I. Begriff und Zweck der AGB
Eine Legaldefinition des Begriffes ist in § 305 Abs. 1 S. 1 BGB zu finden:
Allgemeine Geschäftsbedingungen sind alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrags stellt.
Sie sichern dem Verwender, also der Partei, welche die Bedingungen stellt, Rechtsvorteile.
Verträge werden standardisiert, um Rechtssicherheit zu schaffen und Risiken, z.B. Schadensersatz leisten zu müssen, zu minimieren. Für den Vertragspartner des Verwenders ergeben sich durch die AGB jedoch gravierende Nachteile. Es besteht dann keine Möglichkeit Vertragsinhalte individuell auszuhandeln.
Man ist also gezwungen die Bedingungen des Verwenders anzuerkennen, wenn ein Vertrag zustande kommen soll. Zudem fehlt dem Vertragspartner häufig das Fachwissen, um die Bedeutung des „Kleingedruckten“ zu erfassen. Um den benachteiligten Vertragspartner vor diesen Gefahren zu schützten, stellt das BGB in den §§ 305 bis 310 BGB strenge Anforderungen für die Wirksamkeit der AGB auf.
II. Prüfungsschema: AGB-Kontrolle
Im Folgenden wird dargestellt, wie die AGB-Kontrolle in der Klausur erfolgen kann. Der Ort der AGB–Prüfung ist variabel und muss vom Studierenden festgestellt werden. Grundsätzlich gilt, dass die AGB–Prüfung dort anzusetzen ist, wo die streitige Klausel zum Tragen kommt.
1. Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB
Die Anwendbarkeit der §§ 305 ff. BGB ist durch verschiedene Normen, bspw. § 476 BGB, § 444 BGB oder § 639 BGB ausgeschlossen.
Außerdem finden die AGB bei Verträgen des Familien-, Erb- und Gesellschaftsrechts gem. § 310 Abs. 4 BGB keine Anwendung!
2. Vorliegen von AGB
Bevor man die Einhaltung der Anforderungen überprüfen kann, muss geklärt werden, ob überhaupt AGB vorliegen, denn nur für solche gelten die §§ 305 ff. BGB. Dafür wird die Definition aus § 305 Abs. 1 S. 1 BGB herangezogen. Handelt es sich um
- vorformulierte, also zeitlich vor dem Vertragsschluss fixierte
- Vertragsbedingungen, also Regelungen über den Inhalt des Vertrages
- für eine Vielzahl von Verträgen, also mit einer geplanten Verwendung bei mindestens drei Verträgen (aber: sofern der Verwender diese Absicht hat, ist schon die erstmaligen Verwendung ausreichend)
- vom Verwender gestellt, also von einer Partei der anderen einseitig auferlegt
werden - nicht ausgehandelt, also keine reale Möglichkeit auf inhaltliche Ausgestaltung Einfluss zu nehmen
Werden diese Kriterien bejaht, liegen AGB vor. Abzugrenzen sind sie dabei von jeglicher Form der Individualabrede, denn diese haben nach § 305b BGB Vorrang.
3. Wirksame Einbeziehung
Weiterhin muss geprüft werden, ob die AGB überhaupt wirksam Bestandteil des Vertrags im Sinne des § 305 Abs. 2 BGB geworden sind. Dafür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein.
- Ausdrücklicher oder schriftlicher Hinweis auf die Bedingungen am Ort des Vertragsschlusses durch den Verwender, § 305 Abs. 2 Nr. 1 BGB
- Zumutbare Möglichkeit zur Kenntnisnahme der AGB, § 305 Abs. 2 Nr. 2 BGB
- Einverständnis des Vertragspartners (auch konkludent möglich)
Zu beachten ist, dass diese Voraussetzungen gemäß § 310 Abs. 1 BGB bei Verträgen zwischen Verwender und einem Unternehmer oder einer juristischen Person des öffentlichen Rechts nicht gelten. Es genügt dann ein bloßes Einverständnis.
Eine negative Voraussetzung der wirksamen Einbeziehung ist, dass es sich nicht um eine überraschende Klausel i.S.d. § 305c BGB handelt. Das sind Klauseln, die nach den Umständen so ungewöhnlich sind, dass der Vertragspartner des Verwenders mit ihnen nicht rechnen braucht.
Als Maßstab werden durchschnittliche Verkehrskreise herangezogen.
Tipp: Schau dir unser Video zur wirksamen Einbeziehung (§ 305 BGB) und Auslegung von AGB an!
4. Inhaltskontrolle, §§ 307 ff. BGB
Sind die AGB wirksam Vertragsbestandteil geworden, wird eine Inhaltskontrolle basierend auf den §§ 307-309 BGB durchgeführt. Es wird also überprüft, ob die AGB unzulässige Inhalte enthalten. Die Prüfung ist gemäß § 307 Abs. 3 S. 1 BGB überflüssig, wenn gesetzliche Regelungen in den AGB lediglich sinngemäß wiederholt werden.
Bei der Inhaltskontrolle werden zuerst die Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB, dann die Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeiten, § 308 BGB und zuletzt als Auffangtatbestand die Generalklausel des § 307 BGB geprüft.
Wichtig ist, dass jede Klausel einzeln darauf zu prüfen ist, ob sie wirksam ist!
Merke: Die Inhaltskontrolle beginnt mit § 309 BGB und erfolgt in umgekehrter Reihenfolge.
a. Klauselverbote ohne Wertungsmöglichkeit, § 309 BGB
Im Katalog des § 309 BGB werden Punkte aufgeführt, die in AGB unzulässig sind. Es handelt sich um Verbote ohne Wertungsmöglichkeit. Enthalten Klauseln der AGB Inhalte, welche unter § 309 BGB fallen, werden diese ohne weitere (Einzelfall-)Prüfung unwirksam.
b. Klauselverbote mit Wertungsmöglichkeit, § 308 BGB
In § 308 BGB werden Verbote mit Wertungsmöglichkeit zusammengefasst. Solche Inhalte sind nur in bestimmten Fällen unwirksam. Was „zumutbar“ oder „unangemessen lang“ ist, lässt sich nur durch eine Einzelfallprüfung und durch Abwägung von Argumenten bestimmen.
c. Generalklausel, § 307 BGB
Als Generalklausel und letzte Hürde zur Wirksamkeit der AGB fungiert der § 307 BGB. Bei Verträgen zwischen zwei Unternehmern finden nach § 310 Abs. 1 BGB die Kataloge der §§ 309, 308 BGB keine Anwendung. Daher ist der § 307 BGB in diesen Konstellationen einziger Überprüfungsmaßstab.
Nach § 307 Abs. 1 S. 1 BGB sind
Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen […] unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glaubenunangemessen benachteiligen.
Definition: Eine Benachteiligung liegt vor, wenn die Interessen des Kunden gegenüber denen des Verwenders so sehr zurückgedrängt werden, dass kein vollständiger Interessenausgleich stattgefunden hat.
Definition: Diese ist auch unangemessen, wenn der Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen des an deren hinreichend zu berücksichtigen und ihm ein angemessenen Ausgleich zuzugestehen.
Die unangemessene Benachteiligung wird in Abs. 2 näher konkretisiert. Ein Unwirksamkeit liegt demnach vor:
- wenn vertragstypische Kardinalpflichten, beispielsweise die fristgerechte Lieferung der Kaufsache, mittels AGB so stark eingeschränkt werden, dass der Vertragszweck gefährdet ist. Dann werden die einschränkenden Klauseln gem. § 307 Abs. 2 Nr. 2 BGB unwirksam, denn der Partner schließt den Vertrag ja gerade, um fristgerecht beliefert zu werden.
- mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist (§ 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB).
Außerdem sind die Klauseln der AGB unwirksam, wenn sie nach objektivem Maßstab, also für den durchschnittlichen Vertragspartner, nicht klar und verständlich sind. Dann verstoßen die Klauseln gegen das Transparenzgebot aus § 307 Abs. 1 BGB.
5. Rechtsfolgen bei Verstoß, § 306 BGB
Die Rechtsfolgen bei Verstoß richten sich nach § 306 BGB:
- Abs. 1: Nur die Klausel ist unwirksam bzw. nicht Vertragsbestandteil geworden, der Vertrag im Übrigen ist wirksam.
- Abs. 2: An die Stelle der unwirksamen bzw. nicht Vertragsbestandteil gewordenen Klausel tritt
das dispositive Gesetzesrecht. - Abs. 3: Bei unzumutbaren Härtefällen liegt ausnahmsweise Gesamtnichtigkeit vor.
Tipp: Schau dir dieses Video zur Inhaltskontrolle und den Rechtsfolgen bei unwirksamen Klauseln (§§ 306 ff. BGB) an!
III. Verbraucher oder Unternehmer?
Je nach dem, ob der Verwender der AGB mit einem Verbraucher gemäß § 13 BGB oder einem Unternehmer nach § 14 BGB kontrahiert, kommen unterschiedliche Maßstäbe zur Anwendung.
Ist der Partner Verbraucher, bedarf es eines stärkeren Schutzes, da dieser strukturell unterlegen ist. Dieser Schutz äußert sich in § 310 Abs. 3 BGB. Hiernach werden
- AGB dem Unternehmer zugerechnet, solange nicht der Verbraucher sie eingebracht hat (Nr. 1).
- Die Kriterien der AGB-Kontrolle auch dann angewandt, wenn die Bedingungen nur zur einmaligen Nutzung und nicht für eine Vielzahl von Verträgen vorgesehen sind (Nr. 2).
- In der Frage, ob eine unangemessene Benachteiligung vorliegt, vertragsbegleitende Umstände berücksichtigt (Nr. 3).
Handelt es sich bei dem Vertragspartner um einen Unternehmer, so kommt ihm ein geringerer Schutz zu. Der § 310 Abs. 3 BGB findet keine Anwendung.
IV. Besondere Anwendungsfälle
In einigen Rechtsgebieten gibt es bei der AGB-Kontrolle Besonderheiten zu beachten. Diesen haben wir jeweils einen eigenen Artikel gewidmet: