I. Gesetzliche Pfandrechte
Gesetzliche Pfandrechte entstehen nicht durch Vertrag, sondern kraft Gesetzes – Anknüpfungspunkte sind dabei der Besitz des Gläubigers an der Sache (auch Faustpfandrecht; Bsp.: Werkunternehmerpfandrecht, § 647 BGB) oder das Einbringen der Sache in den Herrschaftsbereich des Gläubigers (auch Einbringungspfandrecht; Bsp.: Vermieterpfandrecht, § 562 BGB).
Der Grund dafür liegt darin, dass in den aufgezählten Regelungen die Pfandgläubiger Vorausleistungen erbringen, wodurch sie eine Forderung gegenüber ihrem Schuldner haben – diese wird durch das gesetzliche Pfandrecht gesichert, um die mit der Vorausleistung verbundenen Risiken abzuwehren.
Die gesetzlichen Pfandrechte im BGB sind das Pfandrecht des Berechtigten bei der
Hinterlegung (§ 233 BGB), Vermieterpfandrecht (§ 562), Verpächterpfandrecht (§ 592), Werkunternehmerpfandrecht (§ 647) und das Pfandrecht des Gastwirts (§ 704).
Im HGB existieren noch zusätzliche Pfandrechte für das Kommissionsgut (§ 397 HGB), Speditionsgut (§ 464 HGB) und Lagergut (§ 475b). Bedeutend ist auch das Pfändungspfandrecht der Zivilprozessordnung (§ 804 ZPO).
Gemäß § 1257 BGB finden die Vorschriften über das vertragliche Pfandrechte auf die gesetzlichen Pfandrechte Anwendung; der Pfandgläubiger kann sich also unter den normalen Voraussetzungen nach §§ 1228 ff. BGB aus der Sache befriedigen.
II. Das Werkunternehmerpfandrecht, § 647 BGB
Die Gründe für die Entstehung eines Pfandrechts lassen sich am Beispiel des Werkunternehmerpfandrechts verdeutlichen:
Der Werklohn ist gem. § 641 Abs. 1 S. 1 BGB erst bei Abnahme des Werkes zu zahlen, somit muss der Werkunternehmer in Vorleistung gehen. Dies bringt ein wirtschaftliches Risiko mit sich, denn er muss mindestens seine Arbeitsleistungen erbringen, die unbezahlt bleiben könnten, oder sogar Material und ähnliches beschaffen müssen. Wenn dieser Prozess auch noch länger dauert, kann sich die wirtschaftliche Situation des Schuldners unvorhergesehen verschlechtern. Als teilweise Absicherung gegen dieses Risiko, erhält der Werkunternehmer gem. § 647 ein gesetzliches Pfandrecht an den beweglichen Sachen des Bestellers, die zum Zwecke der Herstellung oder Ausbesserung in den Besitz des Werkunternehmers gelangt sind.
In § 647 BGB heißt es:
Der Unternehmer hat für seine Forderungen aus dem Vertrag ein Pfandrecht an den von ihm hergestellten oder ausgebesserten beweglichen Sachen des Bestellers, wenn sie bei der Herstellung oder zum Zwecke der Ausbesserung in seinen Besitz gelangt sind.
Daraus ergeben sich folgende Prüfungspunkte:
Schema Werkunternehmerpfandrecht, § 647 BGB:
1. Forderung des Werkunternehmers aus dem Werkvertrag, § 631 BGB
2. Werkunternehmer hat Besitz an beweglicher Sache des Bestellers
3. Werkunternehmer hat den Besitz bei Herstellung
oder zum Zwecke der Ausbesserung erlangt
4. Kein Erlöschen des Pfandrechts
III. Vermieterpfandrecht, § 562 BGB
Als Beispiel für die besitzlosen Pfandrechte soll das besonders klausurrelevante Vermieterpfandrecht gem. § 562 BGB näher erläutert werden. Das Vermieterpfandrecht stellt ein Sicherungsmittel des Vermieters hinsichtlich sämtlicher Ansprüche aus dem Mietverhältnis gegenüber dem Mieter dar.
In § 562 Abs. 1 BGB heißt es:
Der Vermieter hat für seine Forderungen aus dem Mietverhältnis ein Pfandrecht an den eingebrachten Sachen des Mieters. Es erstreckt sich nicht auf die Sachen, die der Pfändung nicht unterliegen.
Daraus ergibt sich folgendes Prüfungsschema für das Vermieterpfandrecht gem. § 562 BGB:
Schema Vermieterpfandrecht, § 562 BGB:
1. Forderung aus einem Mietverhältnis und Bestehen eines wirksamen Mietvertrags, § 535 BGB
2. Sache im Eigentum des Mieters
3. Vom Mieter eingebrachte Sachen
4. Pfändbarkeit der Sachen, § 562 S. 2 BGB (zu den Ausnahmen vgl. §§ 811 ff. ZPO)
5. Kein Erlöschen des Pfandrechts, § 562a BGB
Besonders klausurträchtig ist im Rahmen des Vermieterpfandrechts die Frage, wie eine Kollision aus antizipierter Sicherungsübereignung (sog. Raumsicherungsvertrag) und Vermieterpfandrecht zu behandeln ist. Die wohl h.M. gibt nach dem Prioritätsprinzip hier der zuerst abgeschlossenen Vereinbarung den Vorrang.
IV. Der gutgläubige Erwerb des Pfandrechts
Ein wichtiger Unterschied zu den vertraglichen Pfandrechten ist jedoch, dass das gesetzliche Pfandrecht im Gegensatz zum vertraglichen Pfandrecht (§ 1207 BGB) grundsätzlich nicht gutgläubig erworben werden kann: § 1257 BGB sagt nichts über die Entstehung, sondern gilt nur für bereits entstandene gesetzliche Pfandrechte. Diese Verweisung bezieht sich also nur auf Normen, die ein bereits bestehendes Pfandrecht voraussetzen und nicht auf die Bestellungsvorschriften. Deshalb kann ein noch nicht existierendes gesetzliches Pfandrecht auch nicht gem. § 1257 BGB nach § 1207 wie ein vertragliches Pfandrecht gutgläubig erworben werden.
1. besitzlose Pfandrechte
Dies ist bei besitzlosen Pfandrechten wie dem Vermieterpfandrecht (§ 562 BGB) unstreitig: Der Vermieter erwirbt nur ein Pfandrecht an Sachen, die seinem Mieter gehören. Er erlangt an diesen Sachen jedoch keinen Besitz, deshalb fehlt es an einem Anknüpfungspunkt für den notwendigen Rechtsschein.
2. Faustpfandrechte
Streitig ist der gutgläubige Erwerb von gesetzlichen Pfandrechten nach § 1207 analog, bei denen der Gläubiger im Besitz der Sache ist. Beliebter Klausurfall: das Werkunternehmerpfandrecht gem. § 647 BGB (vgl. dazu auch die instruktiven Entscheidungen des BGH: BGHZ 34,122 und BGHZ 68,323).
Eine Ansicht lässt mit Hilfe einer analogen Anwendung des § 366 Abs. 3 HGB einen gutgläubigen Erwerb zu:
Das gesetzliche Pfandrecht des Kommissionärs, des Frachtführers oder Verfrachters, des Spediteurs und des Lagerhalters steht hinsichtlich des Schutzes des guten Glaubens einem gemäß Absatz 1 durch Vertrag erworbenen Pfandrecht gleich.
Die h.M. widerspricht dem: § 366 Abs. 3 HGB lasse zwar bezüglich der gesetzlichen Besitzpfandrechte des Handelsrechts einen gutgläubigen Erwerb zu, jedoch fehle es an einer planwidrigen Regelungslücke im BGB, zudem seien Spezialvorschriften des Handelsrechts wenn überhaupt nur sehr begrenzt analogiefähig.
Der Wortlaut des § 1257 sagt deutlich, dass die Bestimmungen über vertragliche Pfandrechte nur „auf ein kraft Gesetzes entstandenes Pfandrecht entsprechende Anwendung” finden – das Pfandrecht muss also bereits entstanden sein. Demnach dürfte § 1207 BGB nicht angewandt werden, denn in dieser Norm geht es ja gerade um die Entstehung durch den Erwerb eines Pfandrechts vom Nichtberechtigten.
Nur weil zur Entstehung des Pfandrechts auch die Übergabe der Sache notwendig sei, könne man die Lage bei Besitzpfandrechten nicht anders beurteilen als bei besitzlosen Pfandrechten. Die Übergabe des Besitzes erfolge nämlich nicht damit der andere über das Eigentum verfügen könne und damit komme ihr gerade nicht die gleiche Rechtsscheinwirkung wie bei § 1207 BGB zu.
V. Prüfungsschema
Aus dem eben gesagten ergibt sich folgendes allgemeine Schema für die Prüfung von allen gesetzlichen Pfandrechten:
Entstehung gemäß den Voraussetzungen des jeweiligen Tatbestandes:
a) Bestehen der zu sichernden Forderung
b) Besitz des Gläubigers bzw. Einbringen der Sache durch den Schuldner
c) Eigentum des Schuldners (bei den Pfandrechten des BGB)
- streitig ist beim Werkunternehmerpfandrecht (§ 647 BGB) ob ein gutgläubiger Erwerb nach § 1207 BGB analog möglich ist
- hM: nein nur Zurückbehaltungsrecht nach §§ 994 ff., 1000 BGB
Rechtsfolgen: Übertragung, Erlöschen, Verwertung §§ 1257, 1228 ff. BGB
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Quellen
- Baur/Stürner, Sachenrecht, 18. Aufl. 2009
- Kropholler, Studienkommentar BGB, 14. Aufl. 2013
- Vieweg/Werner, Sachenrecht, 6. Aufl. 2013