I. Allgemeines zum Bundesrat
Die Willensbildung des Bundes ist auch Aufgabe der Länder, die über den Bundesrat Einfluss ausüben. Dies ist insofern sinnvoll, als Bundesgesetze auch von der Ministerialbürokratie der Länder umgesetzt werden müssen.
Über die Länderkammer besteht, systematisch betrachtet, für die Länder die einzige Möglichkeit die Gesetzgebung zu ändern. Gleichwohl ist der Bundesrat im Vergleich zum Bundestag das schwächere Organ. Durch den Bundesrat wirken die Länder zwar bei der Gesetzgebung und der Verwaltung des Bundes mit. Seine Rechte sind jedoch auf Kontrolle und Korrektur, anstatt auf Gesetzesinitiative ausgelegt. So besteht seine Hauptaufgabe darin, spezifische Aspekte und Länderinteressen in die Willensbildung des Bundes einzubringen.
Der Bundesrat als Vertretungsorgan der Länder auf Bundesebene stellt mithin das föderative System des Bundes dar.
Andererseits ist der Bundesrat auch ein Gegenspieler von Parlament und Regierung. Die Opposition kann den Bundestag als Instrument gegen die Parlamentsmehrheit, die die Regierung stellt, einsetzen. Tut sie das, so muss im Falle der Gesetzesblockade der Bundesrat auch die Verantwortung im politischen Prozess übernehmen. Die Opposition im Parlament hingegen hat den Vorteil die Gesetzesinitiative der Regierung zwar scharf zu kritisieren, sich jedoch auch leicht aus der Verantwortung stehlen zu können.
Er ist jedoch kein Organ der Länder, sondern Verfassungsorgan des Bundes. Folglich ist der Bundesrat kein formales Staatsorgan, sondern von parteipolitischen Kalkülen durchdrungen. So sind die im Bundesrat sitzenden Mitglieder nicht nur Vertreter des jeweiligen Bundeslandes, sondern auch Parteipolitiker. Es ist offensichtlich, dass dieser Umstand den einen oder anderen Ministerpräsidenten zum Spagat zwischen Partei- und Landesinteressen zwingt.
II. Die Zusammensetzung des Bundesrates
Gemäß Art. 51 Abs. 1 GG besteht der Bundesrat aus Mitgliedern der Landesregierungen.
Der Bundesrat besteht aus Mitgliedern der Regierungen der Länder, die sie bestellen und abberufen. Sie können durch andere Mitglieder ihrer Regierungen vertreten werden.
Aus dem jeweiligen Landesverfassungsrecht geht hervor, wer zur Landesregierung gehört. Für Berlin, Hamburg und Bremen sind das die Bürgermeister und Senatoren, für die Länder die Ministerpräsidenten. Die Vertretung im Bundesrat ist in der Geschäftsordnung des Bundesrates wie folgt geregelt:
- Die Vertreter können bestellt und jederzeit abberufen werden.
- Gemäß § 1 GO BR ist dem Bundesratspräsidenten von der jeweiligen Landesregierung mitzuteilen, wer das Land im Bund konkret vertritt.
Natürlich wechselt die Vertretungen mit den Landesregierungen, was zu Mehrheitsverschiebungen im Bundesrat führt. Eine definierte degressive Proportionalität gewährleistet den Ausgleich zwischen egalitärer Ländergleichheit und proportionaler Bevölkerungsgleichheit. Nach Bevölkerungsgrößenklassen werden den Ländern zwischen 3 bis 6 Stimmen Gewicht im Bundesrat gegeben.
bis 2 Mio. Einwohner | 2 bis 6 Mio. Einwohner | 6 bis 7 Mio. Einwohner | über 7 Mio. Einwohner |
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Mecklenburg-Vorpommern | Berlin | Hessen | Baden-Württemberg |
Hamburg | Sachsen | Nordrhein-Westfalen | |
Bremen | Rheinland-Pfalz | Niedersachsen | |
Saarland | Sachsen-Anhalt | Bayern | |
Brandenburg | |||
Thüringen | |||
Schleswig-Holstein | |||
3 Stimmen | 4 Stimmen | 5 Stimmen | 6 Stimmen |
Die Feststellung der Bevölkerungszahl erfolgt stets nach der letzten Volkszählung (§ 27 GO BR) und bezieht auch Ausländer und Staatenlose mit ein. Die rechnerische Mehrheit der in Art. 52 Abs. 3 S.1 GG geforderten absoluten Mehrheit beträgt somit 35 von 69 möglichen Stimmen.
Beachte: Bei der Rechnung ist aber zu beachten, dass ein Land seine Stimmen nur einheitlich abgeben kann, Art. 52 Abs. 3 S.2 GG.
Wie die einheitliche Stimmabgabe zustande kommen soll, ist hingegen nicht geregelt. Dies geschieht lediglich in den Landesverfassungen, jedoch nicht in allen. Dennoch sind die einzelnen Mitglieder des Bundesrates an die Entscheidungen ihrer Landesregierungen gebunden, selbst wenn das Zustandekommen der einheitlichen Stimmabgabe nicht homogen geregelt ist.
III. Die Organe des Bundesrates
Ähnlich wie der Bundestag besteht auch der Bundesrat aus Plenum und Ausschüssen. Auch hier findet die Sacharbeit in den Ausschüssen statt, wobei hinzugefügt werden muss, dass sich die Mitglieder des Bundesrates in der Regel von Ministerialbeamten vertreten lassen, die ohnehin mehr Sachverstand einbringen können. In den 16 Ausschüssen des Bundesrates werden die Entscheidungen für das Plenum vorbereitet.
1. Die Europakammer
Die Europakammer ist ein besonderer Ausschuss, weil die Beschlüsse gleichbedeutend mit den Beschlüssen des Plenums sind. Deswegen muss in der Europakammer nach den gleichen Prinzipien abgestimmt werden wie im Plenum. Den Ausschuss gibt es erst seit 1993.
Er ist in Art. 52 Abs 3a GG verankert:
Für Angelegenheiten der Europäischen Union kann der Bundesrat eine Europakammer bilden, deren Beschlüsse als Beschlüsse des Bundesrates gelten; die Anzahl der einheitlich abzugebenden Stimmen der Länder bestimmt sich nach Artikel 51 Abs. 2.
Die Einrichtung der Europakammer wurde notwendig, um auf eilige Angelegenheiten oder EU-Verordnung angemessen und schnell reagieren zu können.
2. Ausschüsse
Die Ausschüsse verrichten die Hauptarbeit im Bundesrat, sie dienen der Beratung und Vorbereitung der Beschlüsse und sind nicht öffentlich.
3. Der Präsident
Der Präsident wird nach Art. 52 Abs. 1 GG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 GO BR für ein Jahr durch den Bundesrat gewählt.
Damit das Amt des Bundesratspräsidenten, der den Vorsitz im Rat wahrnimmt, von parteipolitischen Motiven frei bleibt, existiert jedoch eine seit 1949 geltende Abmachung, wonach stets der Ministerpräsident des nächstgrößten Bundeslandes gewählt wird.
Versuchte 1949 Adenauer noch einen eigenen Kandidaten durchsetzen, scheiterte er eben genau an dieser inoffiziellen Absprache des Bundesrates. Dieser wählte 1949 den Ministerpräsidenten des bevölkerungsreichsten Landes NRW, Karl Arnold, zum Präsidenten.
Daneben ist der Bundesratspräsident Vertreter des Bundespräsidenten und muss dessen Befugnisse im Ernstfall (z.B. bei Amtsunfähigkeit) wahrnehmen. Gemäß § 7 GO BR ist er in diesem Fall von seinen üblichen Präsidialgeschäften im Bundesrat befreit.
4. Das Präsidium
Das Präsidium besteht aus dem Präsidenten und drei Vizepräsidenten. Über innere Angelegenheiten und Probleme wird per Mehrheitsbeschluss beschieden.
IV. Aufgaben des Bundesrats
Art. 70 Abs. 1 GG:
Die Länder haben das Recht der Gesetzgebung, soweit dieses Grundgesetz nicht dem Bunde Gesetzgebungsbefugnisse verleiht. […]
Damit besteht eine originäre Länderzuständigkeit, die durch das Grundgesetz dem Bund überwiegend übertragen hat. In der Länderzuständigkeit verbleiben nur noch wenige Bereiche (zum Beispiel: Bildung, Kultur und das Polizei- und Ordnungsrecht). Der Großteil der Gesetze wird vom Deutschen Bundestag beschlossen.
Der Bundesrat hat aber daneben auch noch weitere Aufgaben und Funktionen wie das nachfolgende Schaubild aufzeigt (Im Folgenden wird nur auf die zwei elementarsten Aufgaben eingegangen):
1. Mitwirkung an der Gesetzgebung, Art. 50 GG
Die Mitwirkung am Gesetzgebungsverfahren ist die wohl wichtigste und größte Aufgabe des Bundesrates. Kein Bundesgesetz kommt zustande, ohne dass der Bundesrat damit befasst war!
Dabei wird zwischen Einspruchsgesetzen (der Bundesrat kann eine abweichende Meinung nur zum Ausdruck bringen, indem er Einspruch gegen das Gesetz einlegt. Dieser kann durch den Bundestag im Normalfall mit der einer Kanzlermehrheit überstimmt werden)
und Zustimmungsgesetzen unterschieden.
Viele Gesetze können sogar nur dann in Kraft treten, wenn der Bundesrat ihnen ausdrücklich zustimmt. Der Grundsatz geht dabei von einem Einspruchgesetz aus. Zustimmungsgesetze sind hingegen abschließend an unterschiedlichen Stellen im Grundgesetz festgelegt.
2. Initiativrecht und Entschließungen, Art. 76 Abs. 1 GG
Neben Bundestag und der Bundesregierung besteht auf für den Bundesrat ein Initiativrecht. Die Gesetzentwürfe werden dann zunächst der Bundesregierung zugeleitet, wo innerhalb von – regelmäßig – sechs Wochen eine Stellungnahme abzugeben ist. Danach ist der Gesetzentwurf an den Bundestag weiterzuleiten.
Als Ergänzung gibt es auch das parlamentarische Mittel der Entschließung (Ersuchen, an die Bundesregierung, um auf Probleme aufmerksam zu machen). Der Bundesrates vermittelt dazu seine Aufassung zu einem Thema oder Gesetzgebungsverfahren. Entschließungen sind rechtlich nicht verbindlich.
3. Mitwirkung in der Judikative
Die Mitwirkung in der Judikative ist beschränkt auf die Wahl der Hälfte der Richter des Bundesverfassungsgerichts und das Anrufungsrecht des Bundesverfassungsgerichts.
4. Mitwirkung in der Exekutive
Von besonderer Bedeutung in der Mitwirkung der Exekutive ist hervorzuheben, dass die Zustimmung zu den meisten Verordnungen erforderlich ist, Art. 80 Abs. 2 GG. Ebenso wie die Zustimmung zu Verwaltungsvorschriften in den Fällen der Art. 84 Abs. 2 und Art. 85 Abs. 2 GG. Weitere Zustimmungsrechte finden sich wie folgt:
- Zustimmung bei bestimmten Maßnahmen der Bundesaufsicht beim Vollzug von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit der Länder, Art. 84 Abs. 3 GG
- Zustimmung bei der Errichtung bundeseigener Mittel- und Unterbehörden, Art. 87 Abs. 3 GG
- Zustimmung bei Maßnahmen des Bundeszwangs, Art. 37 Abs. 1 GG
- Zustimmung/Bejahung des Verteidigungsfalls, Art. 115a Abs. 1 GG
V. Bundesrat und Bundestag im Vergleich
Bundesrat | Bundestag |
---|---|
Bestellung erfolgt durch die Landesregierungen (§ 1 GO BR) | gewählt durch das Volk |
Legitimation ist vermittelt | unmittelbar demokratische Legitimation |
unbestimmte Amtszeit, Mitglieder wechseln zu unterschiedlichen Zeitpunkten | Amtszeit ist auf 4 Jahre begrenzt |
Weisungsgebundenheit | freies Abgeordnetenmandat |
Mitglieder können sich vertreten lassen (Art. 51 Abs. 1 S.2 GG) | kein Vertretungsrecht |
können sich auf die Rechte der Landesminister berufen | Indemnität und Immunität |
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