Ob das deutsche Strafrecht in Fällen mit Auslandsbezug angewendet werden kann, ergibt sich aus §§ 3 – 7 StGB und § 9 StGB. Diese gehen davon aus, dass deutsche Gerichte stets auch deutsches Recht anwenden. Anerkannt ist, dass es eines legitimierenden Anknüpfungspunktes bedarf, wenn ein Staat sein Strafrecht in Fällen mit Auslandsbezug zur Anwendung bringen will.
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Es existieren einige völkerrechtlich anerkannte Anknüpfungspunkte:
1. Territorialitätsprinzip
Das weltweit vorherrschende Territorialitätsprinzip knüpft die Strafbarkeit an den Ort der Tatbegehung. Danach kommt das Recht des Staates zur Anwendung, auf dessen Boden die Tat begangen wurde. §§ 3, 9 StGB sind Ausprägungen dieses Prinzips.
Aus § 9 StGB folgt insoweit der Ubiquitätsgrundsatz:
- Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat, im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist bzw. nach der Vorstellung des Täters eintreten sollte.
- Die Teilnahme ist sowohl an dem Ort begangen, an dem die Tat begangen ist, als auch an jedem Ort, an dem der Teilnehmer gehandelt hat, im Falle des Unterlassens hätte handeln müssen oder an dem nach seiner Vorstellung die Tat begangen werden sollte. Hat der Teilnehmer an einer Auslandstat im Inland gehandelt, so gilt für die Teilnahme das deutsche Strafrecht, auch wenn die Tat nach dem Recht des Tatorts nicht mit einer Strafe belegt ist.
2. Flaggenprinzip
Verwandt mit dem Territorialitätsprinzip ist das Flaggenprinzip. Dieses ist für Deutschland in § 4 StGB normiert:
Das deutsche Strafrecht gilt, unabhängig vom Recht des Tatorts, für Taten, die auf einem Schiff oder in einem Luftfahrzeug begangen werden, das berechtigt ist, die Bundesflagge oder das Staatszugehörigkeitszeichen der Bundesrepublik Deutschland zu führen.
3. Aktives Personalitätsprinzip
Nach dem aktiven Personalitätsprinzip unterfallen häufig auch die Taten der Bürger eines Staates seiner Staatsgewalt, wenn diese im Ausland straffällig werden. Dies wird begründet mit der Bindung des Bürgers an den heimischen Staat und der Personalhoheit des Staates über den Bürger.
Dieses Prinzip findet sich in Deutschland nur eingeschränkt in § 5 StGB. Auch gilt es gem. § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB.
§ 7 StGB schränkt die Reichweite des deutschen Strafrechts jedoch dahingehend ein, dass die Tat am Tatort mit Strafe bedroht sein muss oder es sich um ein sog. Niemandsland handelt.
4. Schutzprinzip
Nach dem Schutzprinzip soll das inländische Strafrecht auch für im Ausland begangene Taten gelten, welche inländische Rechtsgüter gefährden oder verletzen.
Dabei besagt das speziellere Staatsschutzprinzip, dass ein Recht des Staates auf Selbstverteidigung besteht, wenn Taten vorliegen, die sich gegen seine existentiellen Interessen richten. Es findet seine Ausprägung in § 5 Nr. 1 – 5 und Nr. 10 – 14a StGB.
Dem ebenso speziellen passiven Personalitätsprinzip lässt sich entnehmen, dass der Staat sein Strafrecht auch auf Handlungen ausweiten darf, welche sich gegen seine Bürger richten. Dieses gilt speziell in Fällen des § 5 Nr. 6 – 8a StGB und allgemein gem. § 7 Abs. 1 StGB.
5. Weltrechtsgrundsatz
Durch den Weltrechtsgrundsatz werden Taten bestraft, welche sich gegen Rechtsgüter und Kulturwerte richten, deren Schutz im Interesse aller Staaten steht. Hierzu sieht § 6 StGB einige Regelungen vor. Die Strafbarkeit von Völkerstraftaten folgt gem. § 1 VStGB dem Weltrechtsgrundsatz.
6. Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege
Gemäß dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege kann ein Staat seine Strafgewalt ausweiten, wenn ein anderer Staat seinen Strafanspruch nicht durchsetzen kann. Eine Ausprägung dieses Grundsatzes stellt § 7 Abs. 2 Nr. 2 StGB dar.
Auch die Neubürgerklausel des § 7 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB entspringt dem Grundsatz der stellvertretenden Strafrechtspflege.
7. Sonstiges
Bei einer Einschlägigkeit von § 7 StGB ist zu beachten, dass eine vollständige rechtliche Übereinstimmung insoweit nicht notwendig ist. Es genügt bereits, wenn die Tat auf irgendeine Art und Weise mit einer Strafe belegt ist. Reine Ordnungswidrigkeiten sind jedoch nicht gleichzusetzen und fallen aus dem Anwendungsbereich hinaus.
Rechtfertigungs- und Entschuldigungsgründe des ausländischen Rechts können grundsätzlich angewendet werden.
Sollte der Auslandsbezug bejaht werden, ist zu beachten, dass manche Normen eine tatbestandsimmanente Inlandsbeschränkung enthalten, wie § 170 Abs. 1 StGB.
Zu beachten sind zudem das Völkerstrafrecht und die EMRK.
Quellen
- Murmann, Uwe: Grundkurs Strafrecht, 2. Auflage 2013.
- Wessels, Johannes / Beulke, Werner / Satzger, Helmut: Strafrecht Allgemeiner Teil, 44. Auflage 2014.