I. Allgemeines
Nach dem Prinzip der Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) geht das Vermögen des Erblassers grundsätzlich – unter gewissen Einschränkungen – als Ganzes auf den Erben über.
Dabei tritt die gesetzliche Erbfolge ein, sofern der Erblasser kein Testament hinterlassen hat oder ein vorhandenes Testament etwa wegen des Verstoßes gegen Formvorschriften ungültig ist.
Tipp: Die gesetzliche Erbfolge wird in einem anderen Beitrag ausführlich erklärt, lies hier.
II. Das gemeinschaftliche Testament
Das gemeinschaftliche Testament kann gem. § 2265 BGB nur von Ehegatten errichtet werden und ist lediglich eine Verfügung von Todes wegen und kein Vertrag!
Beachte: Gemäß § 10 Abs. 4 LPartG gilt dies auch für gleichgeschlechtliche eingetragene Lebenspartner.
Grundlegend sind immer zu prüfen, ob überhaupt ein wirksames – gemeinschaftliches – Testament vorliegt, danach widmet man sich dem Inhalt.
Schema: gemeinschaftliches Testament
- Wirksame Errichtung
- Form, §§ 2232, 22247 BGB
- bestehende wirksame Ehe, § 1353 BGB
- Testierfähigkeit und Testierwille, § 2229 BGB
- Inhalt
- Auslegung
- Wechselseitige Verfügungen
- Berliner Testament
- Ggf. Lösungsmöglichkeiten, insb. § 2253 BGB
Sollte es eigenhändig i.S.d. § 2247 BGB verfasst sein, genügt es gem. § 2267 BGB, wenn dass ein Ehegatte das Testament verfasst und der andere mit unterzeichnet.
Definition: Eigenhändig ist ein vom Erblasser in vollem Umfang handschriftlich verfasstes und unterschriebenes Testament.
Auch die Form des öffentlichen Testaments i.S.d. § 2232 BGB ist insoweit erleichtert, als dass ein Ehepartner mündlich testiert und der andere das offene Testament übergibt.
Ferner muss die Ehe wirksam fortbestehen. Dies sollte regelmäßig kein Schwerpunkt der Klausuren und leicht festzustellen sein.
Tipp: Falls du mehr zur Eheschließung erfahren willst, lies hier.
Die Testierfähigkeit ist von der Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden und wird negativ bestimmt, § 2229 Abs. 4 BGB.
Der Testierwille lässt sich häufig schon bejahen, wenn das Testament als solches, als letztwillige Verfügung oder gemeinschaftliches Testament bezeichnet wird.
Besondere Bedeutung haben die sog. wechselbezüglichen Verfügungen nach § 2270 BGB.
Definition: Wechselbezügliche Verfügungen liegen vor, wenn testamentarische Verfügungen des einen Ehepartners vorliegen, welche ohne eine Verfügung des anderen Ehepartners nicht getroffen worden wäre.
Nach § 2270 Abs. 2 BGB wird eine solche wechselbezügliche Verfügung insbesondere angenommen, wenn sich die Ehepartner gegenseitig als Erben einsetzen.
Eine wechselbezügliche Verfügung wird aber gem. § 2270 Abs. 2 BGB auch angenommen, wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.
Besonderes Merkmal dieser wechselbezüglichen Verfügungen ist die Bindungswirkung nach § 2271 Abs. 1 S. 2 BGB. Danach ist ein Widerruf der Verfügung nur bis zum Tod des Ehegatten möglich und erfolgt über die Regeln des Rücktritts vom Erbvertrag (§ 2296 BGB). Nach dem Tod des Ehegatten ist ein Abändern der Verfügung somit nicht mehr möglich!
Ein beliebtes Klausurproblem stellt die folgende Konstellation dar:
Der erste Ehegatte stirbt. Vor seinem Tod hatte er jedoch seine wechselbezügliche Verfügung notariell beurkundet widerrufen. Aufgrund seiner Weisung erklärt dies der Notar dem verbliebenen Ehegatten jedoch erst nach dem Tod des Verstorbenen.
Ohne die Weisung des Erblassers wäre der Widerruf einfach nach § 130 Abs. 2 BGB wirksam geworden. So allerdings wird § 130 Abs. 2 BGB teleologisch reduziert, da sich aus dem Normzweck der §§ 2271 Abs. 1, 2296 BGB ergibt, dass aus der Verheimlichung des Widerrufs dem erstversterbenden Ehegatten kein Vorteil erwachsen darf. Sonst könnte dieser einfach heimlich widerrufen, aber dank der Bindungswirkung der wechselbezüglichen Verfügung wäre der noch lebende Ehegatte nicht in der Lage, eine Änderung vorzunehmen.
Aufgrund dieser Bindungswirkung werden die §§ 2286 ff. BGB analog angewandt. Der lebende Ehegatte kann also nach § 2286 BGB frei über das Erbe verfügen. Zum Schutz vor Schenkungen in Beeinträchtigungsabsicht durch den lebenden Ehegatten werden auch die §§ 2287, 818 ff. BGB analog angewendet. Dennoch trägt der Bedachte dann das Entreicherungsrisiko des § 818 Abs. 3 BGB.
In den Fällen einer Zerstörung, Beiseiteschaffens oder Beschädigung greift die Regel des § 2288 BGB analog ein.
Die Bindungswirkung ist allerdings begrenzt. Der überlebende Ehegatte kann nämlich gem. § 2271 Abs. 2 S. 1 BGB das Zugewendete ausschlagen. Auch kann gem. § 2271 Abs. 2 S. 2 BGB der lebende Ehegatte seine Verfügung aufheben, falls schwere Verfehlungen vonseiten des Bedachten vorliegen sollten. Zudem kann eine „Freistellungsklausel“ im Testament verankert werden, welche die Wechselwirkung ausschließt. Weiterhin ist eine Anfechtung nach § 2281 BGB möglich. Offensichtlich entfällt die Bindungswirkung, wenn der zuletzt Bedachte vor dem überlebenden Ehepartner verstirbt.
Aufgrund der Abweichungen zum normalen Testament (§§ 2229 ff. BGB) ergeben sich beliebte Klausurthemen:
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III. Berliner Testament
Bei dem Berliner Testament handelt es sich um eine Sonderform des gemeinschaftlichen Ehegattentestamentes.
Inhaltlich setzen sich beide Ehegatten gegenseitig als Erben ein und bestimmen, dass nach dem Tod des Überlebenden der gesamte Nachlass an einen oder mehrere Dritte (etwa die Kinder) fällt. Diese sind dann letztlich Schlusserben.
Hierbei gibt es zwei Auslegungsmöglichkeiten, nämlich das Trennungs- und das Einheitsprinzip.
- Nach dem Trennungsprinzip ist der überlebende Ehegatte Vorerbe, der/die Bedachte(n) ist Nacherbe des Verstorbenen und normaler Erbe des überlebenden Ehegatten.
- Im Zweifel gilt gem. § 2269 Abs. 1 BGB das Einheitsprinzip. Danach wird der überlebende Ehegatte zunächst Vollerbe des Verstorbenen und der Dritte Schlusserbe des überlebenden Ehegatten. Dies schließt natürlich nicht das Pflichtteilsrecht der Kinder aus. Auf Grund dessen wird in solchen Testamenten für den Fall, dass das Kind auch der Dritte ist, der das Erbe später erhalten soll, festgelegt, dass er, falls er beim ersten Erbfall den Pflichtteil geltend machen sollte, auch beim zweiten Erbfall nur den Pflichtteil erhalten soll.
Auswirkungen hat dies nur auf die spätere Wirkung der Verfügungen.
Oft findet sich im Berliner Testament auch eine sog. Wiederverheiratungsklausel für den Fall, dass der überlebende Ehegatte nach dem Tod des Ehegatten nochmals heiratet. Danach entfällt die Erbenstellung des überlebenden Ehegatten in diesem Zeitpunkt mit der Wirkung, dass das Erbe entweder an die im Testament bestimmten Erben (meist die Kinder) herausgegeben werden muss oder die gesetzliche Erbfolge gelten soll.
Nach dem Trennungsprinzip tritt der Nacherbfall somit bei der Wiederheirat ein und die Auslegungsregel des § 2269 BGB soll nicht mehr gelten. Nach der Einheitslösung liegt eine auflösend bedingte Vollerbschaft bei gleichzeitiger Anordnung einer aufschiebend bedingten Vor- und Nacherbschaft nach §§ 2075, 158 BGB vor.
Quellen
- Claus-Henrik Horn, Zehn Optimierungsmöglichkeiten für das Berliner Testament, NJW 2013, 2166
- Gregor Basty, Bindungswirkung bei Erbvertrag und gemeinschaftlichem Testament, MittBayNot 2000, 73
- Maximilian Zimmer, Erbrecht – Wechselbezügliche Verfügungen beim Gemeinschaftlichen Testament, NJW 2009, 2364