Der Kontrahierungszwang

Der Kontrahierungszwang

Eigentlich herrscht in Deutschland Vertragsfreiheit, das heißt: Keine der an einem Vertrag interessierten Parteien kann gezwungen werden, diesen tatsächlich auch einzugehen. Allerdings gibt es gesetzliche geregelte Ausnahmefälle, in denen für Privatpersonen, Unternehmen oder staatliche Dienstleister die Pflicht besteht, einen Vertrag zu schließen. Diese Fälle werden unter dem Begriff „Kontrahierungszwang“ zusammengefasst. Wann ein solcher besteht und welche Folgen bei Abschlussverweigerung drohen, lesen Sie im Folgenden.
Kontrahierungszwang
Lecturio Redaktion

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22.01.2024

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Inhalt

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Grundsätzliches zum Kontrahierungszwang

Definition: Grundsätzlich bedeutet Kontrahierungszwang die Verpflichtung, ein Vertragsangebot anzunehmen.

Deshalb wird er häufiger auch als „Abschlusszwang“ bezeichnet.

Damit steht der Kontrahierungszwang in Gegensatz zur grundsätzlich in Deutschland herrschenden Privatautonomie. Generell sind Privatpersonen oder Unternehmen nicht verpflichtet, mit jedermann ein Geschäftsverhältnis einzugehen. So können sich Kaufhäuser oder Restaurants gemeinhin aussuchen, wen sie bedienen wollen oder nicht. Allerdings gibt es gewisse Umstände, unter denen diese grundlegende Vertragsfreiheit nicht gilt.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das eine Leistung anbietende Unternehmen eine Marktmonopolstellung innehat und besagte Leistung durch den Kunden nicht oder nur unter erheblichem Mehraufwand von einem anderen Anbieter in Anspruch genommen werden kann. Dabei lässt sich der unmittelbarer Kontrahierungszwang vom mittelbaren Unterscheiden.

Kontrahierungszwang
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Wann ein unmittelbarer Kontrahierungszwang gegeben ist

Von einem solchen Fall spricht man, wenn der Abschlusszwang gesetzlich geregelt ist. Dies betrifft vor allem den Bereich der Daseinsvorsorge. Diese bezeichnet die gesetzliche Pflicht des Staates, Güter und Leistungen bereit zu stellen, die ein sinnvolles menschliches Dasein ermöglichen. Dies ist in folgenden Fällen gegeben:

a) Krankenversicherung

Aufgrund der gesetzlich vorgeschriebenen Versicherungspflicht, die insbesondere Arbeitnehmer aber auch andere Personengruppen betrifft (§5 SGB V), unterliegt die Gesetzliche Krankenversicherung im Gegenzug dem Kontrahierungszwang. Dies bedeutet, dass gesetzliche Krankenversicherer grundsätzlich jeden Interessenten annehmen müssen, unabhängig von dessen Alter, Geschlecht oder Gesundheitszustand.

Gemäß dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG), das 2009 in Kraft trat, unterliegen zudem auch private Versicherungsanbieter in bestimmten Ausnahmefällen einem eingeschränkten Abschlusszwang: Personen, die im Krankheitsfall über keinerlei Absicherung verfügen, müssen demnach zu einem Basis-Tarif in ihre letzte Private Krankenversicherung wieder aufgenommen werden.

Ebenso sind Neugeborene unabhängig von ihrem Gesundheitszustand unmittelbar nach der Geburt in die gesetzliche oder private Krankenversicherung ihrer Eltern aufzunehmen.

b) Apotheken

Gemäß der Apothekenbetriebsordnung (§ 17 Abs. 4) sind Apothekenbetreiber verpflichtet, vom Arzt verschriebene Medikamente innerhalb einer angemessenen Zeitspanne zur Verfügung zu stellen. Ausnahmen von diesem Kontrahierungszwang, wie beispielsweise der konkrete Missbrauchsverdacht, sind unter § 17 Abs. 8 der Apothekenbetriebsordnung geregelt.

c) Kfz-Haftpflichtversicherung

Für jeden Kfz-Halter besteht in seiner Eigenschaft als potentieller Risikoträger eine gesetzliche Versicherungspflicht. Somit ist das ausgewählte Versicherungsunternehmen im Gegenzug dazu verpflichtet, Versicherungsanträge zum Schutz des Versicherungsinteressenten anzunehmen. Gemäß § 5 PflVG darf ein solcher Antrag nur in geregelten Ausnahmefällen mit einer Frist von zwei Wochen abgelehnt werden; andernfalls gilt der Antrag als angenommen.

c) Verkehrsbetriebe

Grundsätzlich sind öffentliche Verkehrsbetriebe verpflichtet, jeden Fahrgast nach den Bedingungen des amtlich veröffentlichten Tarifs zu befördern. Grundlage hierfür ist unter anderem das Allgemeine Eisenbahngesetz (§10 AEG).

d) Deutsche Post

Als Universaldienstleister unterliegt die Deutsche Post AG ebenfalls dem Kontrahierungszwang. Sie muss demnach ihre Leistungen jedermann zur Verfügung stellen. Seit dem Ende der Exklusivlizenz 2007 gilt dies allerdings in gleichem Maße auch für die Konkurrenzanbieter.

e) Energieversorgung

Energieversorgungsunternehmen sind nach § 17 Abs 1 EnGW grundsätzlich verpflichtet, Letztverbraucher an ihr Versorgungsnetz anzuschließen, und zwar unter Bedingungen, die angemessen, diskriminierungsfrei und transparent sind.

Wann ein mittelbarer Kontrahierungszwang gegeben ist

Von einem mittelbaren Kontrahierungszwang spricht man dann, wenn ein Unternehmen aufgrund seiner Monopolstellung verpflichtet ist, Verträge mit Interessenten abzuschließen. In einem solchen Fall würde die Ablehnung des Vertragsgesuches aufgrund ihres diskriminierenden Charakters einen Verstoß gegen § 20 GWB darstellen.

Dies betrifft beispielsweise die GEMA, die als Privatverein aufgrund der staatlichen Anerkennung eine derart marktbeherrschende Position einnimmt, dass sie gezwungen ist, Musiknutzern entsprechende Lizenzverträge anzubieten.

Zudem gibt es Bundesländer, in denen das jeweilige Sparkassengesetz vorsieht, dass von jedem Kunden Spareinlagen anzunehmen sind. Diese verpflichtende Führung eines Sparkontos wird häufig als sogenanntes „Jedermanns-Konto“ bezeichnet.

Kontrahierungszwang für Privatpersonen

Allerdings ist es nicht so, dass nur privatwirtschaftliche Unternehmen und staatliche Einrichtungen dem Kontrahierungszwang unterliegen würden. In einigen Fällen kann dieser auch den Privatverbraucher betreffen.

Wurde beispielsweise ein Vorvertrag für ein den Erwerb eines Gutes oder einer Leistung geschlossen, kann aus diesem heraus ein Abschlusszwang für den eigentlichen Hauptvertrag abgeleitet werden. Allerdings gelten in solchen Fällen ganz bestimmte, eng gesteckte rechtliche Bedingungen.

Folgen bei Abschlussverweigerung

Wird von demjenigen Vertragspartner, der einem Kontrahierungszwang unterliegt, der Abschluss des beantragten Vertrages verweigert, stellt dies eine sittenwidrige Schädigung dar. Nach § 826 BGB ist der betreffende Anbieter oder Verbraucher demnach verpflichtet, Schadensersatz zu leisten.

Dies gilt insbesondere auf Seiten der Anbieter jedoch nur in Fällen, in welchen eine eindeutige Monopolstellung gegeben ist. Des Weiteren wird als Rechtsfolge im Zuge der Naturalrestitution die Annahme des Vertragsangebotes zwangsweise herbeigeführt.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

Holger Wöltje

Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

Yasmin Kardi

Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

Leon Chaudhari

Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

Andreas Ellenberger

Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

Zach Davis

Zach Davis ist studierter Betriebswirt und Experte für Zeitintelligenz und Zukunftsfähigkeit. Als Unternehmens-Coach hat er einen tiefen Einblick in über 80 verschiedene Branchen erhalten. Er wurde 2011 als Vortragsredner des Jahres ausgezeichnet und ist bis heute als Speaker gefragt. Außerdem ist Zach Davis Autor von acht Büchern und Gründer des Trainingsinstituts Peoplebuilding.

Wladislav Jachtchenko

Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.