Die Drittschadensliquidation (DSL)

Die Drittschadensliquidation (DSL)

Die Drittschadensliquidation (DSL) ist gesetzlich nicht geregelt. Mithilfe dieser Rechtsfigur wird jedoch das Dilemma gelöst, das entsteht, wenn Anspruch und Schaden auseinanderfallen. Dieser Beitrag enthält alles examensrelevante zur Drittschadensliquidation (DSL), wie beispielsweise das Schema und die Voraussetzungen der DSL. 
Drittschadensliquidation
Lecturio Redaktion

·

30.01.2024

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Inhalt

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I. Ausgangssituation der Drittschadensliquidation (DSL)

Der Drittschadensliquidation (DSL) liegt die Situation zugrunde, dass der Schuldner gegenüber seinem Vertragspartner eine Pflichtverletzung begangen hat. Hierdurch ist einem Dritten ein Vermögensschaden entstanden, dem jedoch kein Anspruch gegenüber dem Schuldner zusteht. Der Vertragspartner hat dagegen einen Anspruch, aber keinen Schaden.

Diese Konstellation kann sich auch bei einer unerlaubten Handlung ergeben: Die Rechtsgutverletzung erfolgt bei einer anderen Person als derjenigen, die den Schaden erleidet.

Danach wäre der Schädiger normalerweise nicht schadensersatzpflichtig. Um dieses Ergebnis zu vermeiden, wendet die herrschende Meinung jedoch die Figur der Drittschadensliquidation (DSL) an. Das bedeutet, dass der Vertragspartner ausnahmsweise den Schaden des Dritten geltend machen kann. Den Schadensersatz führt er dann an diesen ab.


Übersicht Drittschadensliquidation
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II. Schema der Drittschadensliquidation (DSL)

Wie sich bereits teilweise aus der Ausgangssituation herleiten lässt, hat die Drittschadensliquidation (DSL) diese Voraussetzungen – Drittschadensliquidation Schema:

1. Anspruch ohne Schaden

Hinsichtlich einer Person müssen die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Anspruchs erfüllt sein. Sie selbst darf allerdings keinen ersatzfähigen Schaden haben.

2. Schaden ohne Anspruch

Eine weitere Person muss einen Schaden erlitten haben. Bei ihr dürfen allerdings nicht die Tatbestandsmerkmale eines Anspruchs erfüllt sein.

3. Zufällige Schadensverlagerung

Hinzutreten muss, dass die Schadensverlagerung zufällig von dem Anspruchsberechtigten auf einen Dritten erfolgt ist, wobei über die Zufälligkeit aus der Sicht des Schädigers zu entscheiden ist. D.h. ein Schaden tritt regelwidrig bei einem Dritten ein, obwohl er beim Gläubiger zu erwarten war. Die Zufälligkeit ist ausgeschlossen, wenn sie aufgrund eines Vertrags erfolgte (z.B. aufgrund eines Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter).

III. Konsequenz der Drittschadensliquidation (DSL)

Sind die Voraussetzungen der Drittschadensliquidation (DSL) erfüllt, wird „der Schaden zum Anspruch gezogen“. Der Vertragspartner kann den Anspruch gegenüber dem Schädiger geltend machen, ist im Innenverhältnis aber dazu verpflichtet, den Schadensersatz an den Geschädigten herauszugeben bzw. den Schadensersatzanspruch an ihn abzutreten. Dies ergibt sich in der Regel aus § 285 BGB (analog). Ist § 285 BGB nicht einschlägig, muss auf das Vertragsverhältnis zwischen dem Vertragspartner und dem Geschädigten als Grundlage zurückgegriffen werden.

IV. Verschiedenen Fallkonstellationen der Drittschadensliquidation (DSL)

Die Drittschadensliquidation (DSL) bildet eine Ausnahme von der Grundregel, dass jeder seinen Schaden selbst geltend machen muss. Aus diesem Grund ist sie nur in einigen Fallkonstellationen anerkannt.

1. Obligatorische Gefahrentlastung

Eine Fallgruppe ist die der sogenannten obligatorischen Gefahrentlastung beim Versendungskauf gemäß § 447 BGB (sowie § 644 BGB). Hierbei wird die Sache durch die Transportperson beschädigt. Der Verkäufer hat sich dabei seiner Leistungspflicht bereits entledigt, sein Anspruch auf Kaufpreiszahlung gem. § 433 Abs. 2 BGB bleibt jedoch unberührt. Der Käufer erleidet einen Schaden, hat aber keinen eigenen Anspruch gegen die Transportperson, sodass hier die Konstruktion der Drittschadensliquidation (DSL) anwendbar ist.

2. Mittelbare Stellvertretung

Der mittelbaren Stellvertretung liegt die Situation zugrunde, dass der Stellvertreter nicht in fremdem Namen handelt. Er wird stattdessen in seinem Namen aber auf fremde Rechnung tätig. Verletzt der Vertragspartner des mittelbaren Stellvertreters seine vertraglichen Pflichten, steht nur dem mittelbaren Stellvertreter ein Anspruch gegen ihn zu. Den Schaden erleidet jedoch der Vertretene.

3. Obhut für fremde Sachen

Die ganz herrschende Ansicht erkennt eine Drittschadensliquidation (DSL) auch bei der Inobhutnahme fremder Sachen an.

Beispiel: A verwahrt eine wertvolle Keramikskulptur des B in seinem Garten. Für die Pflege des Gartens beauftragt er das Unternehmen C. Dessen Angestellter D schubst die Skulptur versehentlich mit dem Rasenmäher um, sodass diese zerstört wird. Hier hat A einen vertraglichen Anspruch gegen C, ihm selbst ist jedoch kein Schaden entstanden. B hat dagegen einen Schaden erlitten. Ihm steht gegen D ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB zu, daneben hat er gegen C gegebenenfalls einen Anspruch aus § 831 Abs. 1 S. 1 BGB.

Diese lassen sich aber mitunter nicht oder nur schwer realisieren, wenn C sich exkulpieren kann und D mittellos ist, sodass hier die Anwendung der Drittschadensliquidation (DSL) anerkannt wird. Dagegen wird jedoch eingewandt, dass B tatsächlich eigene Ansprüche zustehen und die Anwendung der Rechtsfigur hier nur dazu dient, ihn hinsichtlich des Risikos einer mangelnden Realisierungsmöglichkeit abzusichern.

V. Abgrenzung zum Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter (VSD)

Es ist wichtig, die Drittschadensliquidation (DSL) vom Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter abzugrenzen. Letzterer ist immer vor der Drittschadensliquidation (DSL) zu prüfen, da diese nur in den o.g. Ausnahmefällen Anwendung findet! Der wesentliche Unterschied von Drittschadensliquidation und VSD liegt im Haftungsrisiko.

  • Bei der Drittschadensliquidation (DSL)  bleibt das Haftungsrisiko konstant, der Schaden wird lediglich von einer Person auf eine andere verlagert.
  • Beim Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter hingegen kommt es zu einer Haftungshäufung, denn der Dritte erwirbt einen eigenen Anspruch.

Abgrenzung DSL VDS
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Quellen

  • Brox, Hans/Walker, Wolf-Dietrich: Allgemeines Schuldrecht, 39. Aufl., München 2015

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

Holger Wöltje

Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

Yasmin Kardi

Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

Leon Chaudhari

Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

Andreas Ellenberger

Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Zach Davis ist studierter Betriebswirt und Experte für Zeitintelligenz und Zukunftsfähigkeit. Als Unternehmens-Coach hat er einen tiefen Einblick in über 80 verschiedene Branchen erhalten. Er wurde 2011 als Vortragsredner des Jahres ausgezeichnet und ist bis heute als Speaker gefragt. Außerdem ist Zach Davis Autor von acht Büchern und Gründer des Trainingsinstituts Peoplebuilding.

Wladislav Jachtchenko

Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.