I. Die Scheidung, §§ 1564 ff. BGB
1. Einleitung
Art. 6 Abs. 1 GG stellt die Ehe unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung. Dementsprechend kann die Ehe auch nur aus drei Gründen beendet werden:
- Tod
- Aufhebung gem. §§ 1313 ff. BGB
Die Aufhebung knüpft an einen fehlerhaften Eheschluss an - Scheidung §§ 1564 ff. BGB
Die Scheidung bewirkt die Auflösung einer fehlerfrei zustande gekommenen Ehe
Das Institut der Scheidung besteht seit 1875 und wurde 1976 umfassend reformiert. Das bis dato geltende Schuldprinzip besagte, dass die Ehe nur ausnahmsweise bei schuldhaftem Verhalten eines Ehegatten geschieden werden durfte. Die Schuldfrage wirkte sich auch auf Scheidungskosten und Unterhaltsansprüche aus. Dieses Prinzip wurde 1976 durch das heute geltende Zerrüttungsprinzip ersetzt.
2. Zerrüttungsprinzip
Das Zerrüttungsprinzip ist in § 1565 Abs. 1 BGB verankert. Demnach kann die Ehe geschieden werden, wenn sie gescheitert (Zerrüttet) ist.
(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.
Gemäß § 1565 Abs. 1 S. 2 BGB gilt die Ehe als gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen. Das Scheitern müsste vor Gericht nachgewiesen werden, was aufgrund der sensiblen Angelegenheit ein unangenehmes Unterfangen darstellt. Deshalb werden in § 1566 BGB zwei unwiderlegbare Vermutungen aufgestellt:
(1) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit einem Jahr getrennt leben und beide Ehegatten die Scheidung beantragen oder der Antragsgegner der Scheidung zustimmt.
(2) Es wird unwiderlegbar vermutet, dass die Ehe gescheitert ist, wenn die Ehegatten seit drei Jahren getrennt leben.
a. Getrenntleben, § 1567 Abs. 1 BGB
Die Voraussetzungen für eine Trennung im Rechtssinne sind in § 1567 Abs. 1 BGB geregelt:
(1) Die Ehegatten leben getrennt, wenn zwischen ihnen keine häusliche Gemeinschaft besteht und ein Ehegatte sie erkennbar nicht herstellen will, weil er die eheliche Lebensgemeinschaft ablehnt. Die häusliche Gemeinschaft besteht auch dann nicht mehr, wenn die Ehegatten innerhalb der ehelichen Wohnung getrennt leben.
Es ist daher nicht nur objektiv das Fehlen einer häuslichen Gemeinschaft erforderlich, sondern dies muss in subjektiver Hinsicht auch gewollt sein. Daraus folgt, dass keine Trennung bei einer unfreiwilligen bzw. nicht ablehnender räumlichen Trennung (bspw. bei Krieg, Dienstreise) besteht.
Für eine Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung ist Voraussetzung, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt wird und ein Zusammentreffen der Ehegatten lediglich die Folge eines räumlichen Nebeneinanders ist und nicht der Ausdruck einer persönlichen Beziehung,
b. Härteklauseln
Für Härtefälle sieht das Gesetz verschiedene Ausnahmen vor. Gemäß § 1565 Abs. 2 BGB kann die Ehe auch schon vor dem einjährigen Getrenntleben geschieden werden, wenn es für den Antragsteller sonst zu unzumutbaren Härten kommen würde.
(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.
Davon ist beispielsweise bei Misshandlungen des Ehepartners auszugehen oder wenn einer der Ehepartner eine*n Geliebte*n ins gemeinsame Haus aufnehmen will.
§ 1568 BGB sieht ebenfalls Härtefallklauseln vor. So soll die Ehe nicht geschieden werden, wenn das Kindeswohl dies gebietet oder wenn dies eine besondere Härte für den die Scheidung ablehnenden Ehepartner bedeuten würde.
(1) Die Ehe soll nicht geschieden werden, obwohl sie gescheitert ist, wenn und solange die Aufrechterhaltung der Ehe im Interesse der aus der Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder aus besonderen Gründen ausnahmsweise notwendig ist oder wenn und solange die Scheidung für den Antragsgegner, der sie ablehnt, auf Grund außergewöhnlicher Umstände eine so schwere Härte darstellen würde, […]
3. Rechtsfolgen der Scheidung
Eine Scheidung hat zahlreiche Auswirkungen auf verschiedene Lebensbereiche. Durch die Scheidung wird zunächst kraft Urteils die Ehe aufgelöst, § 1564 BGB. Zudem kommt es zu Änderungen hinsichtlich der elterlichen Sorge (§ 1671 BGB) und des Umgangsrechts (§§ 1684, 1685 BGB). Auch bestehen Auswirkungen auf den Unterhalt von Ehegatten (§§ 1569 ff. BGB) und Kindern (§§ 1601 ff. BGB), den Versorgungsausgleich (§ 1587 BGB, §§ 1 ff. VersAusglG), das Namensrecht (§ 1355 BGB) und die Verteilung von Hausrat (§§ 1568a f. BGB).
Examensrelevant ist vor allem die Vermögensauseinandersetzung im Fall des Zugewinnausgleichs:
Zugewinnausgleich
Sofern vertraglich keine Gütertrennung (§ 1414 BGB) oder Gütergemeinschaft (§ 1415 ff. BGB) vereinbart wird, leben die Ehegatten im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, § 1363 BGB als gesetzlichen Güterstand. Dies ist der Regelfall. Während der Ehe besteht Vermögenstrennung und jeder Ehepartner verwaltet das Vermögen für sich. Sofern die Ehe geschieden wird, kommt es zum Zugewinnausgleich.
Der Zugewinn wird in § 1373 BGB legal definiert:
Zugewinn ist der Betrag, um den das Endvermögen eines Ehegatten das Anfangsvermögen übersteigt.
Es muss also das Anfangsvermögen eines jeden Ehegatten vom Endvermögen subtrahiert werden. Übersteigt der Zugewinn des einen Ehegatten den Zugewinn des anderen, so steht dem anderen die Hälfte des Überschusses als Ausgleichszahlung zu, § 1378 Abs. 1 BGB.
Tipp: Mehr zum nachehelichen Zugewinnausgleich gem. §§ 1371 ff. BGB liest du in diesem Beitrag!
II. Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft
1. Einleitung
Die nichteheliche (auch “eheähnliche”) Lebensgemeinschaft ist gesetzlich nicht geregelt. Die Vorschriften über Ehe, Verlöbnis oder Lebenspartnerschaft können daher nicht direkt oder analog auf die nichteheliche Lebensgemeinschaft angewandt werden.
Ausnahmen, für die einzelne gesetzliche Regelungen existieren, bestehen in § 563 Abs. 2 S. 3 BGB (Eintrittsrecht in den Mietvertrag), § 1615l BGB (Unterhaltsansprüche der nicht miteinander verheirateten
Eltern) und § 2 Gewaltschutzgesetz (Wohnungszuweisung).
Die betreffenden Paare können aber für alle Lebenslagen entsprechende Verträge miteinander schließen. Denn die Vertragsfreiheit gilt auch dort, solang kein Verstoß gegen die allgemeinen Vorschriften vorliegt. Da dies oft nicht der Fall ist, kommt es insbesondere nach Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft zu Auseinandersetzungen um Ausgleichsansprüche.
2. Definition
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft ist
- eine auf Dauer angelegte Verbindung zwischen zwei Menschen,
- die keine weiteren Lebensgemeinschaften gleicher Art neben sich zulässt
- und sich durch innere Bindungen kennzeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, mithin über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgeht.
Die nichteheliche Lebensgemeinschaft weist damit zwar große Ähnlichkeit mit der Ehe auf, unterscheidet sich aber dadurch, dass es ihr an der für die Ehe erforderlichen Form fehlt. Daraus folgt, dass ein gegenseitiges Füreinandereinstehen zwar nicht geschuldet, jedoch in der Regel gelebt wird.
3. Ausgleichsansprüche bei Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft
a. Anspruch aus Vertrag
Ein Anspruch aus einem Vertrag, der die entsprechende Angelegenheit regelt, dürfte meist ausscheiden, da dieser ausdrücklich oder konkludent vereinbart sein müsste. Dies sollte in der Klausur selten der Fall sein, da sonst hier die Prüfung schon beendet wäre.
b. Zugewinnausgleich analog § 1378 BGB
Die Regelungen über den Zugewinnausgleich nach Scheidung der Ehe können weder direkt noch analog angewandt werden. Die Partner wollten keine Ehe schließen, sodass eine vergleichbare Interessenlage bezweifelt werden muss. Zudem verbietet Art. 6 GG die Gleichstellung der Ehe mit der nichtehelichen Lebensgemeinschaft.
c. Ersatzpflicht bei Rücktritt von dem Verlöbnis gem. § 1298 BGB
Auch die Regelungen über das Verlöbnis können weder direkt noch analog angewandt werden, da die Partner sich gerade nicht verlobt haben.
d. Anspruch aus Widerruf einer Schenkung gem. §§ 516, 530, 531 Abs. 1, 812, 818
Bei diesem Anspruch ist zunächst genau zu prüfen, ob eine Schenkung gem. § 516 BGB vorliegt. Der BGH geht bei alltäglichen Leistungen, die in einem gewissen Austauschzusammenhang stehen, nicht von einer Schenkung aus. Auch ist die Beendigung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft i. d. R. nicht als „grober Undank“ im Sinne des § 530 Abs. 1 BGB anzusehen.
f. Anspruch aus Auflösung einer GbR gem. §§ 705, 726, 730 BGB
Ein Rechtsbindungswille der Partner zur Gründung einer GbR müsste für einen solchen Anspruch zur Auseinandersetzung einer Innengesellschaft nachgewiesen werden. Dies dürfte in den meisten Sachverhaltskonstellationen nicht der Fall sein.
Beispiele für die Annahme einer Gesellschaft:
- Anschaffung einer Immobilie [BGH, FamRZ 1965, 368; BGH, NJW 1983, 2375; BGH, NJW 1992, 906]
- Aufbau eines Wirtschaftsunternehmens [BGH, FamRZ 1982, 1065]
e. Anspruch aus Wegfall der Geschäftsgrundlage gem. §§ 313 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 346 BGB
Der BGH gewährt bei erheblichen Zuwendungen, deren Nichtausgleich nach den Gesamtumständen unbillig erscheint, einen partiellen Rückzahlungsanspruch aus §§ 313 Abs. 1, Abs. 3 S. 1, 346 BGB in Verbindung mit einem „familienrechtlichen Kooperationsvertrag sui generis“. Dieser ist das Schuldverhältnis i.S.d. § 313 Abs. 1 BGB und besteht darin, dass jede Seite das ihr Mögliche zur Sicherung und Ausgestaltung der Lebensgemeinschaft ohne wechselseitige Verrechnung beiträgt.
f. Anspruch auf Aufwendungsersatz aus Geschäftsführung ohne Auftrag, §§ 670, 683, 684 BGB
Der Partner wird meistens seine Tätigkeit als Beitrag für die nichteheliche Lebensgemeinschaft sehen. Daher dürfte es für die Annahme einer GoA i.d.R. am Fremdgeschäftsführungswillen fehlen.
g. Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Var. 2 BGB
Grundsätzlich kann eine Leistung zur Aufrechterhaltung der Partnerschaft nicht als Zweckvereinbarung gelten. Diese ist nämlich nur ein Motiv des Partners und keine Rechtsgrundabrede. Allerdings macht der BGH unter bestimmten Umständen eine Ausnahme bei erheblichen Zuwendungen. Eine Rückabwicklung über das Bereicherungsrecht ist ausnahmsweise möglich, sofern diese:
- deutlich über das normale Maß hinausgehen
- der andere den verfolgten Zweck erkennt und widerspruchslos hinnimmt
- der Zuwendende erkennbar erwartet, langfristig am Gegenstand zu partizipieren
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Quellen
- Coester-Waltjen, Dagmar: Familienrecht, 16. Auflage, 2014.
- Schwab, Dieter: Familienrecht, 22. Auflage, 2014
- Muscheler, Karlheinz: Familienrecht, 3. Auflage, 2013.