I. Einleitung
Die Europäische Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) von 1950 ist in vielfacher Hinsicht von besonderer Bedeutung für den Schutz der Menschenrechte in Europa. Es handelt es sich zum einen um ein sehr wirksames Instrument des regionalen Menschenrechtsschutzes in Europa. Zum anderen stellt die Individualbeschwerdemöglichkeit nach Art. 34 EMRK in der Entwicklung der Menschenrechte einen Meilenstein dar. Zu den Vertragsstaaten der EMRK zählen die 46 Mitgliedsstaaten des Europarats.
II. Gewährleistungen der EMRK
Die EMRK umfasst in den Artikeln 2 bis 14 einen Katalog von Freiheitsrechten wie zum Beispiel das Recht auf Leben, das Verbot von Folter, Sklaverei und Zwangsarbeit, den Schutz der persönlichen Freiheit und Sicherheit. Zudem gibt es noch 16 Zusatzprotokolle zur EMRK. Einige Zusatzprotokolle enthalten materiell-rechtliche Bestimmungen, andere sind von Bedeutung für das Verfahrensrecht vor dem Gerichtshof. Die Regelung in Zusatzprotokollen erfolgt, damit zwischen einigen Vertragsstaaten eine weitergehende Übereinkunft getroffen werden kann, ohne dass der Vertragstext der EMRK geändert werden muss. Von besonderer Bedeutung sind dabei das Protokoll Nr. 1 zum Schutz des Eigentums, die Protokolle Nr. 6 und 13 zum Verbot der Todesstrafe und das Protokoll Nr. 11, durch welches der ständige Gerichtshof für Menschenrechte geschaffen wurde.
III. Verfahrensarten
Eine Beschwerde über den Verstoß eines Staates gegen die EMRK kann zunächst durch eine Staatenbeschwerde gem. Art. 33 EMRK erfolgen. Weiterhin kann sich gem. Art. 34 EMRK jede natürliche Person oder nicht-staatliche Organisation mit einer Individualbeschwerde an den Gerichtshof wenden. Die Möglichkeit eines Individuums gegen den eigenen Staat auf völkerrechtlicher Ebene Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen, stellt in der Entwicklung der Menschenrechte einen Meilenstein dar. Von geringer praktischer Bedeutung ist dagegen das Gutachtenverfahren nach Art. 47 EMRK.
IV. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte
Durch das 11. Zusatzprotokoll vom 11. Mai 1994 wurde der ständige Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geschaffen. Er ersetzte die bis dahin tätige Kommission für Menschenrechte und das Ministerkomitee, wobei das Ministerkomitee weiterhin mit der Überwachung der Urteilsumsetzung in den Vertragsstaaten betraut ist. Der Gerichtshof hat seinen Sitz in Straßburg.
V. Rang der EMRK im deutschen Recht
Nach Art. 46 EMRK sind die Vertragsparteien verpflichtet, in allen Rechtssachen, in denen sie Partei sind, das endgültige Urteil des Gerichtshofs zu befolgen. Da der Gerichtshof nicht die Kompetenz verfügt die Urteile durchzusetzen, kann er gem. Art. 41 EMRK die Staaten zur Zahlung von materiellem und immateriellem Schadensersatz verpflichten.
In der BRD steht die EMRK im Rang eines einfachen Bundesgesetzes. Entgegen des Wortlauts des Art. 46 EMRK sind alle staatlichen Organe nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (Gürgülü, Beschluss vom 14. Oktober 2004 – 2 BvR 1481/04) auch an die Rechtsprechung des EGMR gebunden, in der die BRD nicht Partei war.
VI. Umsetzung der Urteile in der BRD
Das Bundesverfassungsgericht hat im Fall Gürgülü ausdrücklich festgestellt, dass zur Bindung an Gesetz und Recht nach Art. 20 Abs. 3 GG die Berücksichtigung der EMRK und der Judikatur des EGMR im Rahmen der methodisch vertretbaren Gesetzesauslegung gehört. Folglich bestehen erhöhte Begründungserfordernisse der staatlichen Organe sollten sie von der Judikatur abweichen.
VI. Verhältnis der EU zur EMRK
Die Europäische Union ist bisher nicht der EMRK beigetreten, obwohl sie gem. Art. 6 Abs. 2 EU-Vertrag zur Ratifikation der EMRK verpflichtet ist. Der Grund sind bisher ungelöste rechtliche Streitigkeiten insbesondere bezüglich des zukünftigen Verhältnisses zwischen dem EGMR und dem Europäischen Gerichtshof. Die Grundrechte der EMRK sind gem. Art. 6 Abs. 3 EU-Vertrag aber jetzt schon Teil des Unionsrechts.
VII. Die Bedeutung der Europäischen Menschenrechtskonvention für das 1. Staatsexamen
Examenskandidat*innen sollten zumindest Grundkenntnisse zur EMRK besitzen. Die EMRK spielt in der Rechtspraxis eine immer größere Rolle und Entscheidungen des EGMR erzielen oft ein großes mediales Echo. Spätestens vor der mündlichen Prüfung sollten daher die Grundkenntnisse nochmals aufgefrischt werden. Im Fall der Fälle wird dann in der mündlichen Prüfung honoriert, dass der Kandidat über den Tellerrand schaut und über eine gute Allgemeinbildung verfügt.