Die Struktur des § 35 BauGB
§ 35 BauGB bestimmt, wann ein Vorhaben im Außenbereich bauplanungsrechtlich zulässig ist. Die oberste Intention des § 35 BauGB ist es dabei, das Bauen im Außenbereich grundsätzlich zu unterbinden [BVerwG, Urt. v. 30.06.1964 – I C 80.62].
Dennoch gibt es bestimmte Bauten, die aufgrund ihrer Art, Größe und Immissionen nicht im Innenbereich errichtet werden können, beispielsweise ein Schlachthof oder Windenergieanlagen. § 35 BauGB bestimmt deshalb, wann ein Vorhaben (ausnahmsweise) im Außenbereich errichtet werden darf.
Dabei ist zwischen § 35 Absatz 1 und Absatz 2 BauGB zu unterscheiden: Absatz 1 regelt die „privilegierten“ Vorhaben, Absatz 2 die sonstigen, „nichtprivilegierten“ Vorhaben.
Diese Unterscheidung zwischen privilegierten und sonstigen Vorhaben ist dem Umstand geschuldet, dass im Außenbereich nur ausnahmsweise gebaut werden soll. Die Frage „privilegiert oder nicht privilegiert?“ hat zentrale Auswirkungen auf die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit.
Bauplanungsrechtliche Zulässigkeit nach § 35 BauGB
1. Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB
Zunächst ist zu prüfen, ob die §§ 29 ff. BauGB und somit auch § 35 BauGB anwendbar sind.
Nach § 29 Abs. 1 BauGB ist dazu ein Vorhaben, das die Errichtung, Änderung oder Nutzungsänderung von baulichen Anlagen zum Inhalt hat, notwendig.
Definition: Eine bauliche Anlage im Sinne von § 29 Abs 1 BauGB ist eine auf Dauer mit dem Erdboden verbundene künstliche, d.h. aus Bauprodukten bestehende Anlage mit bodenrechtlicher Relevanz. (BVerwGE 44, 59 (61, 62))
Achtung: An dieser Stelle darf NICHT der weitestgehend gleichlautende bauordnungsrechtliche Anlagenbegriff aus § 2 Abs. 1 der jeweiligen LandesBauO zugrundegelegt werden! Dies ist ein schwerwiegender Fehler, da bundesrechtlichen Begriffe nicht mit Landesrecht definiert werden dürfen.
a. Vorliegen eines Bebauungsplans
In einem ersten (gedanklichen) Schritt ist dann zu fragen, ob ein Bebauungsplan besteht. Denn wenn dies der Fall ist, richtet sich die Prüfung der bauplanungsrechtlichen Zulässigkeit allein nach § 30 BauGB und damit nach den Festsetzungen des Bebauungsplans.
Die §§ 34, 35 BauGB kommen nur zur Anwendung, wenn kein bestandskräftiger Bebauungsplan existiert. Es handelt sich bei den §§ 34, 35 BauGB insoweit also um Planersatzregelungen.
b. Innenbereich oder Außenbereich
In einem nächsten Schritt sind § 34 BauGB und § 35 BauGB voneinander abzugrenzen, sprich es ist danach zu fragen, ob das geplante Vorhaben im Innen- oder Außenbereich liegt.
Der Außenbereich wird negativ definiert als „alles, was nicht der Innenbereich ist“.
Der Innenbereich wiederum wird definiert als „eine Bebauung, die nach Anzahl ihrer Bauten (ab ca. 6) ein gewisses Gewicht aufweist, die trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt und die Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist.“
Eine besondere Schwierigkeit bilden hier die sog. Außenbereichsinseln im Innenbereich. Davon spricht man, wenn eine vorhandene Baulücke so groß ist, dass die vorhandene Bebauung keinen prägenden Charakter mehr auf die unbebauten Grundstücke hat. In einem solchen Fall richtet sich die Zulässigkeit nach § 35 BauGB.
Tipp: Für Ausführungen zur Zulässigkeit von Bauvorhaben im Innenbereich, § 34 BauGB lese diesen Artikel!
2. Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 BauGB (privilegierte Vorhaben)
Kommt man zu dem Ergebnis, dass § 35 BauGB einschlägig ist, so sind als nächstes die Voraussetzungen zu prüfen.
a. Privilegiertes Vorhaben
35 Abs. 1 BauGB BauGB regelt die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit von privilegierten Vorhaben. Welche Vorhaben im Außenbereich privilegiert sind, regelt § 35 Abs. 1 Nr. 1-8 BauGB. Dies sind typischerweise solche Bauten, die wegen ihrer Eigenarten nur im Außenbereich errichtet werden können, z. B. landwirtschaftliche Betriebe, Strommasten und weitere.
Tipp: Was ein „landwirtschaftlicher Betrieb“ i.S.d. § 35 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ist, wird in § 201 BauGB legaldefiniert.
b. Kein Entgegenstehen öffentlicher Belange
Dem Vorhaben dürfen schließlich öffentliche Belange nicht entgegen stehen. Hier besteht der entscheidende Unterschied zu den nichtprivilegierten Vorhaben: diese dürfen öffentliche Belange nicht beeinträchtigen, privilegierte Vorhaben dürfen öffentlichen Belangen hingegen nur nicht entgegenstehen.
Mit dieser Unterscheidung wird erneut dem Umstand Rechnung getragen, dass der Außenbereich grundsätzlich von einer Bebauung freizuhalten ist, bestimmte Vorhaben aufgrund ihrer Eigenarten aber nur im Außenbereich errichtet werden können.
Dieses Entgegenstehen bedeutet konkret allerdings keinesfalls, dass ein privilegiertes Vorhaben andere, konkurrierende Belange immer „überwiegt“. Dennoch muss eine Abwägung zwischen dem Vorhaben und den berührten öffentlichen Belangen stattfinden.
In dieser Abwägung besteht allerdings kraft der Privilegierung eine „Vorgewichtung“ zugunsten des Vorhabens. Welche öffentlichen Belange in die Abwägung einzustellen sind, ergibt sich aus § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB. Die Aufzählung öffentlicher Belange in § 35 Abs. 3 S. 1 BauGB ist jedoch nicht abschließend.
c. Gesicherte Erschließung
Schließlich muss noch die Erschließung gesichert sein. Dies ist der Fall, wenn das Baugrundstück verkehrsmäßig an das öffentliche Wegenetz angebunden ist und Versorgungs- und Entsorgungsleitungen für Elektrizität, Wasser und Abwasser verlegt werden können. Dieser Punkt spielt in Klausuren kaum jemals eine Rolle, weshalb hierzu im Gutachten ein Satz genügt.
3. Voraussetzungen des § 35 Abs. 2 BauGB (nichtprivilegierte Vorhaben)
Die Prüfung der nichtprivilegierten Vorhaben unterscheidet sich nur unweigerlich von den privilegierten: sie dürfen öffentliche Belange nicht beeinträchtigen. Mithin bestehen an diese Vorhaben also höhere Anforderungen. Zudem gibt es keinerlei Abwägung. Sobald ein Vorhaben öffentliche Belange beeinträchtigt ist es unzulässig.
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Quellen
- BVerwG, Urt. v. 30.06.1964 – I C 80.62
- Stollmann, Öffentliches Baurecht, 9.Aufl., S. 231f., S. 240f.