I. Allgemeines
Bei der Aufrechnung handelt es sich um eine praktisch höchst bedeutsame Regelung. Häufig wird es vorkommen, dass der Gläubiger eines Rechtsgeschäftes dem Schuldner im Gegenzug etwas (z.B. Geld) schuldet. Durch die Aufrechnung ist es möglich, dass sich Forderungen insoweit gegenseitig aufheben.
Definition: Als Aufrechnung wird folglich die Tilgung zweier einander gegenüberstehender Forderungen durch eine empfangsbedürftige Willenserklärung verstanden.
Ein einfaches Beispiel stellt folgender Fall dar:
A hat eine Kaufpreisforderung von 3000 Euro gegen B. B hat allerdings noch einen Anspruch auf Zahlung von 2000 Euro gegen A aus einem Mietvertrag. Beide Forderungen können gem. §§ 387 ff. BGB gegeneinander aufgerechnet werden, sodass A nur noch 1000 Euro von B fordern kann. Die Forderung des B erlischt.
Die Aufrechnung dient einerseits der Tilgungserleichterung, da durch sie ein Hin- und Her der Leistungen vermieden werden kann. Sie dient somit der Erleichterung des Rechtsverkehrs.
Andererseits dient die Aufrechnung auch der Privatvollstreckung, da durch die Aufrechnung der einen Partei diese nicht die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit der anderen Partei tragen muss.
Allerdings wirkt die Aufrechnung nicht ipso iure (also durch das Gesetz selbst). Vielmehr ist die Aufrechnung ein Gestaltungsrecht, welches ausgeübt werden muss.
II. Schema
Prüfungsschema zur Aufrechnung gem. §§ 387 ff. BGB:
I. Aufrechnungslage, § 387 BGB
1. Gegenseitige Forderungen
2. Gleichartigkeit der Forderungen
3. Wirksamkeit der Forderungen
4. Fälligkeit der Hauptforderung
5. Erfüllbarkeit der Hauptforderung
II. Aufrechnungserklärung, § 388 BGB
III. Kein Ausschluss
1. Durch Parteivereinbarung
2. Kraft Gesetzes
a) Beschlagnahmte Hauptforderung, § 392 BGB
b) Hauptforderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung, § 393 BGB
c) Unpfändbare Hauptforderung, § 394 BGB
d) Öffentlich-rechtliche Hauptforderung, § 395 BGB
III. Aufrechnungslage
Damit es zur Aufrechnung kommen kann, muss zunächst eine Aufrechnungslage vorliegen. Wann dies der Fall ist, ergibt sich aus § 387 BGB:
Schulden zwei Personen einander Leistungen, die ihrem Gegenstand nach gleichartig sind, so kann jeder Teil seine Forderung gegen die Forderung des anderen Teils aufrechnen, sobald er die ihm gebührende Leistung fordern und die ihm obliegende Leistung bewirken kann.
1. Wechselseitigkeit der Forderungen
Es müsste sich danach um wechselseitige Forderungen handeln.
Definition: Wechselseitig sind die Forderungen, wenn sie zwischen denselben Personen bestehen, also jeder Gläubiger zugleich Schuldner des anderen Teils ist.
Die Forderung, gegen die der Aufrechnende aufrechnet, wird Hauptforderung genannt. Die Forderung, mit der er aufrechnet, wird Gegenforderung genannt.
2. Gleichartigkeit der Forderungen
Die Forderungen müssten auch gleichartig sein. Das bedeutet, dass nur bei Gattungsschulden aufgerechnet werden kann. Praktisch werden daher fast ausschließlich Geldforderungen gegeneinander aufgerechnet.
Zur Gleichartigkeit der Forderungen bedarf es nicht der gleichen Höhe der Forderungen, der Konnexität der Forderungen oder der Gleichartigkeit des Leistungsortes.
3. Wirksamkeit der Forderungen
Beide Forderungen müssen zudem wirksam bestehen. Die Gegenforderung muss gem. § 390 BGB auch erzwingbar und einredefrei sein. Eine Ausnahme hiervon macht § 215 BGB. Dieser bestimmt, dass die Verjährung der Gegenforderung die Aufrechnung nicht ausschließt, wenn sie im erstmaligen möglichen Aufrechnungszeitpunkt bereits aufgerechnet werden konnte.
4. Fälligkeit der Gegenforderung
Die Gegenforderung muss bereits fällig sein, da der Schuldner sonst bereits vor Fälligkeit leisten könnte, was dem Interesse des Gläubigers zuwiderlaufen könnte. Nach § 271 BGB ist eine Leistung im Zweifel sofort fällig.
5. Erfüllbarkeit der Hauptforderung
Die Hauptforderung braucht nicht fällig sein, muss aber erfüllbar sein. D.h. der Gläubiger muss bereits leisten dürfen.
IV. Aufrechnungserklärung
Zur wirksamen Aufrechnung bedarf es neben der Aufrechnungslage weiterhin einer Aufrechnungserklärung i.S.v. § 388 BGB.
Bei der Aufrechnungserklärung handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung, durch die die Rechtslage gestaltend geändert wird. Daher bedarf es der vollen Geschäftsfähigkeit des Aufrechnenden.
Aus § 388 S. 2 BGB ergibt sich, dass die Aufrechnungserklärung nicht unter einer Bedingung oder Zeitbestimmung abgeben werden kann. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz stellt die Hilfsaufrechnung im Prozess dar.
V. Aufrechnungssausschluss
Die Aufrechnung kann durch Parteivereinbarung ausgeschlossen sein. § 391 Abs. 2 BGB bestimmt zudem, dass bei der Vereinbarung der Leistung zu einer bestimmten Zeit und an einem bestimmten Ort im Zweifel die Aufrechnung ausgeschlossen sein soll.
Oft wird auch eine Auslegung nötig sein, ob ein Aufrechnungsausschluss vereinbart wurde. Selbst ein stillschweigender Aufrechnungsausschluss kann möglich sein. Dies wird häufig beim Auftrag der Fall sein, wo eine Aufrechnung nach § 242 BGB ausgeschlossen sein kann.
Nicht übersehen werden darf § 309 Nr. 3 BGB. Hierdurch wird ein Aufrechnungsverbot in AGB praktisch ausgeschlossen. Dies soll gem. § 307 BGB auch für den kaufmännischen Verkehr gelten.
Bedeutsamer sind jedoch die gesetzlichen Aufrechnungssausschlussgründe.
Bei einer beschlagnahmten Hauptforderung kann der Schuldner gem. § 392 BGB nicht gegen diese aufrechnen. Das gilt allerdings nicht, wenn die Forderungen bereits vor der Beschlagnahme aufrechenbar waren.
Weiterhin ist eine Aufrechnung gegen eine Hauptforderung aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung gem. § 393 BGB unzulässig. Nach h.M. gilt dies sogar, wenn die Gegenforderung aus einer unerlaubten Handlung herrührt. Umstritten ist, wo Ausnahmen hiervon zu machen sind.
Auch gegen unpfändbare Forderungen ist gem. § 394 BGB keine Aufrechnung möglich. Welche Forderungen unpfändbar sind, ergibt sich aus §§ 850 ff. ZPO. Hintergrund dieser Regelung ist, dass der Aufrechnungsgegner das Existenzminimum behalten dürfen soll.
Zuletzt sind auch Aufrechnungen gegen Forderungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften gem. § 395 BGB nicht zulässig.
VI. Rechtsfolgen
Welche Wirkungen sich durch die Aufrechnung entfalten, ergibt sich aus § 389 BGB. Die Forderungen gelten ab dem Zeitpunkt als erloschen, in dem sie sich zur Aufrechnung gegenübergestanden haben. Dieser Zeitpunkt ist also die erstmals mögliche Aufrechnungslage und nicht der Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung.
Sollten mehrere mögliche Forderungen aufgerechnet werden können, bestimmt der Aufrechnende, welche dies sein sollen, § 396 Abs. 1 S. 1 BGB. Sollte er das nicht tun oder der Aufrechnungsgegner widersprechen, ist § 366 Abs. 2 BGB anzuwenden, § 396 Abs. 1 S. 2 BGB. Sind neben der aufrechenbaren Leistung noch Zinsen oder andere Kosten zu leisten, findet gem. § 396 Abs. 2 BGB § 367 BGB entsprechende Anwendung.
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Quellen
- Brox, Hans / Walker, Wolf-Dietrich: Allgemeines Schuldrecht, 38. Auflage 2014.
- Hirsch, Christoph: Schuldrecht Allgemeiner Teil, 8. Auflage 2013.