I. Allgemeines zu § 94 StPO
Absatz 1 und 2 des § 94 StPO lauten:
(1) Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sind in Verwahrung zu nehmen oder in anderer Weise sicherzustellen.
(2) Befinden sich die Gegenstände in dem Gewahrsam einer Person und werden sie nicht freiwillig herausgegeben, so bedarf es der Beschlagnahme.
Gemäß § 94 StPO können somit Beweismittel, die für die Untersuchung von Bedeutung sein können, entweder sichergestellt oder beschlagnahmt werden.
In der Regel wird es sich dabei um einen beweglichen Gegenstand mit Beweiswert handeln. Dieser wird in amtliche Verwahrung genommen.
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Durch die Sicherstellung von Beweismitteln nach §§ 94 ff. StPO soll der Beweisverlust verhindert und Durchführung des Strafverfahrens gesichert werden.
Durch die Sicherstellung von Verfalls- und Einziehungsgegenständen gemäß § 111b StPO sollen Gegenstände, welche möglicherweise durch das Urteil als verfallen erklärt oder eingezogen werden (vgl. §§ 73, 74 StGB), vor Verschwinden bewahrt werden.
Merke: Somit sind Einziehungs- und Verfallgegenstände nach § 94 StPO nur zu beschlagnahmen, wenn es sich bei diesen Gegenständen vorrangig um Beweismittel handelt!
II. Voraussetzungen des § 94 StPO
1. Beweismittel und Beweiseignung
Ein Gegenstand kann dann als Beweismittel im Rahmen des § 94 StPO sichergestellt werden, wenn diesem Gegenstand eine potentielle Beweisbedeutung zukommt.
Definition: Gegenstand kann sowohl als Be- als auch Entlastungsmittel für das Verfahren von Bedeutung sein.
Amtlich verwahrte Gegenstände müssen Beweiswert und Bedeutung für die Untersuchung haben.
Definition: Zur Untersuchung gehört jede Tätigkeit im Strafverfahren, die der Aufklärung des Tatbestandes oder sonst der Vorbereitung des gerichtlichen Verfahrens dient.
Auch wenn Beweismittel nur Strafzumessung oder den sonstigen Rechtsfolgenausspruch beeinflussen können.
Werden Schriftstücke oder Daten beschlagnahmt, muss erst durch Sichtung entschieden werden, was letztendlich von Beweiswert sein könnte.
2. Amtliches Verwahrungsverhältnis
Ziel der Sicherstellung (§ 94 StPO) ist der Übergang der Sachherrschaft in hoheitlichen Gewahrsam.
Sichergestellte oder beschlagnahmte Gegenstände sind vor Wertminderung zu schützen.
Wird ein amtliches Verwahrungsverhältnis nicht begründet, sind die Voraussetzungen für eine Sicherstellung oder Beschlagnahme (§ 94 StPO) nicht erfüllt.
Beispiel: Sicherung von Spuren am Tatort wie Fingerabdrücke oder Blutspuren = Maßnahmen der Polizei nach § 163 StPO
3. Unbewegliche Sachen
Beweiserhebliche Gegenstände, die aufgrund ihrer Unbeweglichkeit nicht durch Mitnehmen in amtliche Verwahrung genommen werden können, sind auf andere Art und Weise zu sichern.
Dafür kommen in Betracht:
- Betretungsverbote von Örtlichkeiten
- Betretungsverbote von Räumlichkeiten
- Benutzungsverbote von Maschinen
Im Normalfall wird die Sicherung (§ 94 StPO) durch Versiegelungen, Absperrungen oder andere Vorkehrungen, die eine Nutzung verhindern, durchgesetzt.
Beispiel: Durch die Versiegelung einer Wohnung wird diese in amtliche Verwahrung genommen.
III. Unterschied zwischen Sicherstellung und Beschlagnahme
1. formlose Sicherstellung, § 94 Abs. 1 StPO
Eine formlose Sicherstellung kann nur in Betracht kommen, wenn der Beweisgegenstand gewahrsamslos ist oder vom Gewahrsamsinhaber freiwillig herausgegeben wird.
Im Gegensatz zur förmlichen Beschlagnahme muss die Anordnung einer Sicherstellung von Beweismitteln nicht durch einen Richter erfolgen.
2. Förmliche Beschlagnahme, § 94 Abs. 2 StPO
Verweigert der Gewahrsamsinhaber die Herausgabe (wie es wohl in den meisten Fällen sein wird) des beweiserheblichen Gegenstandes, so ist dieser förmlich zu beschlagnahmen.
Wichtig: Im Voraus erfolgt eine Belehrung, dass das Gesetz zur Herausgabe der Beweisgegenstände verpflichtet, vgl. § 95 StPO Herausgabepflicht.
Die Beschlagnahme von Beweismitteln nach § 94 StPO ist grundsätzlich einem Richter vorbehalten (Richtervorbehalt).
Bei Beschlagnahme ohne richterliche Anordnung muss diese binnen 3 Tagen richterlich bestätigt werden, § 98 Abs. 2 StPO.
IV. Beschlagnahme, § 94 Abs. 2 StPO
1. Begriff der Beschlagnahme
Definition: Die Beschlagnahme ist die Inverwahrungnahme eines beweiserheblichen Gegenstandes gegen den Willen des Betroffenen.
Das Beweismittel wird dabei der Herrschaft des Gewahrsamsinhabers falls erforderlich mit einfacher körperlichen Gewalt entzogen und in amtliche Verwahrung genommen.
2. Anordnung der Beschlagnahme
Die Anordnung einer Beschlagnahme gemäß § 94 Abs. 2 StPO steht unter einem Richtervorbehalt, vgl. § 98 StPO.
Nur bei Gefahr in Verzug kann die Anordnung auch durch die Staatsanwaltschaft oder ihre Ermittlungspersonen erfolgen, § 98 Abs. 1 Alt. 1 StPO.
Definition: Anordnung kann nicht eingeholt werden, ohne dass der Zweck der Maßnahme dadurch gefährdet wäre.
Einschränkung der Anordnungsbefugnis:
- Beschlagnahme innerhalb einer Redaktion, Druckerei oder Rundfunkanstalt (§ 98 Abs. 1 S. 2 StPO)
- Beschlagnahme periodischer Druckwerke (§ 111n StPO)
- Beschlagnahme eines anderen Druckwerks oder eines sonstigen Gegenstandes i. S. d. § 74d StGB – bei Gefahr in Verzug kann die Staatsanwaltschaft nach § 111n Abs. 1 S. 2 StPO anordnen.
3. Herausgabe beschlagnahmeter Gegenstände
Beschlagnahme erlischt mit Abschluss des durchzuführenden Strafverfahrens.
Auf der Grundlage von § 94 StPO beschlagnahmte Beweismittel können dann gemäß § 111k StPO an den Verletzten herausgegeben werden. Zuständig dafür ist die Staatsanwaltschaft.
4. Beschlagnahmeverbot
Nicht jeder Gegenstand darf beschlagnahmt werden. Beschlagnahmeverbote sind in §§ 96, 97 StPO geregelt:
- Behördenakten oder andere in amtlicher Verwahrung befindliche Schriftstücke,
§ 96 StPO - Gegenstände, die sich im Gewahrsam eines Zeugnisverweigerungsberechtigten befinden, § 97 StPO (i.V.m. §§ 52 ff. StPO)
- Wenn verfassungsrechtliche Gründe entgegenstehen
Bsp.: Tagebücher mit intimen Aufzeichnungen oder Aufzeichnungen, die Beschuldigter zur Vorbereitung seiner Verteidigung fertigt
Verstoß führt in der Regel zu einem Beweisverwertungsverbot.
Verzicht bei Zeugnisverweigerungsberechtigten setzt vorherige Belehrung voraus.
5. Rechtsschutz gegen erfolgte Zwangsmaßnahme im Ermittlungsverfahren (v.a. Beschlagnahme, § 94 Abs. 2 StPO)
Grundsätzlich ist gegen diese Maßnahme jederzeit eine Beantragung einer gerichtliche Entscheidung möglich, § 98 Abs. 2 S. 2 StPO. Dies dient der Transparenz und Klarstellung zur Wahrung des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG), da Zwangsmaßnahmen grundsätzlich mit – teilweise sogar erheblichen – Grundrechtseingriffen verbunden sind. Für die Prüfung ist das Gericht zuständig, das auch für den Erlass der Maßnahme zuständig gewesen wäre. Gegen diese richterliche Entscheidung nach § 98 Abs. 2 S. 2 StPO ist sodann die Beschwerde möglich, § 304 StPO.
Ferner muss zu § 98 Abs. 2 S. 2 StPO erwähnt werden, dass es allgemein anerkannt ist, dass dieser in analoger Anwendung für alle anderen als Beschlagnahmefälle gilt, in welchen grundsätzlich ein richterlicher Beschluss erforderlich ist, auch in Fällen, in denen es um die Art und Weise der Maßnahme geht sowie in Erledigungsfällen. Dabei ist bei Erledigungsfällen zu beachten, dass Wiederholungsgefahr besteht oder ein Rehabilitationsinteresse oder ein schwerwiegender Grundrechtseingriff.
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