I. Beispielfall zur Hörfalle
O wird tot aufgefunden. Tatverdächtiger ist sein Rivale B. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens hat der Zeuge A gegenüber der Polizei angegeben, der Beschuldigte B habe ihm gegenüber mit dem Mord an O geprahlt. Daraufhin forderten die ermittelnde Staatsanwaltschaft und die Polizei den A auf, den B in einem vertraulichen Telefonat über die Tat auszuhorchen. Das daraufhin erfolgende Telefongespräch, in dem B nochmals mit der Tat prahlt und dem A exakte Angaben zum Tathergang macht, wurde an einem Zweithörer vom Polizeibeamten P mitgehört. Der Inhalt des Telefonats wurde in der späteren Hauptverhandlung gegen den B durch Vernehmung des P verwendet und B daraufhin wegen Mordes verurteilt.
Dieses Beispiel ist angelehnt an die Hörfallen-Entscheidung des BGH vom 13.05.1966 (GS St 1/96). Diese Entscheidung sollten Sie unbedingt einmal gelesen haben.
II. Rechtmäßigkeit der Hörfalle
Die Zulässigkeit einer solchen Hörfalle ist nach wie vor umstritten. Nach Ansicht des BGH in oben genannter Entscheidung ist die Hörfalle jedenfalls dann zulässig, wenn es um die Verfolgung schwerer Straftaten geht und andere Ermittlungsmethoden aussichtslos erscheinen.
Die folgenden Ausführungen orientieren sich an der Hörfallen-Entscheidung des BGH von 1966 sowie einer bestätigenden Entscheidung des BVerfG von 2002 (Beschl. v. 09.10.2002 – 1 BvR 1611/96).
1. Verstoß gegen § 136 Abs. 1 StPO
In Frage kommt zunächst ein Verstoß gegen §§ 136 Abs. 1, 163a StPO. Danach ist der Beschuldigte vor einer Vernehmung zu belehren. Die Belehrungspflicht wäre nur ausgelöst, wenn das Gespräch der Privatperson mit dem Beschuldigten eine Vernehmung wäre.
Definition: Nach dem von der herrschenden Meinung vertretenen formellen Vernehmungsbegriff liegt eine Vernehmung nur dann vor, wenn eine amtliche Verhörsperson dem Beschuldigten in amtlicher Eigenschaft gegenübertritt und in dieser Eigenschaft von ihr Auskunft verlangt.
Da dies hier nicht der Fall ist, scheidet ein Verstoß gegen §§ 136 Abs. 1, 163a StPO aus.
2. Analoge Anwendung des § 136 Abs. 1 StPO
Möglich wäre aber eine analoge Anwendung des § 136 Abs. 1 StPO, wenn eine vergleichbare Interessenlage und eine planwidrige Regelungslücke vorläge. Das Belehrungsgebot soll sicherstellen, dass der Beschuldigte vor der irrtümlichen Annahme einer Aussagepflicht bewahrt wird, zu der er durch die Konfrontation mit dem amtlichen Auskunftsverlangen veranlasst werden könnte.
Davon kann aber in einer Konstellation wie der vorliegenden nicht die Rede sein. Der Beschuldigte weiß, dass gegenüber einer Privatperson kein Zwang zur Aussage besteht. Es fehlt daher an einer vernehmungsähnliche Situation und damit an einer vergleichbaren Interessenlage. Für eine entsprechende Anwendung des § 136 Abs. 1 StPO ist deshalb kein Raum.
3. Unzulässige Umgehung des § 136 Abs. 1 StPO
Denkbar wäre zudem, dass die Regelung des § 136 Abs. 1 StPO durch die Hörfalle bewusst umgangen wurde. Der Schutz des Beschuldigten vor der irrigen Annahme eines Aussagezwangs aufgrund des amtlichen Charakters einer Befragung wird jedoch nicht dadurch umgangen, dass die vorgeschriebene Belehrung in einer Situation unterbleibt, in der ein solcher Zwang – auch in der Vorstellung des Beschuldigten – nicht bestehen kann. Eine Umgehung liegt damit nicht vor.
4. Verstoß gegen § 136a StPO
In Betracht käme zudem ein Verstoß gegen § 136a StPO durch die Anwendung verbotener Vernehmungsmethoden. Möglich wäre eine verbotene Täuschung, § 136a Abs. 1 S. 1 StPO. Der Begriff der Täuschung muss restriktiv und an den übrigen verbotenen Mitteln orientiert ausgelegt werden. Mit den übrigen verbotenen Mitteln lässt sich eine Befragung des Beschuldigten, die das Ermittlungsinteresse nicht aufdeckt, nicht gleichstellen.
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§ 136a StPO schützt durch die verbotenen Mittel den Befragten davor, in seiner Freiheit beeinträchtigt zu werden, ob er aussagt. Nicht geschützt wird er hingegen davor, vor wem er aussagt. Die Hörfalle stellt daher keine verbotene Täuschung dar, sodass kein Verstoß gegen § 136a StPO gegeben ist.
5. Verstoß gegen § 136a StPO analog
Da der Begriff der Täuschung nach Ansicht des BGH eng auszulegen ist, verbietet sich eine analoge Anwendung des § 136a StPO.
6. Verstoß gegen nemo-tenetur-Grundsatz
Die Verwertung der Beweise aus der Hörfalle könnte aber gegen den allgemeinen nemo-tenetur-Grundsatz verstoßen. Dieser Grundsatz besagt, dass niemand gezwungen werden darf, sich selbst zu belasten. Dagegen wird aber ersichtlich nicht verstoßen. Der Beschuldigte äußert sich nicht aufgrund eines tatsächlichen oder vorgetäuschten Zwanges, sondern freiwillig gegenüber dem A. Über den nemo-tenetur-Grundsatz wird letztlich aber nur die Freiheit vor Zwang zur Aussage geschützt, nicht jedoch die irrtumsbedingte Selbstbelastung.
7. Verstoß gegen den Grundsatz offener Ermittlungstätigkeit
Ein Grundsatz der offenen Vernehmung ist kein allgemein gültiges Prinzip der Strafprozessordnung, sodass hiergegen auch nicht verstoßen werden kann. Die StPO verbietet ein heimliches Vorgehen nicht generell, vgl. etwa §§ 110a ff. StPO (verdeckter Ermittler).
8. Verstoß gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG
Dennoch ergeben sich vor allem aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, dem Rechtsstaatsprinzip und dem daraus hervorgehenden Grundsatz des fairen Verfahrens (fair-trial-Grundsatz) Bedenken, wenn die Ermittlungsbehörden den Beschuldigten durch eine Hörfalle zu Äußerungen veranlassen. Das Mithören an einem Zweithörer stellt regelmäßig eine Verletzung des Rechts am eigenen Wort und damit des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar.
Die Interessen des Beschuldigten sind daher in Verhältnis mit dem staatlichen Interesse an der Strafverfolgung zu setzen. Der BGH führt in oben zitierter Entscheidung dazu aus:
Der (…) heimliche Einsatz von Personen, die den Beschuldigten befragen, um ihn zu belastenden Äußerungen zu veranlassen, ist jedenfalls dann zulässig und führt zu keinem Beweisverwertungsverbot, wenn es sich bei der den Gegenstand der Verfolgung bildenden Tat um eine Straftat von erheblicher Bedeutung handelt und wenn der Einsatz anderer Ermittlungsmethoden – für deren Auswahl untereinander wiederum der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gilt – erheblich weniger erfolgversprechend oder wesentlich erschwert wäre. Für die Beantwortung der Frage, wann eine Straftat von erheblicher Bedeutung vorliegt, vermitteln die Kataloge in §§ 98a, 100a, 110a StPO Hinweise; die Aufzählung ist nicht abschließend.
III. Fazit
Die Hörfalle ist damit nicht per se unzulässig und führt zu keinem Beweisverwertungsverbot hinsichtlich der erlangten Erkenntnisse. Aufgrund des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und allgemeiner rechtsstaatlicher Grenzen (insb. fair-trial-Grundsatz) sind der Hörfalle jedoch Grenzen gesetzt.