I. Allgemeines zu § 113 StGB
§ 113 Abs. 1 StGB lautet:
Wer einem Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei der
Vornahme einer solchen Diensthandlung mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt Widerstand leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
§ 113 StGB stellt demnach ein sog. unechtes Unternehmensdelikt dar. Denn strafbar ist nicht der Eintritt eines bestimmten Erfolges (dann läge ein Erfolgsdelikt vor), sondern jede Handlung, die vorgenommen wird, um die Diensthandlung zu verhindern.
Die Einordnung in Erfolgs- und Unternehmensdelikte ist wichtig für die Frage der Vollendung der Straftat. Während bei Erfolgsdelikten (bspw. § 212 StGB) der Erfolg eingetreten sein muss, damit man von einer vollendeten Tat sprechen kann (bei § 212 StGB also der Tod eines anderen Menschen), sind Unternehmensdelikte mit dem „Unternehmen“ der tatbestandsmäßigen Handlung vollendet.
Tipp: Keine Lust zu lesen? Dann schau dir dieses kostenlose Video zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) an!
Das geschützte Rechtsgut ist die ungestörte Durchsetzung rechtmäßiger staatlicher Vollstreckungsakte und der Schutz der dazu berufenen Organe. Zu beachten ist, dass der Tatbestand des § 113 StGB eine sogenannte tatbestandsimmanente Inlandsbeschränkung enthält. Die Tat muss sich gegen deutsche Vollstreckungsorgane richten. Ausländische Vollstreckungsorgane werden nicht vom Schutzbereich umfasst.
II. Schema des § 113 StGB
Prüfungsschema des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gem. § 113 StGB:
- I. Tatbestand
- 1. Objektiver Tatbestand
- a) Tatobjekt: Amtsträger oder Soldat
- b) Tatsituation: Bei Vornahme einer Diensthandlung
- c) Tathandlung: Widerstandleisten mit Gewalt oder Drohung
- 2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz
- II. Objektive Bedingung der Strafbarkeit: Rechtmäßigkeit der Diensthandlung (§ 113 Abs. 3 S. 1 StGB)
- 1. Amtsträger sachlich und örtlich zuständig
- 2. Wesentliche Förmlichkeiten eingehalten
- 3. Pflichtgemäße Ermessensausübung
- III. Rechtswidrigkeit
- IV. Schuld: Schuldausschluss bei irriger Annahme der Rechtswidrigkeit der Diensthandlung, § 113 Abs. 4 S. 2 StGB, wenn
- 1. Irrtum unvermeidbar war und
- 2. Abwehr durch Rechtsbehelfe unzumutbar ist
- V. Ggf. Regelbeispiele nach § 113 Abs. 2 StGB
III. Voraussetzungen des § 113 StGB
1. Objektiver Tatbestand
a) Tatobjekt
Geschützt werden namentlich Amtsträger und ihnen gleichgestellte Personen. Der Gesetzgeber trägt mit dieser Vorschrift dem Sonderverhalten des Bürgers gegenüber Hoheitsträgern Rechnung.
Das angegriffene Tat“objekt“ des § 113 StGB muss daher entweder ein Amtsträger oder aber ein Soldat der Bundeswehr sein.
Definition: Amtsträger ist, wer nach deutschem Recht Beamter oder Richter ist, in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder sonst zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben bestellt ist, vgl. § 11 Nr. 2 StGB.
Zur Vollstreckung berufen ist, wer im Einzelfall die Befugnis hat, den Staatswillen zu verwirklichen und durchzusetzen.
b) Tatsituation
§ 113 Abs. 1 StGB fordert, dass sich die Nötigung gegen einen Vollstreckungsbeamten richtet, der gerade bei der Vornahme einer Diensthandlung ist. Es muss daher eine Vollstreckungshandlung vorliegen.
Definition: Vollstreckungshandlung ist eine Tätigkeit, bei der der konkretisierte staatliche Wille durch eine dazu berufene Person, notfalls auch mit staatlichem Zwang, verwirklicht werden soll.
Ausreichend ist dabei, wenn die Konkretisierung des staatlichen Willens einem Gesetz direkt entnommen werden kann.
Bei Vornahme bedeutet, dass die Vollstreckungshandlung unmittelbar bevorstehen oder begonnen haben muss und noch nicht beendet sein darf.
c) Tathandlung
Erforderliche Tathandlung ist das Leisten von Widerstand durch Gewalt oder Drohung mit Gewalt, § 113 StGB.
Definition: Widerstand leisten ist eine aktive Tätigkeit gegenüber dem Vollstreckungsbeamten, mit der die Durchführung einer Vollstreckungsmaßnahme verhindert oder erschwert werden soll.
- Gewalt ist physisch wirkender Zwang.
- Drohung ist das Inaussichtstellen eines künftigen Übels, auf das der Täter Einfluss hat oder zu haben vorgibt.
2. Objektive Bedingung der Strafbarkeit
Nach § 113 Abs. 3 S. 1 StGB muss die Diensthandlung, gegen die sich der Täter wehrt, außerdem rechtmäßig gewesen sein.
Nach wohl überwiegender Ansicht handelt es sich dabei um eine objektive Strafbarkeitsbedingung (das heißt, der Vorsatz muss sich hierauf nicht beziehen!).
Umstritten ist, wie der Begriff der Rechtmäßigkeit in § 113 Abs. 3 S. 1 StGB auszulegen ist.
- Nach einer Ansicht ist der Rechtmäßigkeitsbegriff materiell-verwaltungsrechtlich auszulegen, d.h., der Begriff hat sich vollständig an der sich aus dem materiellen Straf- und Verwaltungsrecht ergebenen Rechtslage zu orientieren. Wenn die Vollstreckungsmaßnahme gegen das zugrunde liegende materielle Recht verstößt, ist sie rechtswidrig.
- Nach der wohl herrschenden Meinung ist der Rechtmäßigkeitsbegriff des § 113 Abs. 3 S. 1 StGB spezifisch strafrechtlich zu bestimmen. Es kommt demnach darauf an, ob die wesentlichen Förmlichkeiten bei Vornahme der Diensthandlung eingehalten wurden. Dazu gehören insbesondere, dass der Beamte seine örtliche und sachliche Zuständigkeit beachtet hat und dass ein ggf. bestehendes Ermessen pflichtgemäß ausgeübt wurde.
3. Besonderheit: Spezifische Irrtumsregeln
Das Besondere am Straftatbestand des § 113 StGB ist, dass er eigene Irrtumsregelungen enthält.
Nach § 113 Abs. 3 S. 2 StGB ist die Tat auch dann nicht strafbar, wenn der Täter irrig annimmt, die Diensthandlung sei rechtmäßig. Nach § 113 Abs. 4 S. 1 StGB hat das Gericht die Möglichkeit, die Strafe zu mildern oder ganz von der Strafe abzusehen, wenn der Täter irrigerweise annimmt, die Diensthandlung sei nicht rechtmäßig, obwohl sie das ist.
4. Strafzumessung, § 113 Abs. 2 StGB
In besonders schweren Fällen (§ 113 Abs. 2 StGB) ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter eine Waffe oder ein anderes gefährliches Werkzeug bei sich führt, der Täter durch eine Gewalttätigkeit den Angegriffenen in die Gefahr des Todes oder einer schweren Gesundheitsschädigung bringt oder die Tat mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich begangen wird.
Tipp: Mehr zum Thema? Dann schau dir dieses kostenlose Video zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) an!
IV. Tätlicher Angriff auf Vollstreckungsbeamte, § 114 StGB
Absatz 1 des § 114 StGB lautet:
Wer einen Amtsträger oder Soldaten der Bundeswehr, der zur Vollstreckung von Gesetzen, Rechtsverordnungen, Urteilen, Gerichtsbeschlüssen oder Verfügungen berufen ist, bei einer Diensthandlung tätlich angreift, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.
Mit dem 52. StÄG (2017) ist der tätliche Angriff auf Vollstreckungsbeamte aus § 113 StGB in den neuen § 114 StGB überführt worden.
Definition: Tätlicher Angriff ist die in feindseliger Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende Einwirkung ohne Rücksicht auf ihren Erfolg.
Der tätliche Angriff im Sinne des § 114 StGB muss während der Diensthandlung begangen werden, braucht sich aber nicht gegen diese zu richten.
Aufgrund der Verweisung in § 114 Abs 2 StGB gelten die Regelbeispiele des § 113 Abs. 2 Nr. 1 – 3 StGB. Die Verweisung auf die Regelungen in § 113 Abs. 3, Abs. 4 StGB in § 114 Abs 3 StGB gilt jedoch nur, soweit der angegriffene Amtsträger eine Vollstreckungshandlung vornimmt.
Leistet der Täter mittels eines tätlichen Angriffs zugleich Widerstand gegen eine Vollstreckungshandlung, dürfte zwischen §§ 113 und 114 StGB aus Klarstellungsgründen Tateinheit anzunehmen sein.
Tipp: Keine Lust zu lesen? Dann schau dir dieses kostenlose Video zum Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte (§ 113 StGB) an!