I. Allgemeines
Als betriebliche Übung gilt jedes gleichförmige Verhalten des Arbeitgebers, das regelmäßig wiederholt wird.
Sowohl die Gleichförmigkeit, als auch regelmäßige Wiederholung lässt es zu, dass Arbeitnehmer davon ausgehen dürfen, dass ihnen eine bestimmte Vergünstigung dauerhaft zukommen soll.
Beispiele für eine betriebliche Übung sind:
- Regelmäßig gezahltes Weihnachtsgeld zum gleichen Zeitpunkt und in gleicher Höhe
- Die Anwendung bestimmter Tarifverträge zu Gunsten der Arbeitnehmer
- Die Gewährung von Jubiläumszuwendungen
- Die Zahlung von Essengeld- oder Fahrtkostenzuschüssen
- Die Übernahme von Fortbildungskosten
- Die Bereitstellung eines Parkplatzes
Der Grund liegt darin, dass nach Auffassung des BAG durch die betriebliche Übung konkludent eine vertragliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zustande kommt. Maßgeblich ist dabei wie der Erklärungsempfänger die Erklärung – unter Berücksichtigung aller Begleitumstände – verstehen durfte.
Um als Arbeitgeber eine betriebliche Übung zu vermeiden, muss lediglich darauf geachtet werden, dass das jeweilige Verhalten nicht regelmäßig stattfindet – wie Sonderzahlungen – oder nicht in gleicher Höhe bzw. nicht nach gleicher Berechnungsgrundlage.
Durch das Fehlen der Regelmäßigkeit kann nicht von einer betrieblichen Übung gesprochen werden, sodass keine Gratifikationen geschuldet sind. Ebenso ist dies möglich, wenn ansonsten die Existenz des Unternehmens des Arbeitgebers gefährdet ist.
Wenn der Arbeitnehmer sich hingegen widersprüchlich verhält, geht dies zulasten dessen.
II. Die Rechte des Arbeitnehmers
Grundsätzlich kann sich ein Arbeitnehmer auf eine betriebliche Übung berufen und dadurch eine Verbesserung seiner Arbeitsverhältnisse erreichen. Bei einer betrieblichen Übung handelt es sich somit um eine Verbesserung des Arbeitsverhältnisses zugunsten des Arbeitnehmers und damit um eine Änderung des Arbeitsvertrages.
Man darf eine betriebliche Übung daher nicht auf der Ebene einer Zusatzvereinbarung oder eines Tarifvertrages sehen, sondern auf gleicher Höhe mit Vereinbarungen aus dem Arbeitsvertrag. Das bedeutet, dass alle Ansprüche aus einer betrieblichen Übung auch Gegenstand des Arbeitsvertrages sein können.
III. Auflösung der betrieblichen Übung
1. Die gegenläufige betriebliche Übung
Die erste Idee, die den Unternehmern häufig kommt, ist eine negative betriebliche Übung. Damit ist eine betriebliche Übung gemeint, die gegenläufig zur vorherigen betrieblichen Übung ist. Früher war dies tatsächlich möglich, doch 2009 entschied das BAG in einem Urteil, dass eine betriebliche Übung nicht mehr durch eine gegenläufige betriebliche Übung aufgehoben werden kann.
Zur Erklärung gab das BAG an, dass es sich bei einem Anspruch aus einer betrieblichen Übung nicht um einen minderwertigen Anspruch handelt, sondern um einen, der den im Arbeitsvertrag geregelten Ansprüchen gleichwertig sei. Solche Ansprüche sind jedoch nur mit einer einvernehmlichen Änderungsvereinbarung oder einer Änderungskündigung zu beseitigen.
2. Die Betriebsvereinbarung
Die Beseitigung einer betrieblichen Übung durch eine Betriebsvereinbarung scheitert am Rechtsgrundsatz des Günstigkeitsprinzips. Es gilt, dass Betriebsvereinbarungen und Regelungsabsprachen nur solche Regelungen enthalten können, die im Vergleich zum Einzelarbeitsvertrag für den Arbeitnehmer günstiger sind.
Betriebsvereinbarungen und Regelungsabsprachen können dementsprechend nicht in einer für den Arbeitnehmer ungünstigen Weise vom Arbeitsvertrag abweichen. Eine betriebliche Übung jedoch ist Teil eines Einzelvertrages, auf den der Betriebsrat demnach keinerlei Einfluss hat. Seine Rechtsmacht reicht ganz einfach nicht dazu aus, Bestandteile der Einzelverträge zu ändern oder zu beseitigen.
3. Die Anfechtung wegen Irrtums
Der Gesetzgeber geht nach § 119 BGB davon aus, dass eine Willenserklärung vorliegen muss, damit die daraus entstehenden Rechtsfolgen wegen Irrtums angefochten werden können. Bei einer betrieblichen Übung fehlt es an einer solchen Willenserklärung.
Faktisch handelt es sich dabei um ein Verhalten des Arbeitgebers, durch das der Arbeitnehmer darauf Vertrauen kann, dass ihm diese Vergünstigung dauerhaft zukommen wird. Auch wenn der Arbeitgeber sich im Irrtum über die Rechtsfolgen seines Verhaltens befand, so hat er nicht seinen Willen durch sein Verhalten geäußert – bei einer betrieblichen Übung mangelt es also an einer Abgabe einer Willenserklärung.
Merke: Trotzdem kann ein Irrtum seitens des Arbeitgebers, sehr relevant sein, bei der Klärung, ob eine Leistung weiter gewährt wird, als Rechtsfolge einer betrieblichen Übung. Ein Beispiel dafür wäre der Irrtum des Arbeitgebers, dass eine bestimmte Leistung Teil des Arbeitsvertrages oder Tarifvertrages ist und er dadurch glaubt verpflichtet zu sein, diese erbringen zu müssen. Kann der Arbeitnehmer diesen Fehler erkennen, darf er nicht auf den Erhalt der Leistungsfortführung vertrauen. Dabei handelt es sich nicht um eine betriebliche Übung.
4. Der Widerruf
Normalerweise reicht ein einfacher Widerruf durch den Arbeitgeber nicht aus, um eine betriebliche Übung zu beseitigen. Vielmehr muss der Arbeitgeber eine solche Widerrufsmöglichkeit vertraglich ausdrücklich erklärt und sich vorbehalten haben.
5. Die einvernehmliche Aufhebung
Eine effektive Möglichkeit ist die einvernehmliche Aufhebung. Dabei wird von beiden Seiten – vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer – die Willenserklärung getätigt, dass man mit der Aufhebung der Rechtsfolge der betrieblichen Übung einverstanden ist. Es liegt dann ein normaler Aufhebungsvertrag vor.
6. Die Änderungskündigung
Die Kündigung von Teilen eines Arbeitsvertrages ist nicht möglich und Änderungen können nur einvernehmlich vorgenommen werden. Möchte also der Arbeitgeber Teile eines Vertrages kündigen, etwa Ansprüche aus einer betrieblichen Übung, so muss er den gesamten Vertrag kündigen.
Da er jedoch im Grunde das Arbeitsverhältnis aufrechterhalten will, kommt nur eine Änderungskündigung in Frage. Hierfür kündigt er dem Arbeitnehmer und schlägt ihm gleichzeitig vor, das Arbeitsverhältnis unter geänderten Bedingungen fortzusetzen.