Art. 13 GG: Die Unverletzlichkeit der Wohnung

Art. 13 GG: Die Unverletzlichkeit der Wohnung

Die verfassungsrechtliche Sicherung der Wohnung ist in der Praxis von großer Bedeutung und erfreut sich zudem ungebrochener Brisanz in dem ersten juristischen Staatsexamen. Dabei ist immer wieder zu erkennen, dass die Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 GG kein leicht zu verstehendes Grundrecht darstellt. Hinzu treten von der Rechtsprechung aufgestellte Lehrsätze abseits der Verfassungsvorschrift, die das Grundrecht mitprägen.
unverletzlichkeit der wohnung
Lecturio Redaktion

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04.01.2024

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Inhalt

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Schema des Art. 13 GG

Folgendes Prüfungsschema gilt für die Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 GG:

I. Schutzbereich

1. Sachlicher Schutzbereich

2. Persönlicher Schutzbereich

II. Eingriff

1. Durchsuchung, Art. 13 Abs. 2 GG

2. Einsatz technischer Mittel zur Strafverfolgung, Art. 13 Abs. 3 GG

3. Einsatz technischer Mittel zur Gefahrenabwehr, Art. 13 Abs. 4 GG

4. Sonstige Eingriffe, Art. 13 Abs. 7 GG

III. Verfassungsrechtliche Rechtfertigung

1. Bestimmung der Schranke

2. Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlage

a) Formelle Verfassungsmäßigkeit

b) Materielle Verfassungsmäßigkeit

aa) Schrankenspezifische Anforderungen

bb) Verhältnismäßigkeit

cc) Ggf. sonstige Anforderungen an die materielle Verfassungsmäßigkeit

3. Verfassungsmäßigkeit des Einzelaktes

I. Schutzbereich

Der Schutzbereich von Art. 13 GG teilt sich in den sachlichen und den persönlichen Schutzbereich auf.


Schutzbereich Art. 13 GG
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1. Sachlicher Schutzbereich

a) Wohnung, Art. 13 Abs. 1 GG

Das Grundrecht aus Art. 13 GG garantiert die Immunität der Wohnung. Das Ziel der Norm ist, dem Einzelnen einen elementaren Lebensraum zu sichern, in dem man in Ruhe gelassen wird, ihm also eine Art Rückzugsraum zu bewilligen [BVerfGE 109, 279/309].

Daher ist Art. 13 Abs. 1 GG hauptsächlicher Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 GG.

Definition: Jeder Raum, den der Einzelne der allgemeinen Zugänglichkeit entzieht (Stichwort: Abschottung nach außen) und zum Ort seines privaten Lebens und Wirkens bestimmt.

Davon werden erfasst: Keller, Hotelzimmer, Wohnmobil; nicht erfasst: Auto, Gefängniszelle.

b) Betriebs- und Geschäftsräume

Hinsichtlich der Betriebs- und Geschäftsräume ist umstritten, inwieweit sie vom Schutzbereich des Art. 13 Abs. 1 GG umfasst sind.

  • Nach einer Ansicht sollen sie nur vom Schutzbereicht umfasst sein, soweit die Räume für die Öffentlichkeit nicht zugänglich.
  • Die heute herrschende Meinung vertritt, dass der Schutzbereich generell eröffnet ist, da auch Wirken und berufliche Entfaltung geschützt werden soll. Zudem lassen sich Wohnen und Arbeiten nicht immer trennen, beispielhaft hierfür ist das aktuell stark verbreitete Home Office. Allerdings soll es eine Abschwächung des grundrechtlichen Schutzes je nach Grad der Offenheit der jeweiligen Betriebs- und Geschäftsräume nach außen geben.

Davon ausgehend verstoßen Rechte zum Betreten von Betriebsräumen jedenfalls dann nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG, wenn eine besondere gesetzliche Vorschrift zum Betreten ermächtigt, dieses einem erlaubten Zweck dient und für dessen Erreichung erforderlich ist und zudem das Gesetz den Bestimmtheitsgrundsatz wahrt und auf Zeiten beschränkt ist, in denen die Räumlichkeiten üblicherweise für die betriebliche Nutzung zur Verfügung stehen

2. Persönlicher Schutzbereich

Es handelt sich um ein Jedermanns-Grundrecht und ist wesensmäßig anwendbar auf juristische Personen, Art. 19 Abs. 3 GG.

Träger des Grundrechts ist, wer direkter Besitzer der geschützten Räume ist. Auf die Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. Bedingung für den Grundrechtsschutz ist der Rechtszustand des Besitzes.

II. Eingriff

Definition: Eingriffe in die Unverletzlichkeit der Wohnung liegen in jedem körperlichen und nichtkörperlichen Eindringen in den geschützten Bereich durch die öffentliche Gewalt.

Die folgende Darstellung gibt eine Übersicht über die verschiedenen Arten von Eingriffen in Art. 13 GG:


Eingriffe Art. 13 GG
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Definition: Durchsuchen ist das ziel- und zweckgerichtete Suchen staatliche Organe, um planmäßig etwas aufzuspüren, was der Inhaber nicht von sich aus offenlegen will.

Definition: Unter sonstige Eingriffe i.S.v. Art. 13 Abs. 7 GG fällt jedes körperliche Eindringen in die geschützten Räumlichkeiten oder Maßnahmen, die dem gleichkommen.

Exkurs: Abgrenzungsproblematiken zu anderen Grundrechten

Gem. BVerfGE 42, 212 (219) ist eine Abgrenzung zu Art. 10 GG vorzunehmen. Art. 10 GG ist sachgemäß, wenn kraft technischer Mittel auf die Leitungen zugegriffen wird, wohingegen Art. 13 GG greift, wenn das Telefongespräch im Rahmen einer Wohnraumüberwachung bspw. über die Lautsprechanlage des Telefons abgehört wird.

Zudem können weitere Abgrenzungsprobleme gegenüber Art. 14 GG auftreten. Art. 14 GG gilt dabei für echte Eingriffe in die Substanz, während Zwangsbelegungen auch die „räumliche Privatsphäre“ betreffen dürfen.

III. Schranken

Die Absätze 2 bis 7 des Art. 13 GG weisen zahlreiche Einschränkungsmöglichkeiten auf:

  • Art. 13 Abs. 2 GG, „zielgerichtetes Suchen“ i.V.m. gesetzlicher Grundlage: Eine Einhaltung des Zitiergebots und des Bestimmtheitserfordernisses wird gefordert. Polizeirechtliche Generalklauseln genügen nicht. Die Durchsuchung muss grds. durch einen Richter, außer wenn Gefahr im Verzug ist, festgelegt werden.

Merke: Richterliche Durchsuchungsbeschlüsse verlieren spätestens nach Ablauf eines halben Jahres ihre rechtfertigende Kraft.

  • Art. 13 Abs. 3-5 GG, „großer Lauschangriff“: Da ein Eingriff in Art. 1 GG nicht statthaft werden kann, muss Art. 13 Abs. 3 GG verfassungskonform so ausgelegt werden, dass ein Abhören der Intimsphäre von ihm nicht belegt ist.
  • Art. 13 Abs. 7 GG, für andere Fälle als die Durchsuchungen: Für die Klausur genügt es, die Anordnung mit dem aus dem Sicherheits- und Ordungsrecht bekannten Gefahrenbegriffs zu subsumieren.
  • Ungeschriebene Grenzen: Das Grundrecht aus Art. 13 GG kann i.S.d. Zivilschutzes eingeschränkt werden, Art. 17a Abs. 2 GG.

Fallbeispiel

Infolge einer Beschwerde eines Kunden beabsichtigt die Gewerbeaufsicht der Stadt H die Betriebsräume des Gastwirtes I auf Einhaltung hygienischer Anordnungen zu prüfen. Darauf erscheint während der Mittagszeit ein Beauftragter der Stadt und mustert die Küche des I.

Ist die Besichtigung mit Art. 13 Abs. 1 GG vereinbar?

Durch die Beobachtung könnte das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 Abs. 1 GG des I verletzt sein.

I. Schutzbereich

Dazu müsste der Schutzbereich eröffnet sein. Der Schutzbereich teilt sich in den sachlichen und persönlichen Schutzbereich auf.

Da es sich um ein Jedermannsgrundrecht handelt, ist I vom persönlichen Schutzbereich umfasst.

Für die Eröffnung des sachlichen Schutzbereichs müsste zunächst eine Wohnung bestehen. Unter Wohnung sind solche Räume zu verstehen, die der allgemeinen Zugänglichkeit durch eine räumliche Abschottung entzogen sind und zur Stätte des privaten Lebens und Wirkens bestimmt sind. Art. 13 Abs. 1 GG schützt die Unverletzlichkeit der Wohnung.

Hier wurden die Betriebsräume und die Küche der Gaststätte des I betrachtet. Es ist fraglich, ob Betriebsräume überhaupt unter den Schutzbereich des Art. 13 GG subsumiert werden können.  Im Sinne der h.M. zählen jedoch auch Arbeits- Betriebs- und Geschäftsräume zur Wohnung i.S.d. Grundrechts. Die Betriebsräume und die Küche des I sind demgemäß vom Schutzbereich umfasst. Mithin ist der sachliche Schutzbereich und damit der Schutzbereich im generellen eröffnet.

II. Eingriff

Durch die Besichtigung müsste aber auch in den Schutzbereich des I eingegriffen worden sein. Grundlegend liegt ein Eingriff vor, wenn eine staatliche Stelle die Privatheit der Wohnung beeinträchtigt. Vorliegend könnte man in der Besichtigung einen Eingriff in den Schutzbereich sehen. Allerdings ist zu bedenken, dass es sich hier um Geschäfts- und Betriebsräume handelt, die durch das Grundrecht nur begrenzt gesichert werden.

Ein Eingriff in den Schutzbereich liegt nicht vor, wenn eine verfassungsmäßige Verfügung zum Betreten der Räume berechtigt.

Diese ist nach § 22 Abs. 2 GastG gegeben. Indem auch dessen Voraussetzungen erfüllt sind, ist ein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts nicht gegeben.

III. Ergebnis

Die Besichtigung verstößt nicht gegen die Unverletzlichkeit der Wohnung gem. Art. 13 Abs. 1 GG.

Tipp: Du möchtest mehr über die Unverletzlichkeit der Wohnung erfahren? Dann schau dir am besten hier unser Video zu Art. 13 GG an.

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

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Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

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Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

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Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.