I. Begriff
Das deutsche Familienrecht basiert auf der Idee, dass während der Ehe erwirtschaftetes Vermögen auf gemeinsamer Leistung der Ehegatten beruht. Kinderbetreuung oder Haushaltsverpflichtungen führen jedoch häufig zu einseitigen Erwerbsausfällen. Bei Beendigung der Ehe, also bei Beendigung des Güterstandes, sollen solche Ungleichheiten deshalb durch den Zugewinnausgleich ausgeglichen werden
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Zu diesem Zweck hat das BGB das Instrument des Zugewinnausgleichs entwickelt. Hiernach kann der Ehegatte mit dem geringeren Zugewinn die Hälfte des Betrages fordern, wenn der Zugewinn des anderen Ehegatten seinen eigenen übersteigt. Dies erscheint sinnvoll, da der Zugewinn des dinglich Berechtigten meist auf dem Zusammenwirken beider Ehegatten beruht oder zumindest durch die Aufgabenteilung bei Kinderbetreuung oder der Hausarbeit gefördert wurde.
Für den Zugewinnausgleich gibt es den Weg der güterrechtlichen Lösung (§ 1378 BGB) und der erbrechtlichen Lösung (§1371 Abs. 1 BGB).
Die erbrechtliche Lösung gem. § 1371 Abs. 1 BGB kommt zum Tragen, wenn die Ehe durch den Tod eines Ehegatten beendet wird. Der während der Ehe vom Erblasser erwirtschaftete Zugewinn wird pauschal ausgeglichen, indem der Erbteil des überlebenden Ehegatten um 1/4 erhöht wird.
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Dieser Artikel beschäftigt sich hingegen mit der güterrechtlichen Lösung gem. § 1378 BGB.
Der Güterstand endet hier nicht mit dem Tod, sondern durch andere Weise das heißt mit der Scheidung, Nichtigkeitserklärung oder Aufhebung der Ehe. Auch wenn während der Ehe vertraglich ein anderer als der gesetzliche Güterstand vereinbart wird, wird der tatsächliche Zugewinn ausgerechnet und verteilt.
Definition: Der Zugewinn eines Ehegatten ist der Betrag, um den sein Endvermögen sein Anfangsvermögen übersteigt, § 1373 BGB.
Der Zugewinn kann niemals negativ sein. Ist man bei Beendigung der Ehe verschuldet ist, beträgt der Zugewinn also Null.
Mit dem Zugewinnausgleich erhält der Ehegatte mit dem geringeren Zugewinn nun einen schuldrechtlichen, auf Geld gerichteten Ausgleichsanspruch (§ 1378 BGB) gegen den anderen Ehegatten in Höhe der Hälfte der Differenz beider Zugewinne.
II. Voraussetzungen
Um einen Anspruch aus § 1378 BGB zu haben, müssen jedoch bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein:
Schema: § 1378 BGB
- Gesetzlicher Güterstand: Zugewinngemeinschaft, §§ 1363 ff. BGB
- Beendigung auf andere Weise, § 1372 BGB
1. Gesetzlicher Güterstand, §§ 1363 ff. BGB
Die Eheleute müssen ehezeitlich im gesetzlichen Güterstand, also der Zugewinngemeinschaft nach §§ 1363 ff. BGB gelebt haben. Dies trifft immer dann zu, wenn bei Eheschließung keine anderen Vereinbarungen über den Güterstand getroffen wurden.
2. Beendigung auf andere Weise, § 1372 BGB
Der Güterstand muss nach § 1372 BGB auf eine andere Weise, als durch den Tod eines Ehegatten beendet worden sein. Praktisch relevantestes Beispiel ist die Beendigung durch Scheidung.
Der Ausgleichsanspruch entsteht gemäß § 1378 Abs. 3 S. 1 BGB erst mit Beendigung des Güterstandes. Bei der Scheidung tritt die Beendigung mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils ein.
III. Berechnung
Zur Ermittlung der Forderungshöhe, müssen jeweils das Anfangs-, sowie das Endvermögen eines jeden Ehegatten separat berechnet werden. Zum Vermögen zählen dabei alle vermögenswerten Positionen.
EVEhegatte 1 – AVEhegatte 1 = ZEhegatte 1 und EVEhegatte 2 – AVEhegatte 2 = ZEhegatte 2
Anfangsvermögen (AV), Endvermögen (EV), Zugewinn (Z)
1. Anfangsvermögen
Definition: Das Vermögen, das einem Ehegatten nach Abzug aller Verbindlichkeiten bei Eheschließung gehört, wird gemäß § 1374 BGB als Anfangsvermögen bezeichnet.
Es kann auch einen negativen Wert annehmen, wenn man verschuldet in den Güterstand eintritt (§ 1374 Abs. 3 BGB). Bestehen Zweifel an der Höhe des Anfangsvermögens, wird gemäß § 1377 BGB vermutet, dass es Null beträgt.
Bei der Ermittlung des Anfangsvermögens muss ferner die Möglichkeit des privilegierten Erwerbs gemäß § 1374 Abs. 2 BGB beachtet werden. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass bestimmtes Vermögen, welches nicht aufgrund gemeinsamer Leistung, sondern von Todes wegen, durch Schenkung oder Ausstattung erworben wurde, nicht ausgleichspflichtig ist.
Merke: Die Aufzählung des § 1374 Abs. 2 BGB ist abschließend.
Daher gilt die Privilegierung nur in den genannten Fällen, nicht jedoch für Vermögenserwerb durch beispielsweise einen Lottogewinn oder eine Erbschaft. Dieser muss ausgeglichen werden.
Ob unbenannte oder ehebedingte Zuwendungen, also „Geschenke“ eines Ehegatten an den anderen von beachtlichem Wert, ebenfalls privilegiert werden, ist strittig. Nach herrschender Auffassung handelt es sich hierbei jedoch nicht um Schenkungen im eigentlichen Sinne, da eine Gegenleistung, nämlich die Aufrechterhaltung der ehelichen Lebensgemeinschaft, erwartet wird. Daher müssen auch sie ausgeglichen werden.
2. Endvermögen
Definition: Der Begriff Endvermögen wird in § 1375 Abs. 1 BGB als das Vermögen, das abzüglich aller Verbindlichkeiten nach Beendigung des Güterstandes einem Ehegatten gehört, definiert.
Wie das Anfangs- kann auch das Endvermögen negativ sein, § 1375 Abs. 1 S. 2 BGB. Dies ist der Fall, wenn man mit Schulden in die Ehe eintritt und, trotz Rückzahlungen während der Ehe, bei ihrer Beendigung dennoch verschuldet ist.
Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bestimmung des Endvermögens ist die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages gemäß § 1384 BGB, §§ 261 Abs. 1, 253 Abs. 1 ZPO, also der Tag der Zustellung an den andern Ehegatten.
3. Unechter Zugewinn
Vor allem bei Ausgleichsforderungen nach einer langen Ehedauer ist die Kaufkraftminderung von Bedeutung. Besitzt ein Gatte beispielsweise eine Immobilie im Wert von 150.000€ bei Eheschließung, kann diese nach 15 Jahren Ehe 185.000€ wert sein. Doch auch wenn der nominelle Wert gestiegen ist, bleibt der eigentliche Wert gleich. Um den ausgleichspflichtigen Gatten vor der Steigerung der Forderung durch einen solchen unechten Zugewinn zu schützen, wird der Wert mithilfe des Verbraucherpreisindex des statistischen Bundesamtes bereinigt.
4. Höhe der Forderung
Mithilfe der ermittelten Anfangs- und Endvermögen wird jeweils der Zugewinn der Ehegatten bestimmt. Anschließend berechnet man die Höhe der Forderung mit folgender Formel:
(ZEhegatte 1 – ZEhegatte 2)/ 2 = Forderung
Zum Schutz des Ausgleichspflichtigen wird der Wert jedoch gemäß § 1378 Abs. 2 S.1 BGB gedeckelt. Die Forderung darf maximal der Höhe des Endvermögens des Forderungsgegners entsprechen. Denn es kann denklogisch nicht notwendig sein, sich verschulden zu müssen, um den eigenen Zugewinn auszugleichen.