I. Die Herleitung des Unterlassungsanspruchs
Der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch ist zwar gesetzlich nicht normiert, jedoch allgemein anerkannt. Über seine Herleitung herrscht aber Uneinigkeit:
- Teilweise wird § 1004 BGB analog herangezogen. Eine Analogie würde jedoch eine planwidrige Regelungslücke voraussetzen. An einer solche fehlt es jedenfalls dann, wenn sich eine Anspruchsgrundlage im öffentlichen Recht selber finden würde (idR gibt es diese nicht).
- Teilweise wird dafür das Rechtsstaatprinzip aus Art. 20 Abs. 3 GG herangezogen. Dagegen wird angeführt, dass das Rechtsstaatsprinzip ein objektiver Grundsatz ist, der keinen individuellen Anspruch auf Unterlassung gewährt.
- Wieder andere leiten den Anspruch direkt aus den persönlichen Grundrechten her, schließlich sind diese Abwehrrechte gegen den Staat.
Letztlich ist der Anspruch und seine Voraussetzungen gewohnheitsrechtlich anerkannt, weshalb eine eindeutige Herleitung entbehrlich ist.
Merke: Auch in der Klausur genügt nach einer kurzen Darstellung der einzelnen Meinungen; deshalb der Verweis auf die „gewohnheitsrechtliche Anerkennung“ des Anspruchs und seiner Voraussetzungen. Diese kurze Darstellung ist aber unabdingbar.
II. Anspruchsvoraussetzungen
Wie der Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB, setzt auch der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch eine rechtswidrige Beeinträchtigung voraus.
1. Beeinträchtigung subjektiv- öffentlicher Rechte
Zunächst muss eine Beeinträchtigung der subjektiv-öffentlichen Rechte des Anspruchsstellers entweder ernstlich zu besorgen sein oder bereits vorliegen (dann ist daneben eine Wiederholungsgefahr weitere Voraussetzung). Als solche subjektiv-öffentlichen Rechte kommen in erster Linie die Grundrechte in Betracht, wie etwa Art. 14 GG (Eigentum) oder Art. 2 Abs. 2 GG (Körperliche Unversehrtheit).
Ein Klassiker hierzu ist der Unterlassungsanspruch gegen Kirchenläuten [z.B. 4 K 3268/20.F]. Durch die Lärmbelästigung wird der Anspruchssteller in Art. 2 Abs. 2 GG beeinträchtigt.
2. Beeinträchtigung durch Träger öffentlicher Gewalt
Die Beeinträchtigung muss durch einen Hoheitsträger erfolgen, also im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Aufgabenerfüllung.
3. Keine Duldungspflicht
Schließlich ist Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch, dass keine Duldungspflicht des Anspruchsstellers besteht. Für die Frage, ab wann eine Duldungspflicht besteht, wird dann u.a. auf das BImSchG sowie auf § 906 Abs. 1 BGB zurückgegriffen:
- Nach § 3 Abs. 1 BImSchG ist darauf abzustellen, ob es sich um „erhebliche Belästigungen“ handelt.
- Nach § 906 Abs. 1 BGB kommt es darauf an, ob es sich um „wesentliche Beeinträchtigungen“ handelt.
Die Zusammenschau dieser beider Normen zeigt, dass also eine gewisse Zumutbarkeitsschwelle überschritten werden muss, damit das Unterlassen der Beeinträchtigung gefordert werden kann.
Was noch zumutbar ist und was nicht mehr, lässt sich nur für den jeweiligen Einzelfall beantworten. In der Regel liefert der Sachverhalt hierzu Angaben. Ein Anhaltspunkt ist dabei immer, ob gesetzliche Grenzen eingehalten wurden. Dies allein ersetzt aber nicht die erforderliche, umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen. Hier können und müssen sodann sämtliche Angaben im Sachverhalt aufgegriffen und in der Diskussion verwertet werden.
III. Die prozessuale Einkleidung des Unterlassungsanspruchs
Selten werden wohl allein die Voraussetzungen für einen Unterlassungsanspruch Gegenstand einer Klausur sein. Üblicherweise ist das Ganze in eine verwaltungsgerichtliche Klage des Anspruchsstellers eingekleidet.
Statthafte Klageart wird hier in der Regel die allgemeine Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage sein. Denn der Kläger begehrt das Unterlassen eines tatsächlichen Handelns. Richtet sich das Begehren aber ausnahmsweise auf Erlass eines Verwaltungsaktes, so ist statthafte Klageart die Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO.
Anspruchsgrundlage für den Erlass ist dann der öffentlich-rechtliche Unterlassungsanspruch. Eine vorbeugende Unterlassungsklage ist nur in besonderen Ausnahmefällen zulässig.