I. Kriminalistik und Kriminologie
Wer Jura studiert, muss sich mit dem materiellen Strafrecht und den Grundzügen des Strafprozessrechts auseinandersetzen. Studierende, die sich für diese Disziplinen begeistern und hier vertieftes Wissen erwerben möchten, stolpern früher oder später über die Begriffe Kriminalistik und Kriminologie. Beide werden als nichtjuristische Kriminalwissenschaften bezeichnet.
1. Was ist Kriminalistik?
Jack the Ripper konnte zur damaligen Zeit nicht identifiziert werden, weil die kriminalistischen Verfahrenstechniken noch nicht so ausgereift waren wie heute. Das wirft zunächst die Frage auf: Was ist eigentlich Kriminalistik? In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurden von dem Begriff Kriminalistik noch das Strafrecht und die hieran angrenzenden Gebiete umfasst. Heutzutage hat man ein anderes Verständnis von dieser Disziplin.
Nach Gablers Wirtschaftslexikon ist Kriminalistik „die Lehre von den Mitteln und Methoden der Bekämpfung einzelner Straftaten und des Verbrechertums […] durch vorbeugende […] und strafverfolgende […] Maßnahmen sowie die dazu im Einzelfall erforderlichen und rechtlich zulässigen Methoden, Praktiken und Techniken“. Sie wird darüber hinaus in die Teilbereiche Kriminalstrategie, Kriminaltechnik, Kriminaltaktik und Kriminaldienstkunde unterteilt.
Bei einer Tätigkeit als Kriminalist hat man es mit dem Ermitteln bei konkreten Straftaten zu tun. Hierbei geht es also beispielsweise um Vernehmungstechniken oder die Spurensicherung am Tatort. Dies sind zunächst einmal Aufgabengebiete der Polizei. Manche Kriminalisten haben auch eine naturwissenschaftliche Ausbildung. Kriminalistik kann insgesamt als eine sehr praxisbezogene Disziplin bezeichnet werden.
a. Kann ich als Jurist*in Kriminalist*in werden?
Das gewöhnliche Jurastudium hat mit Kriminalistik zunächst einmal nichts zu tun. Auf diesem Gebiet betätigt sich vor allem die Polizei. Anwärter, die eine Tätigkeit als Kriminalkommissar*in anstreben, erlangen ihre Kenntnisse während ihrer Ausbildung an den Polizeihochschulen. Kriminalistisches Know-how ist aber auch für Richter*innen, Staatsanwält*innen und Strafverteidiger*innen sehr relevant.
Außerhalb einer polizeilichen Laufbahn hat man jedoch nicht die Möglichkeit, innerhalb eines grundständigen Studiums Kriminalistik-Kenntnisse zu erwerben. An den Universitäten werden in strafrechtlichen Schwerpunktbereichen allenfalls Einführungsveranstaltungen zum Themenkomplex Kriminalistik für Jurist*innen gehalten.
Mittlerweile kann man jedoch an der privaten Steinbeis-Hochschule Berlin einen Diploma of advanced studies (DAS) in Kriminalistik machen. Dieses Angebot steht auch Jurist*innen offen, spricht aber beispielsweise auch Polizist*innen, investigative Journalist*innen, Steuerberater*innen oder Psycholog*innen an.
Auch an der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster gibt es ein Master-Angebot. Hier kann der Studiengang „Öffentliche Verwaltung – Polizeimanagement“ belegt werden. Dieser wendet sich ausdrücklich auch an Jurist*innen, die die Zweite juristische Prüfung absolviert haben. Im Rahmen eines Weiterbildungsangebotes werden sie hier auf den höheren Polizeivollzugsdienst vorbereitet.
b. Kann mir das Jurastudium eine Tätigkeit als „Profiler*in“ ermöglichen?
Viele Abiturienten oder Studierende träumen außerdem davon, als Profiler tätig zu werden. Sie stellen sich dabei meist einen filmreifen Arbeitsalltag vor. Die Berufsbezeichnung „Profiler“ ist in Deutschland jedoch gar nicht üblich. Stattdessen spricht man hierzulande von Operativen Fallanalytikern. Die meisten der hier tätigen Mitarbeiter stammen aus dem gehobenen Polizeidienst. Auch einige wenige Psycholog*innen arbeiten in diesem Bereich.
Nach Angaben des Bundeskriminalamtes ist die Polizei in Deutschland nur in 70 – 80 Fällen pro Jahr dazu gezwungen, eine Fallanalyse durchführen zu lassen. So kommt es auch, dass derzeit nur ungefähr 50 Mitarbeitende deutschlandweit als Fallanalytiker tätig sind. Weitere 40 befinden sich in der Ausbildung. Der Bedarf an Fachkräften in diesem Bereich ist damit erst einmal gedeckt.
Außerdem darf man nicht vergessen, dass für eine Tätigkeit als Operativer Fallanalytiker umfassende kriminalistische Kenntnisse und Erfahrungen erforderlich sind. Ein Jurastudium bereitet hierauf nicht vor und Rechtskenntnisse sind in diesem Arbeitsbereich wohl kaum relevant.
2. Was ist Kriminologie?
Die Kriminologie hat eine andere Zielsetzung als die Kriminalistik. Es geht ihr darum, die allgemeinen Ursachen und Arten von Kriminalität zu erforschen. So wird hier beispielsweise die Frage gestellt, warum Menschen straffällig werden. Auch Inhalte wie Jugendstrafrecht und Strafvollzug sind hiermit eng verbunden. Darüber hinaus ist zum Beispiel die Viktimologie ein relevanter Bereich. Innerhalb dieser werden Themen erforscht, die mit Opfern krimineller Handlungen zusammenhängen.
Generell ist die Kriminologie interdisziplinär angelegt und bietet unter anderem Schnittstellen zur Soziologie oder der Psychologie. Insgesamt ist sie als abstrakter und theoretischer als die Kriminalistik zu beschreiben.
a. Kann ich als Jurist*in Kriminolog*in werden?
Kriminologie kann im Rahmen des Studiums der Rechtswissenschaft in kriminalwissenschaftlichen Schwerpunktbereichen studiert werden.
Außerdem gibt es hierzulande verschiedene kriminologische Masterstudiengänge, etwa an der Universität Hamburg. Hier wird berufsbegleitend ein weiterbildender Master in Kriminologie angeboten. Die Universität hat außerdem das Studium „Internationale Kriminologie“ im Repertoire. In Regensburg kann man einen Masterabschluss in „Kriminologie und Gewaltforschung“ erlangen.
Mit der Bezeichnung Kriminologe ist in Deutschland kein klar konturiertes Berufsbild verbunden. Das Kriminologiestudium oder die Spezialisierung in diesem Bereich während des Jurastudiums bieten jedoch eine gute Möglichkeit für (zukünftige) Jurist*innen, wichtiges Wissen für ihre berufliche Praxis zu erwerben. Außerdem können diese für Personen interessant sein, die eine wissenschaftliche Laufbahn oder eine Tätigkeit im Strafvollzug anstreben.
II. Fazit
Als Jurastudierender mit einem Interesse an der Verbrechensbekämpfung kann man sich schon während des Studiums mit einem kriminalwissenschaftlichen Schwerpunktstudium oder im Anschluss mit einem entsprechenden Master für eine spätere Laufbahn im strafrechtlichen Bereich qualifizieren. Auch wenn man danach vermutlich nicht in einer Position landet, in der man mit verspiegelter Sonnenbrille als forensischer Experte an einem Tatort auftauchen, bietet eine solche Spezialisierung eine gute Gelegenheit, um sich auf die Praxis als Strafverteidiger*in, Richter*in, Staatsanwält*in oder ähnliche Berufe vorzubereiten.
