I. Allgemeine Voraussetzungen des § 379 HGB
Vorrangiger Zweck des § 379 HGB ist der Schutz des Verkäufers. Insbesondere sein Interesse am Erhalt der Ware oder zumindest ihres Wertes im Falle der vertraglichen Rückabwicklung. Ihm sollen durch die Disponibilität vor Ort Aufwendungen erspart bleiben. Zudem soll verderbliche Ware schnell abgesetzt werden können.
Beachtet werden muss, dass § 379 HGB abdingbar ist. Dies ist auch durch AGB möglich. Ein vollständiger Ausschluss der Aufbewahrungspflicht verstößt allerdings gegen § 307 Abs. 2 Nr. 1 BGB.
§ 379 HGB:
(1) Ist der Kauf für beide Teile ein Handelsgeschäft, so ist der Käufer, wenn er die ihm von einem anderen Orte übersendete Ware beanstandet, verpflichtet, für ihre einstweilige Aufbewahrung zu sorgen.
(2) Er kann die Ware, wenn sie dem Verderb ausgesetzt und Gefahr im Verzug ist, unter Beobachtung der Vorschriften des § 373 verkaufen lassen.
1. Handelsgeschäft
Es muss sich bei dem Kauf für beide Teile um ein Handelsgeschäft handeln. Beide Parteien müssen also Kaufleute sein. Ist eine Partei nur Scheinkaufmann, gehen die Regelungen des § 379 HGB nur zu dessen Lasten. Etwaige Vorteile soll er nicht ziehen können.
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2. Distanzkauf
Weiterhin muss es sich um einen Distanzkauf handeln. Die Ware muss dem Käufer also von einem anderen Ort übersendet worden sein. Nach h.M. ist der Ort die Gemeinde. Ein Kauf innerhalb derselben Gemeinde stellt daher keinen Distanzkauf dar.
Die Ware muss zum Zwecke der Erfüllung des Kaufvertrags versandt worden sein. Daher fallen unbestellt gesendete Waren nicht unter § 379 HGB.
3. Inbesitznahme
Der Käufer muss die Ware in Besitz genommen haben. Hat er sie zurückgewiesen, ist eine solche Inbesitznahme ausgeschlossen. Dies gilt nicht, falls er dies unberechtigt tat. Dann treffen ihn die Folgen des Gläubiger- und Schuldnerverzuges.
4. Beanstandung
Eine Beanstandung durch den Käufer ist wesentliches Element des Tatbestandes des § 379 HGB. Er muss dem Verkäufer gegenüber zum Ausdruck gebracht haben, dass er die Ware so nicht als vertragsgemäß anerkennt und dass er sie zurückgeben will.
Diese Beanstandungserklärung kann mit der Ausübung eines Gewährleistungsrechts i.S.v. § 437 BGB zusammenfallen, muss dies aber nicht. So kann der Käufer auch später noch Gewährleistungsrechte geltend machen. Da eine Rückgabe der Ware imperativ ist, ist er allerdings verpflichtet, jene Gewährleistungsrechte geltend zu machen, die zu einem Rückgewährschuldverhältnis führen. Diese beinhalten das Rücktrittsrecht, die Nachlieferung und der Anspruch auf Schadensersatz statt der ganzen Leistung.
Zuletzt muss die Beanstandung des Käufers berechtigt sein. Dies ist der Fall, wenn ein Beanstandungsgrund vorliegt, wie etwa ein Mangel der Kaufsache. Hierzu zählen die üblichen Kaufmängel, aber auch Zuviellieferungen. Die entsprechenden Voraussetzungen müssen vorliegen.
III. Aufbewahrungspflicht nach § 379 Abs. 1 HGB
1. Inhalt und Dauer
Liegen die Voraussetzungen von § 379 HGB vor, hat der Käufer die Ware einstweilig aufzubewahren. Dies gilt im Gegensatz zu § 377 Abs. 5 HGB auch, wenn der Verkäufer arglistig ist, also etwa bewusst eine mangelhafte Sache liefert.
Die Art und Weise der Aufbewahrung muss so gestaltet sein, dass die Ware vor Verlust oder Beschädigung geschützt ist und der Verkäufer die Möglichkeit hat, die Ware wiederzuerlangen oder anderweitig über sie zu verfügen. Die Aufbewahrung kann auch durch Dritte erfolgen.
In zeitlicher Hinsicht muss die Aufbewahrung nur einstweilig erfolgen.
Definition: Einstweilig ist die Zeit, welche für ordnungsgemäße Kaufmänner gilt.
Zudem sind die tatsächlichen Umstände des Einzelfalls zu beachten.
Im Regelfall ist von einer Verwahrungspflicht von einer Woche ab Kenntnisnahme des Verkäufers auszugehen. Danach erlischt die Aufbewahrungspflicht des Käufers. Er kann insoweit die Ware auf Kosten des Verkäufers an diesen zurücksenden.
2. Nach dem Ende der Aufbewahrungspflicht
Sollte der Käufer bereits Gewährleistungsrechte geltend gemacht haben, entsteht ein Rückgewährschuldverhältnis gem. §§ 439 Abs. 4, 346 ff. BGB. Der Verkäufer ist dann zur Rücknahme verpflichtet. Er muss die Ware allerdings erst nach Ablauf der Aufbewahrungspflicht nach § 379 Abs. 1 HGB zurücknehmen. Der Käufer muss bis zur Rückgabe an den Verkäufer auch nach Ablauf der Aufbewahrungspflicht gem. § 242 BGB die Ware sorgfältig aufbewahren. Hierbei ist § 300 BGB zu beachten.
3. Aufbewahrungskosten
Die Aufbewahrungskosten kann der Käufer gem. § 354 Abs. 1 HGB gegen den Verkäufer geltend machen. Nach Ende der Aufbewahrungspflicht ist Ersatz der Kosten gem. § 304 BGB möglich.
4. Schadensersatz bei Verletzung der Aufbewahrungspflicht
Bei Zerstörung, Beschädigung oder Veräußerung der Ware (wenn nicht die Vorschriften des § 379 Abs. 2 vorliegen) ist der Käufer gem. § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet. Der Sorgfaltsmaßstab richtet sich nach § 347 Abs. 1 BGB.
Hat der Käufer durch Rechtsbehelf ein Rückgewährschuldverhältnis herbeigeführt, so haftet der Käufer bei Nichterfüllung auch gem. §§ 346 Abs. 4, 280 Abs. 1, 3, 281, 283 BGB, wenn er die Nichterfüllung zu vertreten hat.
IV. Das Notverkaufsrecht nach § 379 Abs. 2 HGB
1. Ermessen des Käufers
Um die Waren gem. § 373 Abs. 2 HGB zu verkaufen, muss diese dem Verderb ausgesetzt und Gefahr im Verzug sein. Dies ist der Fall, wenn zu erwarten ist, dass die Ware ihre objektive Brauchbarkeit in unmittelbarer Zukunft verlieren wird. Ist die Ware teilbar, gilt dies nur für den verderblichen Teil.
Das Notverkaufsrecht besteht nur während der Zeit der Aufbewahrungspflicht. Danach kommt bei Vorliegen eines Rückgewährschuldverhältnisses ein Selbsthilfeverkauf gem. §§ 383 ff. BGB in Betracht.
Ob er das Notverkaufsrecht ausübt, liegt im Ermessen des Käufers. Dies darf nicht gegen den Willen oder zum Nachteil des Verkäufers geschehen. In Ausnahmefällen kann der Käufer zum Notverkauf verpflichtet sein.
Liegen die Voraussetzungen von § 379 Abs. 2 HGB nicht vor, ist dennoch ein Notverkauf über die Regeln der Geschäftsführung ohne Auftrag gem. §§ 677 BGB denkbar.
2. Durchführung des Notverkaufs
Die Durchführung des Notverkaufs richtet sich gem. § 379 Abs. 2 HGB nach § 373 HGB.
3. Rechtsfolgen des Notverkaufs
Der Verkauf erfolgt gem. § 379 Abs. 2 i.V.m. § 373 Abs. 3 HGB auf Rechnung des Verkäufers. Der Käufer wird als Beauftragter angesehen. Daher kann er gem. § 670 BGB Ersatz seiner Aufwendungen und nach § 354 Abs. 1 HGB eine Provision verlangen.
Dem Verkäufer steht gem. § 667 BGB ein Anspruch auf Herausgabe des Verkaufserlöses zu. Die Ansprüche sind gegeneinander aufrechenbar.
Handelt es sich um einen unrechtmäßigen Notverkauf oder verletzt der Käufer dabei die Pflichten aus § 373 HGB, hat der Verkauf keine Bindungswirkung. Der Käufer haftet bei anschließender Unmöglichkeit daher auf Wert- und Schadensersatz.
Die Gewährleistungsrechte des Käufers bleiben beim Notverkauf bestehen.
Quellen
- Heidel, Thomas / Schall, Alexander (Hrsg.): Nomos-Kommentar: Handelsgesetzbuch, 2. Auflage.
- Oetker, Hartmut: Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 4. Auflage.