I. Staatsexamen
Der Abschluss des traditionellen Jurastudiums sieht wie folgt aus: Nach fünf oder mehr Jahren des Studierens wird das geballte Wissen in fünf bis acht Klausuren und einer zusätzlichen mündlichen Prüfung abgefragt. Daneben gilt es noch, die universitäre Schwerpunktbereichsprüfung zu absolvieren. Sind diese Hürden genommen, müssen noch das Referendariat und das anschließende zweite Staatsexamen überstanden werden.
Viele Studienbewerber*innen fragen sich deshalb, ob dieser steinige Weg der einzig mögliche ist, um nach dem Studium in einem juristischen Umfeld tätig werden zu können. Dies lässt sich mit einem im Jurastudium oft zitierten Satz beantworten: Es kommt darauf an.
Wer als Volljurist*in arbeiten will, also die Befähigung zum Richteramt erwerben möchte, muss das klassische Jurastudium absolvieren und sich beiden Examina unterziehen. Nur dann ist es möglich, eine Anwaltszulassung zu erhalten bzw. als Staatsanwält*in, Richter*in oder Notar*in zu arbeiten.
II. Der LL.B. – eine Alternative?
Für diejenigen, die keinen dieser juristischen Kernberufe anstreben, bietet sich jedoch mit dem sogenannten Bachelor of Laws (LL.B.) unter Umständen eine echte Alternative. Wie die Bachelor-Studiengänge in anderen Fachbereichen dauert der LL.B. zwischen sechs und acht Semestern. Anschließend kann ein Masterstudium angeschlossen werden.
Alternativ lässt sich der LL.B. auch im Rahmen eines dualen Studiums, z.B. im Öffentlichen Dienst, erwerben.
Interessant ist der LL.B., weil er mit sehr unterschiedlichen Ausrichtungen angeboten wird. Häufig werden neben juristischen Inhalten auch bspw. wirtschaftswissenschaftliche gelehrt. Dies ist insbesondere für diejenigen, die zwischen zwei Studiengängen schwanken, von Vorteil. Daneben bietet es auch die Möglichkeit, sich frühzeitig auf ein bestimmtes Fachgebiet festzulegen, was einem im klassischen Jurastudium eher verwehrt bleibt.
Mittlerweile bieten viele Universitäten und Hochschulen LL.B.-Studiengänge mit unterschiedlichen Ausrichtungen an:
In Rostock kann der LL.B. „Good Governance – Wirtschaft, Gesellschaft, Recht“ absolviert werden, während man sich an der Hochschule Fulda für den LL.B. „Sozialrecht“ oder „Wirtschaftsrecht – Nachhaltigkeit und Ethik“ entscheiden kann. An der Universität Erfurt lässt sich „Staatswissenschaften – Rechtswissenschaft“ studieren und an der Hochschule Darmstadt „Informationsrecht“.
An manchen Unis werden auch verschiedene Rechtsordnungen miteinander verknüpft: So kann man Deutsches und Polnisches Recht an der Viadrina in Frankfurt/Oder oder auch Deutsches und Französisches Recht an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz studieren.
Zahlreiche weitere (Fach-)Hochschulen und Universitäten verfügen über ein breites Angebot an juristischen Bachelor-Studiengängen. An der Fernuniversität Hagen kann der LL.B. sogar im Fernstudium absolviert werden.
III. Vor- und Nachteile des LL.B.s
Ein wesentlicher Vorteil des Bachelor of Laws ist, dass die über die Jahre erbrachten Studienleistungen in die Abschlussnote einfließen. Hingegen zählen beim herkömmlichen Jurastudium nur die Ergebnisse des Examens. Gerade die interdisziplinäre Ausrichtung vieler LL.B.-Studiengänge kann Absolventen außerdem für den Arbeitsmarkt besonders interessant machen. Vor allem Fachwissen im wirtschaftswissenschaftlichen Bereich ist heute für Jurist*innen wichtiger denn je. Auch wer sich nur für ein spezielles Rechtsgebiet interessiert, ist mit dem Bachelor möglicherweise glücklicher, als mit dem Staatsexamen, wo über viele Jahre hinweg alle Rechtsgebiete studiert werden müssen.
Weiterhin bietet der LL.B. eine gute Option für Menschen, die fundierte juristische Kenntnisse als Zusatz zu ihrer bisherigen Ausbildung erwerben wollen, denen der Weg zum Staatsexamen aber zu lang ist.
Ein weiterer Vorteil ist, dass der LL.B. i.d.R. in deutlich kürzerer Zeit (ca. 3-4 Jahre) erworben werden kann.
Als Nachteil lässt sich jedoch festhalten, dass LL.B.-Absolvent*innen in ihrem späteren Berufsleben häufig mit Volljuristen konkurrieren werden. Unter Umständen kann es dabei die Tendenz geben, Volljurist*innen den Bachelor-Absolvent*innen vorzuziehen, weil sie über eine längere juristische Ausbildung verfügen. Zudem sind, wie oben bereits angesprochen, einige Berufe ausschließlich Volljurist*innen vorbehalten.
Zudem verdienen LL.B.-Absolvent*innen im Durchschnitt weniger als Volljurist*innen.
IV. Der integrierte Bachelor im Staatsexamen
Den Königsweg stellt wohl der integrierte Bachelor in einem Staatsexamenstudiengang dar, wie ihn mittlerweile einige Universitäten bzw. Bundesländer anbieten. Diese Option ist besonders für diejenigen, die noch nicht genau wissen, wohin ihr Berufsweg einmal führen soll, geeignet. Selbst für diejenigen, die bereits wissen, dass sie einmal Richter*in oder Anwält*in werden möchten, bietet der integrierte Bachelor ein Art Back-Up-Möglichkeit vor dem Examen.
Im November 2022 war die Integrierung eines generellen Jura-Bachelors in den Staatsexamenstudiengang zudem Thema der Justizministerkonferenz. Zwar konnte man sich dort noch nicht auf die generelle Einführung einigen, doch zumindest hat das Thema Eingang in die politische Diskussion gefunden.
Den Staatsexamen und Bachelor auf einem Weg kann man mittlerweile schon an den Berliner und Brandenburger Universitäten erlangen, sowie an der Leuphana Universität Lüneburg, Universität Mannheim, EBS Law School Wiesbaden, Bucerius Law School Hamburg und an der Fernuni Hagen.
Geplant ist die Einführung eines integrierten Bachelors unter anderem an der Universität Leipzig.
V. Die Entscheidung zwischen Staatsexamen und LL.B.
Ob der LL.B. Sinn ergibt, muss jeder zukünftige Studierende für sich entscheiden. Für wen von vornherein feststeht, dass er kein*e Anwalt*in oder Richter*in werden möchte, stellt der LL.B. eine echte Alternative dar, die eine frühzeitige interdisziplinäre Spezialisierung ermöglicht. Wer sich diesbezüglich noch unsicher ist, sollte hingegen das Staatsexamen oder ein integriertes Modell wählen.
Außerdem muss der eingeschlagene Weg kein endgültiger sein: Es ist i.d.R. problemlos möglich, zwischen der einen oder anderen Studienform zu wechseln (dies ist allerdings meist mit einem Wechsel der Universität bzw. Hochschule verbunden). Zudem kann man sich auch nach Abschluss des LL.B. für den Staatsexamenstudiengang einschreiben und sich ggf. einige Leistungen anerkennen lassen.