Die gesetzlichen Vorschriften zur Bürgschaft finden sich vorwiegend in §§ 765 ff. BGB.
Gem. § 765 Abs. 1 BGB verpflichtet sich der Bürge durch die Bürgschaft dazu, gegenüber dem Gläubiger eines Dritten mit seinem gesamten Vermögen einzustehen. Die Bürgschaft kommt daher im Regelfall bei Kreditgeschäften vor.
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Weshalb sich der Bürge auf eine Bürgschaft einlässt, kann viele Gründe haben: So kann etwa emotionale Verbundenheit mit dem Schuldner vorliegen oder die Bürgschaft als Sicherungsleistung beim Kreditgeschäft verwendet werden.
I. Ausgestaltung der Bürgschaft
Die Beteiligten beim Bürgschaftsvertrag sind Gläubiger, Hauptschuldner und Bürge. Es handelt es sich somit stets um ein Mehrpersonenverhältnis.
Die Wirksamkeitsvoraussetzungen sind folglich:
- ein Bürgschaftsvertrag zwischen Bürge und Gläubiger
- eine zugrunde liegende Hauptforderung zwischen Gläubiger und Hauptschuldner
Gegeben sind zudem meist (aber nicht konstitutiv) eine Sicherungsabrede zwischen Gläubiger und Schuldner, sowie ein Rechtsverhältnis zwischen Hauptschuldner und Bürge, aufgrund dessen der Bürge die Bürgschaft eingeht, wie etwa ein Auftrag (§§ 662 ff. BGB) oder eine Schenkung (§ 516 BGB).
Der Bürgschaftsvertrag muss zwingend zwischen dem Bürgen und dem Gläubiger bestehen.
Ein Vertreterhandeln i.S.d. §§ 164 ff. BGB ist nicht ausgeschlossen.
Die essentialia negotii des Bürgschaftsvertrages umfassen die inhaltliche Bestimmung der zu sichernden Hauptforderung, die Feststellung des Bürgen und des Hauptschuldners sowie die Erklärung des Bürgen, für die Erfüllung der Schuld des Hauptschuldners einzustehen.
Es gibt viele Sonderformen der Bürgschaft, etwa Ausfallbürgschaft, Teilbürgschaft, Höchstbetragsbürgschaft, Mitbürgschaft, Nachbürgschaft, Rückbürgschaft oder Zeitbürgschaft. Viele dieser Formen sind in den §§ 765 ff. BGB geregelt, andere stehenden Vertragsschließenden vertraglich durch die Privatautonomie offen.
II. Nichtigkeit nach § 138 BGB
Die Bürgschaft stellt ein Rechtsgeschäft dar, welches wegen Sittenwidrigkeit gem. § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein kann. Dies ist etwa der Fall wenn ein krasses Missverhältnis zwischen der Leistungsfähigkeit des Bürgen und seiner Verpflichtung besteht oder dieser ein finanziell schlecht gestellter Angehöriger des Hauptschuldners ist.
Es genügt jedoch nicht, wenn der Bürge an sich „arm“ ist und die Bürgschaftsforderung seine wirtschaftliche Leistungskraft übersteigt. Nur in Ausnahmefällen ist die Bürgschaft sittenwidrig.
III. Form der Bürgschaftserklärung
Gem. § 766 BGB hat die Bürgschaftserklärung durch den Bürgen in schriftlicher Form (§ 126 BGB) zu erfolgen. Dies dient vor allem dem Schutz des Bürgen vor Übereilung, da die Bürgschaft ein Rechtsgeschäft mit schweren Folgen ist. § 167 Abs. 2 BGB muss insofern bei Vertreterhandeln teleologisch reduziert werden: Es bedarf der schriftlichen Vollmachtserteilung.
Bei Nichteinhaltung der Form ist nach § 125 BGB die Bürgschaftserklärung grundsätzlich nichtig. Gem. § 766 S. 3 BGB ist jedoch Heilung möglich. Auch gilt die Form bei Handelsgeschäften gem. § 350 HGB nicht.
IV. Das Akzessorietätsprinzip
Die Verbindlichkeit des Bürgen hängt mit der Hauptschuld des Schuldners zusammen, § 767 Abs. 1 BGB. Dies wird Akzessorietätsprinzip genannt. Sollte also die Hauptschuld wegfallen, gilt dies ebenso für die Bürgschaft.
Umstritten ist, ob die Bürgschaft auch bei Nichtigkeit der Hauptforderung entfällt oder ob der an die Stelle der Hauptschuld tretende Bereicherungsanspruch ebenso durch die Bürgschaft gesichert ist. Eine solche Fallkonstellation wäre etwa bei Nichtigkeit der Hauptforderung gem. § 138 BGB bei einem Wucherdarlehen gegeben. Die herrschende Ansicht stellt auf die subjektiven Vorstellungen des Bürgen ab.
V. Verteidigungsmöglichkeiten des Bürgen
Der Bürge hat zahlreiche Möglichkeiten, einer Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu entgehen:
Der Bürge kann eigene Einwendungen und Einreden gegen den Gläubiger geltend machen. Solche sog. „bürgenbezogene Einwendungen und Einreden“ sind etwa Formnichtigkeit oder Anfechtung.
Der Bürge kann aufgrund des Akzessorietätsprinzips aber auch sämtliche Einwendungen geltend machen, die für das Hauptschuldverhältnis gelten (sog. „schuldnerbezogene Einwendungen“).
Aus § 768 BGB ergibt sich, dass der Bürge nicht nur die Einwendungen, sondern auch die möglichen Einreden des Hauptschuldners geltend machen kann („schuldnerbezogene Einreden“). Klassische Beispiele sind ein Zurückbehaltungsrecht des Schuldners nach § 273 BGB, die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung oder die Verjährungseinrede nach §§ 768, 214 BGB.
Gestaltungsrechte des Hauptschuldners sind erstaunlicherweise auch durch den Bürgen vorzubringen. Denn aus § 770 Abs. 1 BGB ergibt sich, dass der Bürge das Gestaltungsrecht der Anfechtung für den Hauptschuldner nutzen kann. Daraus schließt die herrschende Meinung, dass dies auch für sämtliche Gestaltungsrechte, wie etwa den Rücktritt, gelte.
Gem. § 770 Abs. 2 BGB kann der Bürge auch die Einrede der Aufrechenbarkeit des Hauptschuldners gegenüber dem Gläubiger geltend machen.
Die wohl wichtigste Möglichkeit des Bürgen, einen Rückgriff auf ihn abzuwehren, ist jedoch die Einrede der Vorausklage aus § 771 BGB. Danach hat der Gläubiger zuerst einen Zwangsvollsteckungsversuch beim Hauptschuldner vorzunehmen, bevor er sich an den Gläubiger wendet.
Allerdings ist die Einrede der Vorausklage in der Praxis bedeutungslos, da der Gläubiger nahezu immer eine „selbstschuldnerische Bürgschaft“ fordert. Dies bedeutet, dass der Bürge gem. § 773 Abs. 1 Nr. 1 BGB bei Vertragsschluss auf die Einrede der Vorausklage verzichtet.
VI. Regress beim Hauptschuldner
Selbstverständlich hat der Bürge, nachdem er seine Leistung erbracht hat, einen Regressanspruch gegen den Hauptschuldner.
Dieser kann sich etwa aus dem Innenverhältnis ergeben (z.B. aus einem Auftrag). Zudem ist in § 774 BGB ein gesetzlicher Forderungsübergang geregelt, nach dem der Schuldner nach Leistungserbringung des Bürgen an diesen zu leisten hat. Die Einwendungen des Hauptschuldners bleiben jedoch gem. § 774 Abs. 1 BGB unberührt.
VII. Problem: Blankobürgschaft
Problematisch sind Fälle, in denen der Bürge eine leere Bürgschaftserklärung unterschreibt und dem Hauptschuldner im Innenverhältnis eine Begrenzung der Höhe der Bürgschaft gibt. Aufgrund der Feststellung, dass auch die Erteilung der Vollmacht zur Eingehung einer Bürgschaft der Schriftform bedarf, ist die Bürgschaft grundsätzlich nichtig, § 125 BGB.
Der BGH nimmt allerdings an, dass wegen des Rechtsscheins i.S.v. § 172 Abs. 2 BGB der gutgläubige Gläubiger dennoch einen Anspruch gegen den Bürgen hat.