendem Inhalt nicht nur wegen eines Verfahrens- oder Formfehlers im Sinne des § 46 rechtswidrig wäre,
- Sich die Behörde eine nach § 56 unzulässige Gegenleistung versprechen lässt.
3. Teilnichtigkeit
§ 59 Abs. 3 VwVfG enthält eine Regelung zur Teilnichtigkeit des Vertrages:
Betrifft die Nichtigkeit nur einen Teil des Vertrags, so ist er im Ganzen nichtig, wenn nicht anzunehmen ist, dass er auch ohne den nichtigen Teil geschlossen worden wäre.
4. Nichtigkeitsfolgen
Grundsätzlich führt der nichtige Vertrag nicht zu Ansprüchen, da er zu keiner Verpflichtung geführt hat.
Sollten bereits Leistungen erbracht worden sein, kann eine Rückabwicklung nach den Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs stattfinden. Dies soll allerdings nur eingeschränkt gelten.
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VII. Durchsetzung und Verletzung vertraglicher Pflichten
Es nicht möglich, dass die Behörde die Pflichten des Vertragspartners per Verwaltungsakt durchsetzt. Vielmehr muss dies gerichtlich geschehen.
Bei Pflichtverletzungen gelten über § 62 S. 2 VwVfG die Vorschriften des BGB entsprechend.
Quellen
- Detterbeck, Steffen: Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Auflage 2015.
- Sodan, Helge / Ziekow, Jan: Grundkurs Öffentliches Recht, 6. Auflage 2014.