I. Allgemeines
Der Begriff der Konkurrenzen wird vom Gesetzgeber selbst so nicht verwendet. Gemeint sind damit die Regelungen zur Tateinheit und Tatmehrheit, §§ 52, 53 StGB.
Ein Blick in den Gesetzeswortlaut der §§ 52, 53 StGB zeigt, dass sich die Frage nur dann stellt, wenn der Täter mehr als einen Straftatbestand verwirklicht hat.
Von Tateinheit (§ 52 StGB) spricht man, wenn durch eine Handlung mehrere Straftatbestände verwirklicht wurden. Von Tatmehrheit spricht man hingegen, wenn mehrere Taten begangen und dadurch mehrere Straftatbestände verwirklicht wurden, diese Taten jedoch in einem Verfahren zusammenkommen.
In der Konkurrenzenlehre ist im Einzelnen noch immer vieles umstritten, weshalb die genaue systematische Einordnung der Konkurrenzen in diesem Beitrag nicht erfolgt. Für die Examensprüfung ist lediglich folgendes relevant:
Die Konkurrenzen sind in einem eigenen Prüfungspunkt ganz am Ende des strafrechtlichen Gutachtens zu prüfen, unmittelbar vor dem Ergebnis.
II. Schema zur Prüfung der Konkurrenzen
Das Prüfungsschema
- Handlungseinheit oder Handlungsmehrheit
- Bei Handlungseinheit: Besteht Gesetzeskonkurrenz?
- Wenn ja: Bestrafung wegen dem verbliebenen Delikt
- Wenn nein: Tateinheit der begangenen Delikte, § 53 StGB
- Bei Handlungsmehrheit: Liegen mitbestrafte Vor- oder Nachtaten vor?
- Wenn ja: Bestrafung wegen dem verbliebenen Delikt
- Wenn nein: Tatmehrheit der begangenen Delikte, § 53 StGB
- Bei Handlungseinheit: Besteht Gesetzeskonkurrenz?
- Gesamtergebnis
1. Handlungseinheit oder Handlungsmehrheit
In einem ersten Schritt ist zu fragen, ob Handlungseinheit oder Handlungsmehrheit vorliegt. Die Handlung kann dabei sowohl eine Handlung im natürlichen Sinne, als auch eine im rechtlichen Sinne sein.
Definition: Handlung im natürlichen Sinne ist alles, was naturgemäß als eine Handlungsbewegung verstanden wird, z.B. ausholen mit einem Schläger und anschließen drauf hauen.
Definition: Eine Handlung im rechtlichen Sinne liegt vor, wenn zwar mehrere natürliche Handlungen gegeben sind, diese in rechtlicher Hinsicht aber dennoch als eine Handlung verstanden werden.
Dabei sind folgende Ausformungen möglich:
- Natürliche Handlungseinheit: von natürlicher Handlungseinheit spricht man, wenn ein enger-räumlich-zeitlicher Zusammenhang zwischen mehreren natürlichen Handlungen besteht. Relevant ist dies insbesondere bei Dauerdelikten, z.B. § 239 StGB
- Tatbestandliche Handlungseinheit: von tatbestandlicher Handlungseinheit spricht man, wenn der Straftatbestand selbst mehrere Handlungen erfordert; darunter fallen also alle mehraktigen Delikte, wie beispielsweise der Raub, § 249 StGB (Wegnahmehandlung und Nötigungshandlung) oder auch Klammerdelikte wie die Freiheitsberaubung, § 239 StGB
Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Handlungseinheit vorliegt, so gelangt man in die Prüfung des § 52 StGB, andernfalls liegt Handlungsmehrheit vor, dann gelangt man in die Prüfung des § 53 StGB.
2. Handlungseinheit: Besteht Gesetzeskonkurrenz
Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Handlungseinheit vorliegt, so ist festzustellen, ob die durch die Handlung verwirklichten Gesetzestatbestände in Gesetzeskonkurrenz zueinander stehen, mit der Folge, dass einige dieser verwirklichten Straftatbestände durch einen anderen verdrängt werden. Es gibt drei Formen der Gesetzeskonkurrenz, die auch unbedingt bekannt sein müssen:
- Subsidiarität: Von den erfüllten Tatbeständen bestraft einer intensiver als der andere. Der weniger intensive tritt dann subsidiär hinter dem anderen zurück. Dies ist auch in Form der formellen Subsidiarität möglich, dann wird es ausdrücklich im Gesetz angeordnet (Z.B. § 316 StGB)
- Spezialität: Von den erfüllten Tatbeständen ist einer in einem anderen enthalten, der andere fordert aber darüber hinaus noch mind. Ein weiteres Tatbestandsmerkmal. Dieser Tatbestand bestraft damit die begangene Tat „spezieller“ als der andere. Klassisches Beispiel hierfür sind Qualifikationstatbestände (z.B. § 224 StGB). Diese verdrängen als spezielleres Delikt das Grunddelikt.
- Konsumtion: Bei der Konsumtion stellen verwirklichte Tatbestände typische Begleittaten eines ebenfalls verwirklichten, anderen Tatbestandes dar. Dieser andere Tatbestand „konsumiert“ die mitverwirklichten Tatbestände.
Bleibt aufgrund der Gesetzeskonkurrenz nur ein Delikt übrig, so ist der Täter nur wegen diesem Delikt zu bestrafen. Bleiben zwei oder mehr Delikte übrig, so stehen diese in Tateinheit gem. § 52 StGB. Die Strafe bestimmt sich nach dem Absorptionsprinzip.
3. Handlungsmehrheit: Mitbestrafte Vor- oder Nachtat
Kommt man zu dem Ergebnis, dass eine Handlungsmehrheit vorliegt, so ist in einem nächsten Schritt zu prüfen, ob eine dieser Taten eine mitbestrafte Vor- oder Nachtat zu einer andere Tat darstellt.
Mitbestrafte Vortat
Mitbestrafte Nachtat
Bei diesen Fällen handelt es sich um Vorbereitungs- oder Sicherungstaten, die vom Unrechtsgehalt der jeweiligen Haupttat abgedeckt werden.
Liegen mitbestrafte Vor- oder Nachtaten vor, so ist nur wegen der Haupttat zu bestrafen. Ist dies nicht der Fall, so stehen die begangenen Taten in Tatmehrheit gem. § 53 StGB. Die Strafe bestimmt sich sodann nach dem Asperationsprinzip, wonach die Straftatbestände eine Gesamtstrafe bilden aber stehen bleiben.
III. Auswirkungen
Das in der Konkurrenzprüfung gefundene Ergebnis hat auch Auswirkung auf das Gesamtergebnis der Gutachtenprüfung. Es sind nur diejenigen Straftatbestände mit in das Ergebnis aufzunehmen, die nach der Konkurrenzprüfung noch übrig geblieben sind.
Danach ist auch sodann die Strafe zu bemessen:
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