Die §§ 987 ff. BGB dienen dem gutgläubigen Besitzer. Dies wird auch daran deutlich, dass der gutgläubige Besitzer gem. § 993 Abs. 1 Hs. 2 BGB vor Rechtshängigkeit nicht auf Schadensersatz haftet.
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Ansprüche auf Schadensersatz können erst nach Eintritt der Rechtshängigkeit gem. § 989 BGB oder Eintritt der Bösgläubigkeit gem. §§ 989, 990 Abs. 1 BGB entstehen.
I. Anspruch auf Schadensersatz gem. §§ 989, 990 Abs. 1 BGB
Prüfungsschema: Schadensersatz gem. §§ 989, 990 Abs. 1 BGB
- 1. Vindikationslage
- 2. Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache
- 3. zu einem Zeitpunkt nach
- a) Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs
- b) bösgläubigem Besitzerwerb, § 990 Abs. 1 S. 1 BGB
- c) Eintritt der Kenntnis vom fehlenden Besitzrecht, § 990 Abs. 1 S. 2 BGB
- 4. Verschulden
- 5. Schaden
1. Die Vindikationslage
Zunächst muss ein Eigentümer-Besitzer-Verhältnis im Sinne des § 985 BGB vorliegen.
Eine solche liegt vor, wenn die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
Prüfungsschema: Vindikationslage
- Anspruchsteller ist Eigentümer
- Anspruchsgegner ist Besitzer
- Anspruchsgegner hat kein Recht zum Besitz, § 986 BGB
Eine Vindikationslage ist folglich dann gegeben, wenn der Anspruchsteller einen Herausgabeanspruch aus § 985 BGB gegen den Anspruchsgegner inne hat.
Lies zur Vertiefung unseren Artikel zum Eigentümer-Besitzer-Verhältnis!
Das Eigentümerbesitzerverhältnis muss zum Zeitpunkt des Untergangs oder der Verschlechterung der Sache bestanden haben.
Nicht erheblich ist, dass der Anspruch aus § 985 BGB nicht mehr besteht, da die Sache zerstört wurde oder aus anderen Umständen nicht mehr herausgegeben werden kann.
2. Verschlechterung, Untergang oder sonstige Unmöglichkeit der Herausgabe der Sache
Definition: Die Verschlechterung mein jede körperliche Beschädigung der Sache und jede Beeinträchtigung, die die Funktionstauglichkeit mindert.
Umfasst sind Schäden, die durch Abnutzung durch normalen Gebrauch oder unsachgemäße Behandlung entstehen.
Der allgemeine Wertverlust, der mit dem Verlauf der Zeit eintritt, ist hingegen nicht umfasst.
Auch Verzugsschäden sind nicht umfasst. Diese werden über §§ 990 Abs. 2, 280 Abs. 2, 286 BGB abgehandelt.
Die freiwillige Besitzabgabe an einen Dritten zum Zweck der Veräußerung stellt ebenfalls ein Hindernis für die Herausgabe der Sache dar.
3. Zu einem Zeitpunkt nach …
Ist der Besitzer hinsichtlich seines Besitzrechts gutgläubig, haftet er nicht. Der Untergang oder die Verschlechterung muss demnach zu einem Zeitpunkt eintreten zu dem der Besitzer nicht mehr schutzwürdig ist.
a) Rechtshängigkeit des Herausgabeanspruchs
Dies kann der Fall sein, wenn der Herausgabeanspruch rechtshängig geworden ist, § 989 BGB. Rechtshängigkeit tritt ein, wenn dem Besitzer eine Klage des Eigentümers auf Herausgabe nach § 985 BGB zugestellt wurde, §§ 253 Abs. 1, 261 Abs. 1 ZPO.
b) bösgläubigem Besitzerwerb, § 990 Abs. S. 1 BGB
Zudem ist der Besitzer nicht schutzwürdig, wenn er von Beginn an bösgläubig bzgl. seines Besitzrechts war, § 990 Abs. 1 S. 1 BGB. Bösgläubig ist bei Besitzerlangung, § 990 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 932 Abs. 2 BGB analog, wer den Mangel des Besitzrechts kennt oder durch grobe Fahrlässigkeit nicht kennt.
Problematisch ist die Bösgläubigkeit bei der Zurechnung von Wissen von Hilfspersonen:
Weiter umstritten ist das Vorliegen der Bösgläubigkeit bei Minderjährigen:
c) Eintritt der Kenntnis vom fehlenden Besitzrecht, § 990 Abs. 1 S. 2 BGB
Zusätzlich ist der Besitzer nicht schutzwürdig, wenn er zwischenzeitlich vom fehlenden Besitzrechts positiv Kenntnis erlangt hat, § 990 Abs. 1 S. 2 BGB.
4. Verschulden
Das Verschulden umfasst nach dem bekannten Verschuldensmaßstab gem. § 276 BGB Vorsatz und Fahrlässigkeit.
Das Verschulden muss sich auf die Verschlechterung oder den Untergang der Sache beziehen. Im Rahmen des § 989 BGB stellt eine freiwillige Veräußerung an einen Dritten ebenfalls ein Verschulden in Form des Vorsatzes dar.
Das Verschulden von Hilfspersonen ist gem. § 278 BGB anzurechnen. Das notwendige Schuldverhältnis für die Anwendung der Vorschrift ist im Eigentümer-Besitzer-Verhältnis zu sehen.
5. Schaden
Zuletzt muss auch ein Schaden entstanden sein. Für die Art und Weise und Höhe des Schadens sind die §§ 249 ff. BGB anzuwenden. Es ist auch entgangener Gewinn gem. § 252 BGB zu ersetzen.
II. Haftung des Besitzmittlers gem. § 991 Abs. 2 BGB
Prüfungsschema: Haftung des Besitzmittlers, § 991 Abs. 2 BGB
- Vindikationslage
- Unmittelbarer Besitzer ist Besitzmittler eines Dritten
- Unmittelbarer Besitzer ist gutgläubig und unverklagt
- Verschlechterung, Unterhang oder anderweitige Herausgabeunmöglichkeit i.S.d. § 989 BGB
- Verantwortlichkeit des unmittelbaren Besitzer gegenüber dem mittelbaren Besitzer für den in § 989 BGB bezeichneten Schaden
Der § 991 Abs. 2 BGB enthält einen Schadensersatzanspruch gegen den redlichen, unverklagten Besitzer, der zugleich Besitzmittler eines Dritten ist. Eine Ausnahme von der Schutzwürdigkeit des redlichen Besitzers ist angemessen, da der unmittelbare Besitzer dem mittelbaren Besitzer ohnehin aus dem Besitzmittlungsverhältnis zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet wäre.
Der unmittelbare Besitzer haftet allerdings nur in dem Umfang, in dem er dem mittelbaren Besitzer zum Ersatz verpflichtet wäre.
III. Haftung gem. §§ 992, 823 ff. BGB
Prüfungsschema: Schadensersatz gem. §§ 992, 823 ff. BGB
- 1. Vindikationslage
- 2. Besitzverschaffung durch schuldhaft verbotene Eigenmacht oder durch eine Straftat
- 3. Erfüllung des Tatbestands von § 823 BGB
- a) Rechtsgutverletzung
- b) Verletzungshandlung
- c) Haftungsbegründende Kausalität
- d) Rechtswidrigkeit
- e) Verschulden
- f) Schaden
§ 992 BGB sieht eine verschärfte Haftung für den Fall vor, dass der Besitzer den Besitz durch verbotene Eigenmacht i.S.d. § 858 BGB oder durch eine Straftat erlangt hat.
Der Besitzer ist in solch einem Fall nicht schutzwürdig, weshalb eine umfängliche Haftung aus § 823 BGB angemessen ist.
Die §§ 987 ff. bleiben ebenfalls anwendbar.
Streitig ist, ob der Besitzerwerb i.R.d. § 992 BGB schuldhaft geschehen muss.
- Einer Ansicht nach muss der Besitzerwerb nicht schuldhaft sein. Der Tatbestand des § 858 BGB fordert kein Verschulden, weshalb es auch i.R.d. § 992 BGB nicht angemessen sein soll, ein Verschulden zu fordern.
- Der herrschenden Meinung nach ist hingegen ein Verschulden zu fordern. Der Besitzerwerb durch verbotene Eigenmacht wird neben dem Besitzerwerb durch Straftat genannt. Für eine Straftat muss allerdings immer ein Verschulden gegeben sein. Dementsprechend ist der Tatbestand des § 992 BGB dahingehend zu reduzieren, dass nur eine verschuldete verbotene Eigenmacht ausreicht.
IV. Haftung bei Verzugsschaden, § 990 Abs. 2 BGB
Wenn dem Eigentümer durch den vorübergehenden Entzug der Sache Gebrauchsvorteile entgangen sin, haftet der Besitzer gem. § 990 Abs. 2 BGB.
Ein Haftung wegen Verzugs soll also möglich bleiben, soweit die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen. Es finden die gängigen Verzugsvorschriften der §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286 f. BGB Anwendung.
Zu beachten ist, dass § 990 Abs. 2 BGB nur die Haftung für Verzug des bösgläubigen Besitzers regelt. Der gutgläubige und unverklagte Besitzer kann bzgl. des Herausgabeanspruchs aus § 985 BGB erst dann in Verzug geraten, wenn er gem. § 990 Abs. 1 S. 2 BGB Kenntnis erlangt.
Quellen
- Montag, Lernbuch, LE 13.
- Erman/Hefermehl, Vor. §§ 987 – 993.
- Palandt, Vor. §§ 987 -993.