Das Rückwirkungsverbot (Rechtsstaatsprinzip)

Das Rückwirkungsverbot (Rechtsstaatsprinzip)

Das Rückwirkungsverbot wird in der Lehre meist eher rudimentär behandelt, seine Beherrschung kann im Examen jedoch den entscheidenen Unterschied machen. Aus diesem Grund solltest du es kennen und richtig interpretieren können. Der folgende Beitrag verschafft einen umfassenden Überblick über das Rückwirkungsverbot.
rückwirkungsverbot
Lecturio Redaktion

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23.01.2024

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Inhalt

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I. Allgemeines zum Rückwirkungsverbot

Das Rückwirkungsverbot resultiert aus der Tatsache, dass das Vertrauen des Bürgers auf die bestehende Rechtslage bzw. die bestehenden Gesetze geschützt wird. Es kann nicht sein, dass er sein Verhalten daran ausrichtet und dieses plötzlich ganz anders gewertet wird. Dieser Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit ist ein Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips aus Art. 20 Abs. 3 GG.

Der 1. Senat des BVerfG unterscheidet grundsätzlich zwischen echter und unechter Rückwirkung. Nach der ständigen Rechtsprechung des 2. Senats des BVerfG ist mittlerweile die Unterscheidung in „Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte)“ und „Tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte)“ gebräuchlicher, welche auch vielmehr den Inhalt der Regelungen wieder trifft. Beide Begriffspaare werden jedoch synonym verwendet. Schöner hingegen ist die Formulierung des 2. Senats.


Rückwirkungsverbot
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Ein ausdrückliches Rückwirkungsverbot besteht auch im Strafrecht, Art. 103 Abs. 2 GG. Eine Tat darf nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde (nulla poena sine lege).

Weitere Ausprägungen der Gestaltung der Rechtsordnung so, dass die Bürger sich zu einem gewissen Grad auf die Vorgaben der Rechtsordnung verlassen können (Gebots der Rechtssicherheit), sind das Bestimmtheitsgebot und der Vertrauensschutz.

Tipp: Um mehr über die Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips zu lernen, lies hier.

II. Rückbewirkung von Rechtsfolgen (Echte Rückwirkung)

Grundvoraussetzung für beide Arten der Rückwirkung ist, dass das von einer Änderung betroffene Gesetz potenziell schutzwürdiges Vertrauen hervorrufen konnte. Dies liegt nicht vor, wenn sich eine entsprechende Gesetzesänderung erkennbar abgezeichnet hat.
Ferner bedarf es einer dahingehende Beschwer.

Definition: Eine echte Rückwirkung ist gegeben, wenn ein Gesetz nachträglich in einen in der Vergangenheit liegenden, bereits abgeschlossenen Sachverhalt ändernd eingreift oder ihn erstmalig belastend regelt.

Das bedeutet, die Rechtsfolgen einer Norm sollen für einen bestimmten Zeitraum eintreten, der vor der Verkündung und damit dem Inkrafttreten der Norm liegt. Es geht hier also um den zeitlichen Anwendungsbereich einer Norm.

Beispiel: Ein im November 2014 verkündetes Gesetz hebt die Einkommensteuer an. Das Gesetz soll rückwirkend zum 01.01.2013 in Kraft treten. Gemäß der im Steuerrecht geltenden Periodizität ist der Steuertatbestand immer am Ende eines Jahres, also zum 31.12.2013 abgeschlossen. Es handelt sich also um echte, unzulässige und daher verfassungswidrige Rückwirkung.

In der Regel ist eine solche echte Rückwirkung unzulässig!

Den maßgebliche Zeitpunkt sieht das BVerfG im Gesetzesbeschluss. Danach besteht kein schutzwürdiges Vertrauen mehr in den Bestand der alten Rechtslage.

Ausnahmen bestehen jedoch auch, in der Form, dass ausnahmsweise eine echte Rückwirkung gerechtfertigt sein kann, wenn:

  • der Schutzzweck des Rückwirkungsverbots nicht greift,
  • zwingende Gründe des Gemeinwohls vorliegen (Wertungsfrage im Einzelfall),
  • der Bürger mit einer Veränderung der Rechtslage rechnen musste, z.B. weil ein entsprechender Bundestagsbeschluss gem. Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG ergangen ist (bis zur Verkündung im Bundesgesetzblatt gem. Art. 82 Abs. 1 S. 1GG vergeht i.d.R. eine gewisse Zeit). Ein Bundestagesbeschluss ist also insoweit vertrauenszerstörend. Bloße Gesetzesinitiativen sind jedoch nicht ausreichend!
  • Ein Gesetz formell verfassungswidrig war (wegen einem fehlerhaften Gesetzgebungsverfahren oder fehlerhafter Form) und erneut in formell verfassungsgemäßer Weise mit Rückwirkung beschlossen wurde.
  • Die Neuregelung/Änderung begünstigt den Bürger ausschließlich.
  • Die bisherige Rechtslage war unklar und verworren (BVerfGE 45, 142: Getreideimporte nach Deutschland, 1977).

III. Tatbestandliche Rückanknüpfung (Unechte Rückwirkung)

Definition: Eine unechte Rückwirkung liegt vor, wenn ein Gesetz auf gegenwärtige, noch nicht abgeschlossene Sachverhalte für die Zukunft einwirkt und damit zugleich die betroffene Rechtsposition nachträglich entwertet.

Gemeint ist die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der Norm ein, knüpfen jedoch tatbestandlich bzw. in ihrem sachlichen Anwendungsbereich an Gegebenheiten aus der Zeit vor der Verkündung an. Insofern wird also der Eintritt der Rechtsfolgen einer Norm von Gegebenheiten aus der Zeit vor ihrer Verkündung abhängig gemacht.

Beispiel: Wie das oben angeführte Beispiel, nur diesmal soll das Gesetz rückwirkend zum 01.01.2014 in Kraft treten. Der Steuertatbestand ist noch nicht abgeschlossen, es handelt sich daher um unechte Rückwirkung.

Eine unechte Rückwirkung ist grundsätzlich zulässig!

Es sei denn, sie ist unverhältnismäßig. Bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit ist eine Interessen- bzw. Güterabwägung vorzunehmen.

Tipp: Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist elementar im Verfassungsrecht, erfahre hier mehr!

Sie kann jedoch deshalb unzulässig sein, wenn

  • das Vertrauen des Betroffenen schutzwürdig ist und
  • sein Schutzbedürfnis das öffentliche Interesse an der neuen Regelung überwiegt

Hierbei ist insbesondere der Vertrauensschutz des Bürgers zu beachten, sodass im Einzelfall Übergangsregelungen erforderlich sein können. Ins Gewicht kann beispielsweise fallen, wenn der betroffene Bürger bereits Dispositionen für seinen Ruhestand getroffen hat, die er bei Kenntnis der Gesetzesänderung nicht vorgenommen hätte.

Beispiel: Ein 50-jähriger Notar hat ein Haus gekauft und dieses u.a. durch einen Kredit finanziert, welcher ihn noch 15 Jahre belastet. Ein ordnungsgemäß zustande gekommenes und verkündetes Gesetz senkt die Altersgrenze für Notare auf 60 Jahre. Fehlt hier eine Übergangsregelung (z.B. alle Notare, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, dürfen ihre Tätigkeit noch für 15 Jahre fortsetzen), so könnte dies im Einzelfall unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig sein.

Anders sieht es bei dem oben angeführten Steuerbeispiel aus; hier muss der Bürger i.d.R. damit rechnen, dass die Steuern im Laufe des Jahres noch einmal angehoben werden.

IV. Stellung im Prüfungsaufbau

Die Rückbewirkung von Rechtsfolgen (echte Rückwirkung) wird in der materiellen Verfassungsmäßigkeit unter dem Punkt Verstoß gegen die Staatsstrukturprinzipien/das Rechtsstaatsprinzip Art. 20 Abs. 3 GG geprüft.

Die tatbestandliche Rückanknüpfung (unechte Rückwirkung) kann ebenfalls an dieser Stelle geprüft werden, passt aber systematisch deutlich besser in die Prüfung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (i.R.d. Angemessenheit) und damit die grundrechtsspezifische Prüfung (z.B. Art. 12 Abs. 1 GG).

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

Holger Wöltje

Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

Andreas Ellenberger

Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Zach Davis ist studierter Betriebswirt und Experte für Zeitintelligenz und Zukunftsfähigkeit. Als Unternehmens-Coach hat er einen tiefen Einblick in über 80 verschiedene Branchen erhalten. Er wurde 2011 als Vortragsredner des Jahres ausgezeichnet und ist bis heute als Speaker gefragt. Außerdem ist Zach Davis Autor von acht Büchern und Gründer des Trainingsinstituts Peoplebuilding.

Wladislav Jachtchenko

Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.