Obersatz
Der Obersatz und das entsprechende Prüfungsschema des § 47 VwGO hängen in Klausur von der Aufgabenstellung ab. Für den klassischen Fall der Frage nach den Erfolgsaussichten eines Normenkontrollantrags lautet der Obersatz:
„Der Antrag hat Aussicht auf Erfolg, soweit er zulässig und begründet ist.“
Im Gutachten muss genau auf die Terminologie geachtet werden: Es handelt sich um einen Antrag (§ 47 VwGO), nicht um eine Klage.
A. Zulässigkeit
I. Eröffnung des Verwaltungsrechtswegs, § 47 Abs. 1 VwGO
Über Normenkontrollanträge (§ 47 VwGO) entscheidet gem. § 47 Abs. 1 VwGO das Oberverwaltungsgericht nur im Rahmen seiner Gerichtsbarkeit. Daher muss, wie stets im Verwaltungsprozessrecht, der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sein. Dies ist an diesem Prüfungspunkt zu erörtern.
II. Statthafte Antragsart
Der Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) ist statthaft, wenn der Antragsteller eine Überprüfung einer in § 47 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 2 VwGO genannten Rechtsvorschriften begehrt.
§ 47 Abs 1 Nr. 1 VwGO spricht von Satzungen, die nach den Vorschriften des BauGB erlassen worden sind, sowie von Rechtsverordnungen auf Grund des § 246 Abs. 2 BauGB. Beispiele hierfür sind Bebauungspläne, Veränderungssperren und die Erschließungssatzung.
Beispiel: Bürger X will den Bebauungsplan der Stadt Y gerichtlich überprüfen lassen, da dieser die Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen in Bauland vorsieht und der befangene Bauer Z an der Abstimmung im Gemeinderat teilnahm. Darüber hinaus ist er der Ansicht, dass die landwirtschaftlichen Flächen nicht mit Wohnhäusern „verschandelt“ werden dürfen.
§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO handelt von anderen, im Rang unter dem Landesgesetz stehenden Vorschriften. Die Möglichkeit der Kontrolle dieser Rechtsvorschriften hängt von Landesgesetzen ab. Beispiele für solche Vorschriften sind Polizeiverordnungen und Satzungen von Gemeinden.
Beispiel: Student X wendet sich gegen eine Polizeiverordnung, die den Konsum von alkoholischen Getränken auf öffentlichen Plätzen verbietet.
III. Antragbefugnis, § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO
Gem. § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO kann jede natürliche oder juristische Person, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden, den Antrag (§ 47 VwGO) stellen. Des Weiteren kann auch eine Behörde den Antrag (§ 47 VwGO) stellen.
Antragsteller, die nicht Behörden sind, müssen die Betroffenheit in einem Recht geltend machen. Die Popularklage ist somit ausgeschlossen.
IV. Keine Präklusion gem. § 47 Abs. 2a VwGO
Bebauungspläne zu erarbeiten ist für die Gemeinden eine zeitintensive Aufgabe, die viele Ressourcen in Anspruch nimmt. Daher müssen Einwände gegen Bebauungspläne rechtzeitig vorgetragen werden. Verspätete Einwände, die erst vor Gericht vorgebracht werden, haben gem. § 47 Abs. 2a VwGO keinen Bestand.
Gem. § 47 Abs. 2a VwGO ist der Antrag (§ 47 VwGO) einer natürlichen oder juristischen Person, der einen Bebauungsplan oder bestimmte Satzungen des BauGB zum Gegenstand hat, unzulässig, wenn die den Antrag (§ 47 VwGO) stellende Person nur Einwendungen geltend macht, die sie im Rahmen der öffentlichen Auslegung oder im Rahmen der Beteiligung der Betroffenen nicht oder nur verspätet geltend gemacht hat.
Beispiel: Bürger X hätte seine Einwände hinsichtlich der „Verschandelung“ der landwirtschaftlichen Flächen schon im Rahmen der öffentlichen Auslegung geltend machen können. Vor Gericht ist dieses Argument somit unzulässig.
V. Vorverfahren
Das Vorverfahren muss beim Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) nicht durchgeführt werden.
VI. Antragsfrist, § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO
Die Antragsfrist beträgt gem. § 47 Abs. 2 S. 1 VwGO ein Jahr.
Eine nach Ablauf der Frist (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO) erhobene Normenkontrolle (§ 47 VwGO) ist unzulässig. Der Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) kann in diesem Fall entweder durch Prozessurteil oder durch Gerichtsbescheid (§ 84 Abs. 1 VwGO) abgewiesen werden.
VII. Zuständiges Gericht, § 47 Abs. 1 VwGO
Das Oberverwaltungsgericht ist gem. § 47 Abs. 1 VwGO zuständig. In einigen Bundesländern wie z.B. Baden-Württemberg, Bayern und Hessen wird das Oberverwaltungsgericht auch Verwaltungsgerichtshof genannt, vgl. § 184 VwGO.
VIII. Beteiligtenfähigkeit, § 47 Abs. 2 VwGO
Die Beteiligtenfähigkeit des Antragsstellers und Antragsgegners ergibt sich aus § 47 Abs. 2 VwGO.
IX. Richtiger Antraggegner
Der Antrag (§ 47 VwGO) ist gem. § 47 Abs. 2 S. 2 VwGO gegen die Körperschaft zu richten, die die Rechtsvorschrift erlassen hat.
X. Rechtsschutzbedürfnis
Da Behörden den Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) ohne behauptete Rechtsverletzung stellen können, müssen diese ein Normenkontrollinteresse darlegen. Dieses liegt vor, wenn die Behörde die Norm selbst anwenden muss.
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B. Begründetheit
Der Obersatz der Begründetheit lautet:
“Die Normenkontrolle ist begründet, wenn die zu überprüfende Norm nichtig ist.”
In der Begründetheit kommt es nicht mehr auf die Rechtsverletzung aus der Antragsbefugnis an. Vielmehr nimmt das Gericht eine objektive Rechtmäßigkeitskontrolle vor.
Da die Norm in der Regel auf Dauer angelegt ist, ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Beurteilung durch das Gericht.
I. Ermächtigungsgrundlage
Fehlt eine Ermächtigungsgrundlage, ist diese nicht anwendbar oder ihrerseits rechtswidrig, ist die zu überprüfende Rechtsnorm schon aus diesem Grund rechtswidrig und damit unwirksam.
I. Formelle Rechtmäßigkeit
Die Norm wird uneingeschränkt auf die Vereinbarkeit mit höherrangigem Bundes- und Landesrecht überprüft. Es müssen Zuständigkeit, Verfahren und Form der Norm geprüft werden. Insbesondere die Heilungsvorschriften der §§ 214 ff. BauGB und die Bekanntmachungserfordernisse müssen dabei im Hinterkopf behalten werden.
Jedoch darf das OVG die Vereinbarkeit einer Rechtsvorschrift mit Landesrecht nicht prüfen, wenn dies gesetzlich ausgeschlossen ist.
II. Materielle Rechtmäßigkeit
An dieser Stelle ist die Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit höherrangigem Recht zu untersuchen. Art. 80 I GG spielt hier oft eine bedeutende Rolle.
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C. Ergebnis
„Der Antrag ist begründet/unbegründet und hat (keine) Aussicht auf Erfolg.“
Ist die zu überprüfende Rechtsnorm nicht rechtswidrig und damit nicht nichtig, ist der Antrag (§ 47 VwGO) unbegründet. Andernfalls ist der Normenkontrollantrag (§ 47 VwGO) schon dann begründet, wenn die zu überprüfende Norm rechtswidrig ist. Auf eine subjektive Rechtsverletzung kommt es nicht an.
Fazit
Das verwaltungsrechtliche Normenkontrollverfahren (§ 47 VwGO) ist eines der wenigen Verfahren, in dem Bürger direkt gegen Normen vorgehen können. § 47 VwGO nimmt daher eine besondere Rolle ein und zählt zum beliebten Prüfungsstoff in Klausuren.