I. Ziele der Formvorschriften
Grundsätzlich herrscht im Zivilrecht Formfreiheit, das Gesetz ordnet in bestimmten Fällen aber die Einhaltung bestimmter Formvorschriften (vgl. §§ 126 ff. BGB) an.
Das Gesetz verfolgt mit seinen gesetzlichen Formvorschriften 3 verschiedene Ziele:
- Zum einen hat die Formvorschrift eine Warnfunktion, denn durch das Einhalten einer Form soll das Bewusstsein des Erklärenden für den Inhalt der Erklärung geschärft werden und der Erklärende vor übereilten Entscheidungen bewahrt werden.
- Außerdem dient die gesetzliche Formvorschrift insbesondere bei Geschäften von großer Tragweise und umfangreichen Inhalt der Beweisfunktion. Auch soll der Vertragsschluss sichtbar von den unverbindlichen Vorverhandlungen abgegrenzt werden.
- Zuletzt dient die Formvorschrift der sachverständigen Beratung, welcher gerade bei weitreichenden Entscheidungen durch die Belehrung eines unabhängigen Notars erfolgen soll.
Die gesetzlichen Formvorschriften sind zwingendes Recht, können also nicht von den Parteien zur Disposition gestellt werden. Wird gegen eine Formvorschrift verstoßen, § 125 BGB, muss der Richter die Nichtigkeit des Geschäfts von Amts wegen beachten.
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II. Die verschiedenen Formen
- Schriftform: § 126 BGB ordnet die Schriftform an, d.h. die Urkunde muss den gesamten Inhalt des Rechtsgeschäfts enthalten und vom Aussteller eigenhändig unterschrieben werden.
- Textform: Durch § 126b soll den modernen Formen der Kommunikation Rechnung getragen werden, gemeint ist eine lesbare, aber unterschriftslose Erklärung.
- Elektronische Form: Schreibt das Gesetz eine Schriftform vor, kann diese gem. § 126 III durch die elektronische Form ersetzt werden, wenn sie nicht aus dem Gesetz etwas anderes ergibt. Hierbei muss der Aussteller der Erklärung seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen.
- Öffentliche Beglaubigung: Bei dieser muss gem. § 129 BGB die Erklärung schriftlich abgefasst sein und die Unterschrift des Erklärenden von einem Notar (bzw. der landesrechtlich ermächtigten Behörde bei amtlichen Beglaubigungen) auf dem Schriftstück durch einen Beglaubigungsvermerk beglaubigt werden.
- Notarielle Beurkundung: Diese erfolgt gem. § 128 BGB durch einen Notar, welcher eine sachverständige Beratung durch eine neutrale Person gewährleisten soll.
Der Umfang des gesetzlichen Formvorschriften erstreckt sich auf das gesamte Rechtsgeschäft mit all dessen wesentlichen Bestandteilen, d.h. regelmäßig auf alle Erklärungen, die die Parteien zum Inhalt ihrer Vereinbarung machen wollen.
III. Rechtsfolgen des Formmangels
IV. Die Form im Rahmen der Stellvertretung bei Grundstücksgeschäften
1. Problemaufriss
Gemäß § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, das Eigentum an einem Grundstück zu übertragen oder zu erwerben, zwingend der notariellen Beurkundung (§ 128 BGB). Dabei beschränkt sich das Formerfordernis nicht nur auf die Vereinbarungen, die das Grundstück betreffen. Formbedürftig sind grundsätzlich alle Vereinbarungen, die nach dem erkennbaren und von der Gegenpartei hingenommenen Willen auch nur einer Partei, zusammen mit der Grundstücksübertragung, gelten sollen. Formbedürftig sind also alle Vertragsteile, die miteinander stehen und fallen sollen.
§ 311b Abs. 1 Satz 1 BGB vereint dabei drei Formfunktionen – durch die notarielle Beurkundung wird sichergestellt, dass die Beteiligten vom Notar zugleich beraten und belehrt werden (Warn- und Beratungsfunktion). Zudem dient die notarielle Beurkundung Beweis– und Kontrollzwecken.
Man könnte annehmen, dass die Bevollmächtigung die Form des Rechtsgeschäfts erfordert, für das sie erteilt wurde. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang aber § 167 Abs. 2 BGB: Danach bedarf die Vollmacht nicht der Form, die für das Vertretergeschäft vorgeschrieben ist. Demnach ist also unschädlich, dass eine Vollmacht nicht notariell beurkundet wurde, obwohl der Kaufvertrag dieser Form bedarf.
Jedoch könnte das Erfordernis einer notariell beurkundeten Vollmacht aufgrund einer teleologischen Reduktion des § 167 Abs. 2 BGB in Betracht kommen. Diese setzt voraus, dass eine vom Gesetzgeber unterlassene Differenzierung entweder durch den Sinn und Zweck der einzuschränkenden Norm des § 167 Abs. 2 BGB selbst oder durch den vorrangigen Zweck anderer Normen bzw. gesetzlicher Wertungen angezeigt ist, die sonst verdrängt würden.
Gegen die Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion spricht jedoch zum einen, dass durch die bloße Vollmachtserteilung die schutzwürdigen Interessen des Vollmachtgebers regelmäßig noch nicht unmittelbar beeinträchtigt werden. Des Weiteren ist die Vollmacht grundsätzlich widerruflich (§ 168 BGB), der Vollmachtgeber kann also Willensänderungen noch geltend machen bis das Vertretergeschäft vorgenommen worden ist.
Dagegen kann eine Vollmacht aber auch unwiderruflich erteilt werden (Umkehrschluss aus § 168 S. 2 BGB). Ferner kann durch andere zusätzliche Vereinbarungen die tatsächliche Wirkung eines formgebundenen Vertretergeschäfts erreicht werden.
Insofern könnte eine teleologische Reduktion des § 167 S. 2 BGB mit Ausdehnung des Formzwangs auf die Vollmacht sachgerecht sein, zumindest wenn der Formzweck nicht nur der Beweisfunktion dient, sondern auch eine Warnfunktion beinhaltet.
2. Der Meinungsstand
a) Mindermeinung in der Literatur
Die Vollmacht entgegen § 167 Abs. 2 BGB grundsätzlich der Formbedürftigkeit des Vertretergeschäfts zu unterwerfen. Für diese Ansicht spricht, dass der Vertretene umfassend geschützt wird – selbst bei der Erteilung einer widerruflichen Vollmacht wird der Formzwang auch auf die Bevollmächtigung ausgedehnt.
b) Rechtsprechung
Die Rechtsprechung dehnt die Formbedürftigkeit entgegen des § 167 Satz 2 BGB auch auf die Vollmacht aus, allerdings anders als die genannte Auffassung in der Literatur nicht generell bei Formvorschriften mit Warnfunktion, sondern nur wenn durch die Bevollmächtigung bereits eine rechtliche oder tatsächliche Bindung des Vollmachtgebers entsteht. Deshalb unterliegt ein Vorvertrag zu einem Grundstückskaufvertrag dem Formzwang. Auch eine unwiderruflich erteilte Vollmacht zur Vornahme eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts bedarf nach Rechtsprechung der Form des Vertretergeschäfts. Gleiches gilt für solche widerrufliche Vollmachten, die gemäß dem Rechtsverhältnis zwischen Vertretenem und Vertreter unverzüglich genutzt werden können.
c) Die herrschende Meinung in der Literatur
Die herrschende Meinung in der Lehre unterscheidet. Die Warnfunktion einer für das Vertretergeschäft geltenden Formvorschrift, wie eben § 311 b, reiche alleine noch nicht aus um eine Vollmacht entgegen § 167 Abs. 2 BGB ebenfalls zu Form zu zwingen. Es käme vor allem auch darauf an, ob der Vollmachtgeber bereits durch die Erteilung der Vollmacht rechtlich und tatsächlich so gebunden wird, wie durch die Vornahme eines formbedürftigen Rechtsgeschäfts selbst. Eine generelle Ausdehnung von Formvorschriften mit Warnfunktion auf die Vollmachtserteilung, wie sie in der Literatur teilweise vertreten werde, sei trotz der größeren Rechtssicherheit abzulehnen. Stattdessen solle es bei den von der Rechtsprechung vor allem zu § 311b Abs. 1 BGB entwickelten Grundsätzen bleiben.
Für die herrschende Meinung bzw. Rechtsprechung und gegen die weitergehende Ansicht, dass die Formvorschriften mit Warnfunktion generell auf die Erteilung der Vollmacht zum Abschluss eines formbedürftigen Geschäfts anzuwenden sind, spricht insbesondere, dass es grundsätzlich keiner Warnung bedarf und die Reduktion des § 167 Abs. 2 daher zu weit ginge, wenn noch nicht einmal eine faktische Bindung eingetreten ist. Solange es an an dieser Bindung noch mangelt, gebührt der Privatautonomie Vorrang.
Quellen
- Flume, Rechtsgeschäft, § 52.
- Kandler, S. 50ff., 139ff.
- RGZ 108, 125; BGH NJW 1994, 1344; OLG München, NJW-RR 1989, 663.
- Vogel, JuS 1996, 964.