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I. Allgemeines zu § 437 Nr. 2 BGB
§ 437 Nr. 2 BGB:
Ist die Sache mangelhaft, kann der Käufer, wenn die Voraussetzungen der folgenden Vorschriften vorliegen und soweit nicht ein anderes bestimmt ist, nach den §§ 440, 323 und 326 Abs. 5 von dem Vertrag zurücktreten oder nach § 441 den Kaufpreis mindern.
Rücktritt und Minderung (§ 437 Nr. 2 BGB) können nur alternativ wahrgenommen werden. Dies ergibt sich aus den Worten “statt zurückzutreten” in § 441 BGB. Die Voraussetzungen für ein Rücktritts- bzw. Minderungsrecht sind daher auch dieselben.
1. Rücktritts- und Minderungserklärung
Die Rücktritts- bzw. Minderungserklärung im Rahmen des § 437 Nr. 2 BGB bedarf keiner Begründung und ist formfrei möglich. Sie richtet sich also nicht nach der Form des Kaufvertrages.
Die Rücktritts-/Minderungserklärung ist eine einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung.
Sie wird mit Zugang (§ 130 Abs. 1 BGB) wirksam.
2. Voraussetzungen für Rücktritt und Minderung
II. Rücktritt
Grundsätzlich gelten für den Rücktritt vom Kaufvertrag (§ 437 Nr. 2 BGB) aufgrund eines Mangels des Kaufgegenstandes die üblichen Regelungen für den Rücktritt.
Da es sich beim Rücktritt um ein Gestaltungsrecht handelt, bedeutet dies auch, dass der Käufer bei einmal erfolgter Rücktrittserklärung nicht doch noch die Sache behalten kann, da sich das Schuldverhältnis in ein Rückgewährschuldverhältnis umwandelt. Das Geschäft muss dann Zug-um-Zug nach §§ 346, 348 BGB rückabgewickelt werden.
1. Prüfungsschema: § 437 Nr. 2 Var. 1 BGB
Rücktritt vom Kaufvertrag wegen eines Sachmangels, §§ 434, 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 (326 Abs. 5), 346 BGB
- I. Rücktrittserklärung § 349 BGB
- II. Rücktrittsgrund
- 1. Kaufvertrag
- 2. Sachmangel i.S.v. § 434 BGB
- 3. Mangel bei Gefahrübergang
- 4. Fristsetzung i.S.v. § 323 Abs. 1 BGB oder Ausnahme
- 5. Keine nur unerhebliche Pflichtverletzung, § 323 Abs. 5 S. 2 BGB
- 6. Keine alleinige oder überwiegende Verantwortlichkeit des Gläubigers (=Käufers) oder Annahmeverzug, § 323 Abs. 6 BGB
- 7. Kein wirksamer Gewährleistungsausschluss, keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Mangel (§ 442 BGB), keine Verjährung (§§ 438, 218 BGB), kein Verlust des Rügerechts (§ 377 HGB)
- 8. Bei Teilleistungen: Rücktritt vom gesamten Vertrag nur bei Interessewegfall, § 323 Abs. 5 S. 1 BGB
- III. Rechtsfolge: Rückgewähr des empfangenen Leistungen und gezogener Nutzungen, § 346 Abs. 1 BGB; ansonsten Wertersatz gem. § 346 Abs. 2, 3 BGB
2. Fristsetzung und deren Ausnahmen
Bevor ein Rücktritt möglich ist, hat der Käufer dem Verkäufer allerdings eine angemessene Frist zur Nacherfüllung zu setzen (Recht zur zweiten Andienung), § 323 Abs. 1 BGB.
Die Fristsetzung kann jedoch bei Vorliegen der Varianten des § 323 Abs. 2 BGB sowie § 326 Abs. 5 und § 440 BGB entbehrlich sein:
- Schuldner verweigert Leistung ernsthaft und endgültig, § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB
- Vereinbarung einer besonderen Frist, § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB
- Sonstige besondere Umstände, § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB
- Nacherfüllung ist von vornherein unmöglich, § 326 Abs. 5 BGB
- Nacherfüllung ist fehlgeschlagen oder unzumutbar, § 440 S. 1 BGB (siehe 3.)
Einen für das Kaufrecht spezifischen Fall (sonstige besondere Umstände) stellt es dar, wenn der Verkäufer bei Vertragsschluss einen ihm bekannten Mangel verschweigt. Nach § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB hat der Käufer in solchen Fällen ein sofortiges Rücktrittsrecht ohne Fristsetzung zur Nacherfüllung.
§ 437 Nr. 2 i.V.m. § 326 Abs. 5 BGB bestimmt, dass eine Fristsetzung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 275 BGB auf Seiten des Verkäufers entbehrlich ist.
3. Sonderbestimmung des § 440 BGB
Eine Sonderbestimmung für das kaufrechtliche Gewährleistungsrecht stellt § 440 BGB dar. Auch nach dieser Vorschrift kann eine Fristsetzung entbehrlich sein, wenn
- der Verkäufer die Nacherfüllung verweigert,
- die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung fehlgeschlagen ist,
- oder wenn die dem Käufer zustehende Art der Nacherfüllung unzumutbar ist.
a) Verkäufer verweigert Nacherfüllung
Der Verkäufer kann gem. § 439 Abs. 3 BGB die Nacherfüllung verweigern, wenn diese nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Auch kann er die Nacherfüllung bei Vorliegen der Voraussetzungen von § 275 Abs. 2, 3 BGB verweigern. In diesen Fällen entfällt gem. § 440 BGB das Fristsetzungserfordernis für den Käufer.
§ 440 BGB hat hier hauptsächlich eine klarstellende Wirkung, da bereits § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB festlegt, dass eine Fristsetzung entbehrlich ist, wenn der Schuldner die Leistung verweigert.
b) Nacherfüllung fehlgeschlagen
Ist die Nacherfüllung fehlgeschlagen, ist dem Käufer ein weiteres Warten nicht mehr zuzumuten.
Wann die Nacherfüllung fehlgeschlagen ist, ergibt sich aus § 440 S. 2 BGB. Danach hat der Verkäufer zwei Versuche zur Nachbesserung. Im Einzelfall kann jedoch auch bereits nach dem ersten Versuch ein Fehlschlagen vorliegen oder dem Verkäufer mehr Versuche zuzubilligen sein, falls es sich um eine komplexe Sache handelt.
c) Nacherfüllung unzumutbar
Auch ist es möglich, dass eine Mängelbehebung mehr Zeit in Anspruch nehmen würde, als dem Käufer zuzumuten ist. In solchen Fällen ist ebenso von einem Fehlschlagen auszugehen.
Bei Nachlieferung liegt ein Fehlschlagen vor, wenn die neue Sache auch mangelhaft ist und weitere Versuche dem Käufer nicht zuzumuten sind.
III. Minderung
437 Nr. 2 BGB gesteht dem Käufer bei Mangelhaftigkeit der Kaufsache zudem statt des Rücktritts die Minderung des Kaufpreises gem. § 441 BGB zu.
Da der Käufer nur zurücktreten oder mindern kann (§ 441 Abs. 1 S. 1 BGB), gelten für die Minderung im wesentlichen die gleichen Voraussetzungen wie für den Rücktritt. Daher ist auch für die Minderung eine Fristsetzung mit Recht zur zweiten Andienung nötig.
Merke: Eine Besonderheit gilt für die Minderung bezüglich § 323 Abs. 5 S. 2 BGB. Eine Minderung des Kaufpreises ist nicht ausgeschlossen, weil der Mangelunerheblich ist.
1. Prüfungsschema: § 437 Nr. 2 Var. 2 BGB
- I. Minderungserklärung
- II. Minderungsgrund
- 1. Kaufvertrag
- 2. Sachmangel i.S.v. § 434 BGB
- 3. bei Gefahrübergang
- 4. Fristsetzung i.S.v. § 323 Abs. 1 BGB
- Ausnahmen:
- a) Schuldner verweigert Leistung ernsthaft und endgültig , § 323 Abs. 2 Nr. 1 BGB
- b) Vereinbarung einer besonderen Frist, § 323 Abs. 2 Nr. 2 BGB
- c) Nacherfüllung ist von vornherein unmöglich, § 326 Abs. 5 BGB
- d) Nacherfüllung ist fehlgeschlagen oder unzumutbar, § 440 S. 1 BGB
- e) Sonstige besondere Umstände, § 323 Abs. 2 Nr. 3 BGB
- 5. Keine überwiegende Verantwortlichkeit des Gläubigers (=Käufers) oder Annahmeverzug, § 323 Abs. 6 BGB
- 6. Kein wirksamer Gewährleistungsausschluss, keine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis vom Mangel (§ 442 BGB), keine Verjährung (§§ 438, 218 BGB), kein Verlust des Rügerechts
- III. Rechtsfolge: Minderung des Kaufpreises gemäß § 441 Abs. 3 BGB, gegebenenfalls Erstattung des Mehrbetrags, § 441 Abs. 4 S. 1 BGB
2. Höhe der Minderung
Die Berechnung der Minderung ergibt sich aus § 441 Abs. 3 BGB:
Der Kaufpreis ist in dem Verhältnis herabzusetzen, in welchem zur Zeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde.
Bei bereits voll bezahltem Kaufpreis hat der Käufer einen Anspruch auf Rückzahlung des geleisteten Mehrbetrages aus § 441 Abs. 4 BGB.
Merke: Formel zur Berechnung des Minderungsbetrags, den der Käufer zurückverlangen kann:
3. Verhältnis zu anderen Gewährleistungsrechten
Da bei Geltendmachung einer Minderung der ursprüngliche Kaufvertrag fortbesteht ist die Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung ausgeschlossen. Eine Geltendmachung von Schadensersatz neben der Leistung ist allerdings möglich. Dies gilt insbesondere für Mangelfolgeschäden oder Begleitschäden, die aufgrund der Mangelhaftigkeit der Kaufsache an anderen Rechtsgütern des Käufers entstanden sind.
Umstritten ist, ob der Käufer eine einmal erklärte Minderung rückgängig machen, und stattdessen ein anderes Gewährleistungsrecht geltend machen kann. Die h.M. gesteht dies dem Käufer zumindest im Hinblick auf den Schadensersatz statt der Leistung zu (§ 325 BGB analog), allerdings nicht für den Rücktritt, da das Gesetz diesen und die Minderung in einem Alternativitätsverhältnis sieht.
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Quellen
- Medicus, Dieter / Lorenz, Stephan: Schuldrecht II Besonderer Teil, 17. Auflage 2014.
- Musielak, Hans-Joachim / Hau, Wolfgang: Grundkurs BGB, 13. Auflage 2013.