Die Examensvorbereitung liegt hinter Ihnen. Sie haben sich angestrengt, doch am Ende hat es trotzdem nicht gereicht. Die möglichen Gründe hierfür sind vielfältig: Mangelnde Motivation während der Vorbereitung, persönliche Probleme oder einfach nicht das richtige Händchen für die abgefragten Themen.
Auch wenn der anfängliche Schock tief sitzt, sollten Sie nicht vergessen, dass Sie nicht allein sind. Nach Angaben des Bundesamtes für Justiz bestanden im Jahr 2013 bundesweit 601 Jurastudenten die Staatliche Pflichtfachprüfung nach neuem Recht endgültig nicht. Das sind insgesamt 5,1 % der nach neuem Recht geprüften Examenskandidaten.
Notwendige Überlegungen
Nachdem Sie sich von der Nachricht erholt haben, sollten Sie sich darüber klar werden, wie Sie Ihre berufliche Zukunft gestalten möchten. Haben Sie weiterhin Interesse an einer Arbeit in einem juristischen Umfeld oder ist das Thema endgültig für Sie durch? Ist der Misserfolg auf eine schlimme Prüfungsangst oder externe Faktoren zurückzuführen bzw. hat das Jurastudium einfach nicht Ihren Neigungen und Fähigkeiten entsprochen?
Seien Sie ehrlich zu sich selbst und sehen Sie den verpatzten Examensversuch auch als Chance, sich noch einmal zu fragen, wo Ihre Stärken und Schwächen liegen und wie Sie sich Ihr späteres Berufsleben tatsächlich vorstellen. Genau jetzt kann der richtige Zeitpunkt sein, sich noch einmal grundlegend neu zu orientieren.
Jura – die Liebe Ihres Lebens?
Wenn Jura dennoch Ihre Leidenschaft ist und Sie sich ein Leben ohne einen Job im rechtlichen Bereich nicht vorstellen können, sollten Sie sich fragen, ob nicht die Aufnahme eines juristischen Bachelorstudienganges das Richtige für Sie sein könnte. Insbesondere im wirtschaftlichen Bereich können LL.B.-Absolventen Fuß fassen. Außerdem können Sie sich unter Umständen Teile Ihrer bisherigen Studienleistungen anrechnen lassen.
Dabei gibt es verschiedene Angebote, die Sie entweder an der Uni oder an einer Fachhochschule wahrnehmen können. Fragen Sie einfach bei den jeweiligen Anbietern nach, welche Zulassungsvoraussetzungen es gibt und welche Scheine Ihnen angerechnet werden können.
Wenn Sie einen langen Atem haben, besteht auch die Möglichkeit, ein juristisches Studium im Ausland zu absolvieren und im Anschluss doch noch in Deutschland als Volljurist tätig zu werden. Dies ermöglicht das Gesetz über die Tätigkeit europäischer Rechtsanwälte in Deutschland.
Ferner können Sie sich für ein duales Studium zum Rechtspfleger bewerben. Rechtspfleger sind im gehobenen Verwaltungsdienst tätig und befassen sich unter anderem mit dem Grundbuch- und dem Vollstreckungsrecht. Das Studium dauert in der Regel drei Jahre und gliedert sich in ein Fachstudium und eine praktische Ausbildung. Am Ende erfolgt eine Abschlussprüfung zum/r Diplom-Rechtspfleger/in (FH).
Wird das Studium mit guten Noten abgeschlossen, kann anschließend eine Weiterqualifikation zum Amtsanwalt in Angriff genommen werden. Amtsanwälte werden im strafrechtlichen Bereich bei Fällen von geringerer Kriminalität tätig und haben dabei Aufgaben, die mit denjenigen der Staatsanwaltschaft vergleichbar sind.
Oder haben Sie endgültig die Lust am Studieren verloren? In diesem Fall könnten Sie über eine Ausbildung zum/r Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten nachdenken, welche grundsätzlich ebenfalls drei Jahre dauert.
Anschließend gibt es verschiedene Fortbildungsmöglichkeiten, wie beispielsweise die staatliche Prüfung zum Rechts- oder Notarfachwirt. Eine Übersicht über die Verdienstmöglichkeiten in den unterschiedlichen Berufsfeldern und Bundesländern bietet die Vereinigung der Rechtsanwalts- und Notariatsangestellten e.V.
Fertig mit Jura?
Falls Sie für sich zu dem Ergebnis kommen, dass Sie kein Interesse mehr an einer Tätigkeit im juristischen Bereich haben, sollten Sie sich einen Überblick über die zahlreichen Studien- und Ausbildungsmöglichkeiten verschaffen, um eine wohlüberlegte Entscheidung für Ihren weiteren Werdegang zu treffen.
Finden Sie heraus, wie Sie Ihre Interessen und Talente bestmöglich mit einem künftigem Job verknüpfen können und beginnen Sie Ihren neuen Ausbildungsweg nicht bloß deshalb, weil er so gut zu Ihrem bisherigen Studium passt – schließlich haben Sie sich lang genug gequält.
Fragen Sie stattdessen Verwandte, Freunde und Kommilitonen, in welchem Bereich sie Sie in fünf Jahren sehen und erstellen Sie eine Liste mit Handlungsoptionen, die für Sie einen gangbaren Weg darstellen.
Dabei können Sie auf unterschiedliche Informationsangebote zurückgreifen. So gab es etwa an der LMU München im Januar 2015 eine Veranstaltung zum Thema „Juraexamen nicht bestanden – und jetzt?“. Auch ein Gang zum Studienberater Ihrer Universität kann Ihnen bei einer verantwortungsvollen Entscheidung für oder gegen ein neues Studium behilflich sein.
Jedes Ende ist ein neuer Anfang
Auch wenn Sie erst einmal verzweifelt sind, sollten Sie nicht vergessen, dass das Jurastudium nicht alles im Leben ist. Sobald Sie das Ergebnis verarbeitet haben, werden Sie erkennen, dass Ihnen nach wie vor interessante Berufsmöglichkeiten offenstehen, die vielleicht sogar viel besser zu Ihnen passen und die nur darauf warten, von Ihnen entdeckt zu werden.
Abgesehen davon, kann Ihnen Ihre Kenntnisse und Erfahrungen aus dem Studium niemand mehr nehmen. Die Tatsache, dass Sie bis zu den Examensprüfungen studiert, also auch die Zwischenprüfung und die großen Scheine erfolgreich gemeistert haben, zeigt bereits, dass Sie über eine große Menge juristischer Expertise verfügen. Diese wird Ihnen persönlich und beruflich früher oder später nützlich sein – und das auch ohne Abschluss.