I. Allgemeines zur verbotenen Eigenmacht
Absatz 1 des § 858 BGB enthält die Definition der verbotenen Eigenmacht und lautet:
Wer dem Besitzer ohne dessen Willen den Besitz entzieht oder ihn im Besitz stört, handelt, sofern nicht das Gesetz die Entziehung oder die Störung gestattet, widerrechtlich (verbotene Eigenmacht).
§ 858 BGB ist die Grundnorm für den Besitzschutz der §§ 858-866 BGB, deren Zweck die Sicherung des Äußeren Rechtsfriedens und der bestehenden Besitzlage ist.
Hierbei bezieht sich die verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) – wie der gesamte Besitzschutz – nur auf den unmittelbaren Besitz. Nicht möglich ist verbotene Eigenmacht gegenüber einem Besitzdiener. Zu Beachten ist auch, dass ein Verschulden für die verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) nicht nötig ist.
II. Schema der verbotenen Eigenmacht
Für die Prüfung der verbotenen Eigenmacht (§ 858 BGB) muss auf die Definition dieser zurückgegriffen werden.
Definition: Verbotene Eigenmacht ist die widerrechtliche Beeinträchtigung des Besitzes ohne Willen des Besitzers.
Das Prüfungsschema der verbotenen Eigenmacht (§ 858 BGB) enthält somit folgende Punkte:
- Beeinträchtigung: Besitzentziehung oder Besitzstörung
- Ohne den Willen des Besitzers
- Wiederrechtlichkeit der Beeinträchtigung
1. Beeinträchtigung: Besitzentziehung oder Besitzstörung
Die verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) wird vom Gesetz als Beeinträchtigung des Besitzes durch Besitzentziehung oder Besitzstörung verstanden.
Definition: Besitzentziehung ist die Beendigung des Besitzes.
Beispiel: Diebstahl, Wegnahme, Absperrung, Unterbindung des Zugangs.
Definition: Besitzstörung ist die sonstige Beeinträchtigung der tatsächlichen Sachherrschaft.
Die Besitzstörung kommt hierbei dem Störerbegriff in § 1004 BGB gleich. Auch ein Unterlassen des Störers kann eine Störung sein. Beispiel: Beschädigung der Sache durch Immissionen, Lärm, usw.
In der Regel wird die Beeinträchtigung i.R.d. verbotenen Eigenmacht (§ 858 BGB) physischer Natur sein. In Ausnahmefällen kann sie jedoch auch ohne körperlichen Eingriff, bspw. durch Drohung ausgeübt werden.
2. Ohne den Willen des Besitzers
Weitere Voraussetzung für die verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) ist, dass sie ohne den Willen des Besitzers geschieht. Es wird somit nicht eine Beeinträchtigung gegen den Willen des Besitzers verlangt.
Der Wille i.R.d. verbotenen Eigenmacht (§ 858 BGB) ist hierbei kein rechtsgeschäftlicher, sondern ein natürlicher Wille.
3. Wiederrechtlichkeit der Beeinträchtigung
Letztlich muss die Beeinträchtigung für die verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) auch widerrechtlich sein. Es darf also keine gesetzliche Gestattung für die Beeinträchtigung des Besitzes vorliegen.
Beispiel: Gestattung durch öffentlich-rechtliche Normen, §§ 758, 808, 883 ff. ZPO; Gestattung durch privatrechtliche Normen, §§ 227 ff., 859, 904, 906 BGB.
III. Wirkung der verbotenen Eigenmacht
Der erlangte Besitz durch die verbotene Eigenmacht (§ 858 BGB) ist relativ fehlerhaft. Die Fehlerhaftigkeit besteht somit lediglich zwischen dem Täter und dem Besitzer.
Quellen
- Jauernig/Berger BGB § 858 Rn. 1-9
- MüKoBGB/Schäfer BGB § 858 Rn. 1-18