Rücknahme unionsrechtswidriger Bescheide

Rücknahme unionsrechtswidriger Bescheide

Immer wieder gerne werden in öffentlich-rechtliche Fälle europarechtliche Probleme eingebaut. Oft geschieht dies als Zusatzfrage, sodass die europarechtlichen Themen außerhalb der vorherigen Prüfung erfolgen. Geht es jedoch um die Rücknahme von Verwaltungsakten, so durchziehen die unionsrechtlichen Besonderheiten die gesamte Fallprüfung.
unionsrecht
Lecturio Redaktion

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26.01.2024

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Inhalt

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I. Hintergrund

Das Unionsrecht stellt eine über dem nationalen Bundesrecht stehende Rechtsordnung dar, deren Regelungen für die Mitgliedsstaaten verbindlich sind. Dabei haben sie die Pflicht, für die effektive Umsetzung des Unionsrechts im innerstaatlichen Gebiet zu sorgen. Dieses Effektivitätsgebot (sog. effet utile) ist in Art. 4 III EUV niedergeschrieben.

„3) (…) Die Mitgliedstaaten ergreifen alle geeigneten Maßnahmenallgemeiner oder besonderer Art zur Erfüllung der Verpflichtungen, die sich aus den Verträgen oder den Handlungen der Organe der Union ergeben. Die Mitgliedstaaten unterstützen die Union bei der Erfüllung ihrer Aufgabe und unterlassen alle Maßnahmen, die die Verwirklichung der Ziele der Union gefährden könnten.“

Der Staat und seine Behörden haben also dafür zu sorgen, dass bei allem staatlichen Handeln die unionsrechtlichen Vorgaben gewahrt werden. Das bedeutet auch, dass unionsrechtswidrige Zustände nach Möglichkeit aus der Welt geschafft werden. Damit hat die Unionsrechtswidrigkeit eine Verwaltungsakts unmittelbare Auswirkungen auf dessen Rücknahme.

II. Die Prüfung der Rücknahme

Beispiel: Die B-AG ist im Bereich der Windenergie tätig. Im Jahr 2008 erhielt sie auf der Grundlage eines Bewilligungsbescheides Beihilfen im Rahmen eines Subventionsprogramms des Bundes. Damit sollte der Bau eines neuen Windparks ermöglicht werden. Insgesamt beliefen sich die Subventionen auf 5 Millionen Euro. Eine vorherige Benachrichtigung der Kommission nach Art. 108 I 1 AEUV fand nicht statt. Als die Kommission der EU von der Beihilfe erfuhr, überprüfte sie diese und teilte sodann der zuständigen Behörde mit, dass die Subvention gem. Art.107 AEUV mit dem Binnenmarkt unvereinbar sei. Daraufhin nahm die zuständige Bundesbehörde nach Anhörung der B-AG den Bewilligungsbescheid von 2008 zurück. Dagegen wehrt sich die B-AG mit einer Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht.

1. Rechtsgrundlage für die Rücknahme

Verstößt ein Subventionsbescheid gegen das Notifizierungsgebot des Art. 108 I 1 AEUV, so ist er rechtswidrig. Die Ermächtigungsgrundlage ist damit § 48 VwVfG.

2. Formelle Rechtmäßigkeit

Hier ergeben sich keine Besonderheiten, es sind die üblichen Punkte (Zuständigkeit, Verfahren und Form) zu prüfen.

3. Materielle Rechtmäßigkeit

Hier sollte vor Beginn der Prüfung noch einmal klar gestellt werden, was genau die einschlägige Rechtsgrundlage ist. In Frage kommen folgende Normen:

  • 48 I VwVfG (Rücknahme rechtswidriger, belastender VA)
  • 48 II VwVfG (Rücknahme begünstigender VA, die eine Geld- oder Sachleistung gewähren)
  • 48 III VwVfG (Rücknahme sonstiger begünstigender VA)
  • 50 VwVfG (Rücknahme im Rechtsbehelfsverfahren)

Variante 1: Rücknahme nach § 48 I VwVfG

Um die Durchsetzung des Unionsrecht ausreichend zu gewährleisten, ist das Rücknahmeinteresse der Behörde regelmäßig auf Null reduziert.

Variante 2: Rücknahme nach § 48 II VwVfG

a. Vertrauen auf den VA

Zunächst muss der Adressat überhaupt auf die Gültigkeit des VA vertraut haben. Auf Vertrauen kann er sich dabei nicht berufen, wenn einer der Fälle des § 48 II 3 Nr. 1-3 VwVfG vorliegt. Hier wird regelmäßig interessant werden, inwiefern der Adressat die Unionsrechtswidrigkeit kannte oder hätte kennen müssen.

Der EuGH ist dabei sehr streng und geht davon aus, dass zumindest größere Unternehmen das Notifizierungsverfahren nach Art. 108 I AEUV kennen, weshalb auch eine Nachfrage bei der Kommission erwartet werden kann. Unterbleibt diese, läge grundsätzlich grobe Fahrlässigkeit i.S.d. § 48 II 3 VwVfG vor.

b. Schutzwürdigkeit des Vertrauens

Weiterhin muss das Vertrauen auch schutzwürdig sein. Nach § 48 II 2 VwVfG ist dies in der Regel der Fall, wenn der Begünstigte die ihm gewährte Subvention verbraucht hat. Diese Regelvermutung hat vor allem fiskalische Hintergründe: im Falle eines Verbrauchs der gewährten Subventionen bestünde nach deren Rückforderung eine Entschädigungspflicht nach § 48 III VwVfG. Angesichts dessen hat der Gesetzgeber aus verfahrensökonomischen Gründen die Regelvermutung des § 48 II 2 VwVfG geschaffen. Bei europarechtswidrigen Subventionen geht es jedoch nicht allein um fiskalische Interessen der Bundesrepublik, sondern auch deren Verpflichtung zur effektiven Umsetzung aus Art.4 III EUV. Aus diesem Grund greift die Regelvermutung bei unionsrechtswidrigen Bescheiden nicht.

c. Abwägung Vertrauensinteresse und Rücknahmeinteresse

Schließlich müssen das Bestandsinteresse des Begünstigten und das Rücknahmeinteresse der Behörde gegeneinander abgewogen werden. Bei unionsrechtswidrigen Verwaltungsakten fällt diese Abwägung wegen Art.4 III EUV in aller Regel zugunsten des Rücknahmeinteresses aus. Andernfalls könnten auch die Regelungen der Art. 107, 108 AEUV einfach von den Mitgliedsstaaten umgangen werden.

Ermessen

Im Rahmen des Ermessens ist das Abwägungsinteresse mit zu berücksichtigen. Im Falle unionsrechtswidriger Bescheide liegt in aller Regel eine Ermessensreduktion auf Null vor.

Frist, § 48 IV VwVfG

Schließlich schlägt sich die Unionsrechtswidrigkeit auch auf § 48 IV VwVfG nieder: die Jahresfrist ist in der Regel nicht anwendbar.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Wladislaw Jachtchenko ist mehrfach ausgezeichneter Experte, TOP-Speaker in Europa und gefragter Business Coach. Er hält Vorträge, trainiert und coacht seit 2007 Politiker, Führungskräfte und Mitarbeiter namhafter Unternehmen wie Allianz, BMW, Pro7, Westwing, 3M und viele andere – sowohl offline in Präsenztrainings als auch online in seiner Argumentorik Online-Akademie mit bereits über 52.000 Teilnehmern. Er vermittelt seinen Kunden nicht nur Tools professioneller Rhetorik, sondern auch effektive Überzeugungstechniken, Methoden für erfolgreiches Verhandeln, professionelles Konfliktmanagement und Techniken für effektives Leadership.

Alexander Plath

Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.