Ein attraktives Stellenangebot reicht für viele nicht mehr aus
Mehr als 50 Prozent der deutschen Akademiker leben in Doppelkarriere-Beziehungen. Das bedeutet, dass beide Partner hochqualifiziert sowie fachlich spezialisiert sind und jeder von ihnen eine eigene Karriere verfolgt. Für diese Paare ist die berufliche Laufbahn mit einem häufigen Wechsel des Arbeitsplatzes verbunden.
Viele haben unterschiedliche Wohnorte und führen eine Wochenendbeziehung, die mit weiten Pendelstrecken verbunden ist. Die räumliche Trennung bringt Belastungen für den Einzelnen und die Partnerschaft oder Familie mit sich.
Was lange Zeit als unumgänglich betrachtet wurde, findet heute jedoch immer weniger Akzeptanz. Viele hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte sind nicht länger bereit, eine Karriere zu verfolgen, die zu Lasten ihrer Partnerschaft geht. Man wünscht sich einen gemeinsamen Lebensmittelpunkt.
In Doppelkarriere-Beziehungen ist zudem die berufliche Entwicklung der einzelnen Partner stark miteinander verwoben: Die Karriere des einen hat Auswirkungen auf die des anderen. Ein beruflich bedingter Umzug oder Auslandsaufenthalt, der den Erfolg des einen befördert, kann für den anderen den Verlust seines beruflichen Netzwerks und einen Karriereknick bedeuten.
Kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren können es dem Begleitenden bei einer Auslandsentsendung schwer machen, eine passende Stelle zu finden. Das Risiko, dass eine Entsendung frühzeitig abgebrochen wird, ist entsprechend hoch.
Hinsichtlich der Wahl des Arbeitsplatz spielen darum zunehmend auch die Karriere-Perspektiven des Partners eine entscheidende Rolle. Untersuchungen aus dem “Praxishandbuch Dual Career” belegen, dass beruflich bedingte Wohnortwechsel zu 36 Prozent mit Rücksicht auf den Partner abgelehnt werden.
Insbesondere bei der Rekrutierung spezialisierter Fachkräfte spielen Dual Career Konstellationen eine bedeutende Rolle. Für viele reicht ein attraktives Stellenangebot allein nicht mehr aus. Ob ein Unternehmen die besten Köpfe für sich gewinnen kann, hängt in immer stärkerem Maße davon ab, ob ein Wechsel des Arbeitsplatzes und damit des Lebensmittelpunktes auch für Partner und Familien der Kandidaten attraktiv gestaltet werden kann.
Bereits 50% der deutschen Hochschulen verfügen über einen Dual Career Service
An Universitäten und Forschungseinrichtungen ist man bereits seit einigen Jahren auf die Förderung von Dual Career Paaren bedacht. Hier folgte man dem Vorbild der angelsächsischen Länder, wo Angebote für Partner von hochkarätigen Wissenschaftlern schon lange als wichtige Voraussetzung zur Sicherung der Exzellenz gelten.
Über 50 Prozent der deutschen Hochschulen verfügen über einen Dual Career Service und haben sich zu regionalen sowie überregionalen Netzwerken zusammengeschlossen, in denen sie mit anderen Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Unternehmen und Verbänden aus Politik und Verwaltung zusammenarbeiten.
Ein Dual Career Service bietet neu ankommenden Wissenschaftlern und ihren Partnern Beratungen und Coachings für den beruflichen Neustart sowie oftmals auch eine Hilfestellung bei der sozialen Integration, etwa Wohnungen oder der Kinderbetreuung. Welche Zielgruppe genau unterstützt wird und welche Maßnahmen konkret angeboten werden, legt jede Hochschule individuell fest.
„Dabei geht es nicht um Sentimentalität, sondern um Sensibilität, nicht um Begünstigung, sondern um Optimierung: Wenn wir das Potenzial hoch qualifizierter Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler besser nutzen wollen […], dann dürfen wir die Doppelkarriere-Paare in der Wissenschaft und ihre spezielle Situation nicht länger auf die leichte Schulter nehmen“, so Prof. Dr. Manfred Erhardt bereits 2003 auf einer Tagung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und des Stifterverbandes zum Thema Dual Career Couples.
Diese 5 Wettbewerbsvorteile bringt Ihnen das Double Career Management
Auch in Unternehmen sind Doppelkarriere-Paare stark vertreten. Laut Prof. Dr. Michel Domsch, der am Institut für Personalwesen und Internationales Management der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg seit mehreren Jahren zu Dual Career Couples forscht, leben 90 Prozent der Führungskräfte im Alter von 30 bis 40 Jahren in einer Doppelkarriere-Partnerschaft.
“Wenn sich Firmen dieser Situation nicht stellen, sind sie blind”, betont Domsch und fordert ein radikales Umdenken in der gesamten Wirtschaft:
Firmen sollten bewusst und gezielt auch Paare einstellen, ihren Lebenslauf verfolgen und insbesondere bei Auslandseinsätzen stets beide Karrieren berücksichtigen.
1. Sie gewinnen qualifizierte Fachkräfte
Die Dual Career Förderung ist ein wichtiger Erfolgsfaktor im nationalen, vor allem aber auch im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe. Ein Unternehmen, das in diesem Bereich gezielte Maßnahmen anbietet, erhöht seine Attraktivität als potenzieller Arbeitgeber und damit seine Chance, hochqualifizierte Fachkräfte zu gewinnen und langfristig zu binden.
2. Sie unterstützen die Gleichstellung
Dual Career Angebote in Unternehmen schaffen Chancengerechtigkeit, indem sie dazu beitragen, dass beide Partner eine berufliche Perspektive haben und keiner von ihnen zu Gunsten des anderen zurückstecken muss. „Die Karrierevorstellungen der Unternehmen müssen sich ändern. […] Dass ein Arbeitnehmer ununterbrochen Karriere macht – das können sich Paare heute nicht mehr leisten“, gibt Waltraud Cornelißen vom Deutschen Jugendinstitut in der Süddeutschen Zeitung zu bedenken.
3. Sie sparen Kosten
Unternehmen, die auch den Partnern ihrer Mitarbeiter eine berufliche Perspektive bieten, fällt es leichter, geeignete Kandidaten für Standortwechsel oder Auslandsentsendungen zu finden. Ein zufriedener Mitarbeiter ist leistungsfähiger und trägt so zum Geschäftserfolg bei.
Zudem sinkt das Risiko eines vorzeitigen Abbruchs des Auslandsaufenthaltes oder einer Kündigung. So entfallen auch die Folgekosten, die mit einer Neubesetzung der Stelle verbunden wären.
4. Sie fördern das Familienleben
Mit der Unterstützung von Dual Career Paaren leisten Unternehmen einen bedeutenden Beitrag zu einer familienorientierten Personalpolitik. Sie erleichtern die Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Interessen und schaffen so eine wichtige Voraussetzung, um Fachkräfte langfristig zu binden.
5. Ihre Mitarbeiter gehen motivierter ans Werk
Durch ein Engagement im Bereich Dual Career bringen Unternehmen ihren Bewerbern und Mitarbeitern Wertschätzung entgegen. Sie signalisieren damit, dass ihnen die Doppelkarriere-Problematik bewusst ist und nicht als rein privates Problem behandelt wird. Das kommt auch dem Unternehmensimage zugute.
14 Tipps zur Umsetzung von Dual Career Maßnahmen
Im nationalen und internationalen Wettbewerb um qualifiziertes Personal benötigt Ihr Unternehmen ein ganzheitliches Konzept, um den differenzierten Anforderungen von Doppelkarrierepaaren gerecht werden und sich als attraktiver Arbeitgeber positionieren zu können.
Je nach Struktur, Größe, Standort und Ressourcenbestand Ihres Unternehmens sowie der konkreten Zielsetzung der Doppelkarriere-Förderung sind unterschiedliche Ausgestaltungsformen denkbar.
Die folgenden Hinweise liefern Ihnen wertvolle Anregungen und zeigen, wie ein Engagement im Bereich Dual Career erfolgreich gelingt:
1. Maßnahmen in unternehmensinterne Prozesse integrieren
Ziel der Unterstützung einer bestimmten Gruppe von Arbeitnehmern ist es, deren Bedürfnisse und Interessen mit den Unternehmenszielen in Einklang zu bringen. Damit dies gelingt, müssen Sie sichergehen, dass die erarbeitete Strategie von der Führungsebene getragen wird.
2. Für Akzeptanz sorgen
Voraussetzung für eine erfolgreiche Förderung ist zudem die Wahrnehmung und Akzeptanz von Dual Career Couples als eine besondere Gruppe von Mitarbeitern. Nur wenn Sie allen Unternehmensvertretern das Potenzial dieser Paare bewusst machen, können Sie sie zu Investitionen in das Konzept motivieren.
3. Legen Sie Zielgruppen fest
Vergessen Sie nicht, eine genaue Definition der Zielgruppe vorzunehmen. Soll ein Doppelkarriere-Management nur für bestimmte Positionen, für Akademiker allgemein oder für sämtliche Qualifikationsstufen im Unternehmen erfolgen?
4. Machen Sie auf Ihre Angebote aufmerksam
Neben der internen Kommunikation ist eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit gefordert. Auf der Karriere-Seite des Unternehmens oder im Vorstellungsgespräch sollten Sie explizit auf Ihr Engagement für Dual Career Couples aufmerksam machen. Es empfiehlt sich, für Bewerber aus dem Ausland auch Informationen in englischer Sprache bereitzuhalten.
5. Bestimmen Sie feste Ansprechpartner
Es ist nicht erforderlich, eine eigene Stelle für das Dual Career Management einzurichten. Dieses Aufgabenfeld kann von einem Personalreferenten mitbetreut werden. Wichtig ist nur, dass es einen festen Ansprechpartner im Unternehmen gibt. Bei fehlenden Ressourcen empfiehlt sich die Mitgliedschaft in einem Netzwerk mit zentralem Dual Career Büro.
6. Entwickeln Sie gemeinsam Lösungen
Unterstützung ist nur da zu leisten, wo sie gewünscht wird. Erfragen Sie die Vorstellungen und Bedürfnisse der Dual Career Paare und entwickeln sie gemeinsam mit ihnen adäquate Lösungen.
7. Helfen Sie bei sozialen Angelegenheiten
Leisten Sie auch Unterstützung über berufliche Fragen hinaus. So ersparen Sie einem neuen Mitarbeiter viel organisatorischen Aufwand und ermöglichen ihm einen schnelleren Einstieg in den Job.
Hier empfiehlt sich die Erstellung einer Liste mit Kontaktadressen von Behörden und Beratungsstellen sowie mit Informationen zum lokalen Wohnungsmarkt, zu Kinderbetreuungsrichtungen und Schulen oder zum kulturellen Angebot der Region.
8. Geben Sie keine leeren Versprechungen
Um Enttäuschungen vorzubeugen, sollten Sie frühzeitig darauf aufmerksam machen, dass gerade in den Bemühungen um eine berufliche Integration ein hohes Maß an Eigeninitiative erforderlich ist. Der Dual Career Service ihres Unternehmens kann bei der Jobsuche Hilfestellung leisten, jedoch keine Erfolgsgarantie geben.
9. Ermöglichen Sie verschiedene Karrierewege
In ein ganzheitliches Konzept zur Förderung von Doppelkarrieren sollten neben der klassischen Führungskarriere auch alternative Laufbahnmodelle eingeschlossen sein. Hierzu zählen etwa Tätigkeiten in Projekt- und Funktionsgruppen oder als Referenten und Experten. Aufgrund ihrer horizontalen Entwicklungsmöglichkeiten bieten diese Karrieren mehr Flexibilität für die notwendige Abstimmung in Dual Career Beziehungen.
10. Beugen Sie Vetternwirtschaft vor
Die Förderung von Doppelkarriere-Paaren wird oft mit Nepotismus (Vetternwirtschaft) assoziiert. Bei passender Qualifikation werden Sie sicher zunächst die Einsatzmöglichkeiten des Dual Career Partners im eigenen Unternehmen prüfen. Stellen Sie dabei stets sicher, dass Sie in der Stellenbesetzung nach dem Prinzip der Bestenauslese verfahren.
11. Lassen Sie den Partner bei Auslandsentsendungen nicht außen vor
Wenn Sie einen hochqualifizierten Mitarbeiter ins Ausland entsenden, sollten Sie den Partner in Vorgespräche und in vorbereitende Maßnahmen einbinden, z. B. Sprachkurse, interkulturelle Trainings oder Look-and-See-Trips.
Holen Sie Informationen zur Bewerbungskultur und zum Arbeitsmarkt im Zielland ein. Stellen Sie gegebenenfalls Kontakt zu Partnerunternehmen oder der Außenhandelskammer her. Vernetzen Sie das Paar mit Mitarbeitern, die bereits vor Ort sind. Hier bieten sich Patenschaftsmodelle an.
12. Schauen Sie sich auch im Ausland um
Bemühen Sie sich umgekehrt auch um die Integration von Dual Career Couples aus dem Ausland. Unterstützen Sie den Partner Ihres neuen Mitarbeiters bei der Erstellung von Bewerbungsunterlagen, die deutschen Standards entsprechen.
Ermöglichen Sie ihm die Teilnahme an Sprachkursen und interkulturellen Trainings. Leisten Sie auch Unterstützung in bürokratischen Angelegenheiten, etwa bei der Stellung von Visaanträgen.
13. Stellen Sie Kontakte über Netzwerke her
In einem regionalen Netzwerk mit lokalen Hochschulen, Industrie- und Handelskammern, Wirtschaftsförderungen, dem Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit sowie dem Lokalen Bündnis für Familie können Sie sich mit anderen Mitgliedern über Ihre Erfahrungen austauschen.
Zudem finden Sie ein breites Angebot an Branchen und erhöhen damit die Chance, passende Stellen für die Partner Ihrer Mitarbeiter zu finden. Umgekehrt bietet Ihnen das Netzwerk Kontakt zu interessanten Kandidaten.
Ein weiterer Vorteil der Netzwerkarbeit liegt in der Nutzung von Synergie-Effekten: Webseite, Dual Career Büro, Informationsmaterial, Stellenportal – alles wird gemeinsam erstellt und verwendet.
14. Beachten Sie den Datenschutz
Gehen Sie vertraulich mit den personenbezogene Daten und den Bewerbungsunterlagen der Dual Career Partner um. Nur nach Rücksprache dürfen Sie diese in eine Datenbank eingeben oder an Netzwerkpartner weiterleiten.
Fazit:
Ob die angebotenen Maßnahmen wirklich hilfreich und förderlich sind, können am besten die Teilnehmer beurteilen. Entwickeln Sie Ideen, wie Feedback eingeholt werden kann.
Rückmeldungen aus individuellen Beratungsgesprächen oder speziellen Fragebögen können Anregungen liefern, wie die Unterstützungsangebote Ihres Unternehmens noch besser auf die Bedürfnisse von Doppelkarriere-Paaren abgestimmt werden können.
Quellen
Literatur
Selma Kölbl: Entwicklung eines Konzepts für das Management hoch qualifizierter Humanressourcen am Beispiel der Dual Career Couples, Kassel Univ. Diss. 2008.
Internetquellen
- Paarweise gewinnen. Dual Career Service als Recruitinginstrument via Forschung & Lehre
- Dual Career via Uni Stuttgart
- Karriere im Duett. Mehr Chancen für Forscherpaare via DFG
- Führungskraft in Teilzeit via Süddeutsche