Grundlegendes zu § 274 StGB
§ 274 StGB enthält drei verschiedene Tatvarianten, wobei § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB Urkunden und technische Aufzeichnungen schützt. § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB betrifft hingegen beweiserhebliche Daten, während § 274 Abs. 1 Nr. 3 StGB Grenzsteine und andere zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmte Merkmale als Tatobjekte nennt.
§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB – Die Urkundenunterdrückung
§ 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB bestraft denjenigen, der eine Urkunde oder eine technische Aufzeichnung, welche ihm entweder überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehört, vernichtet, beschädigt oder unterdrückt, um einem Anderen Nachteil zuzufügen. Der Begriff der Urkunde bzw. der technischen Aufzeichnung ist dabei genauso zu verstehen wie in § 267 bzw. § 268 StGB.
I. Vorliegen einer echten Urkunde oder technischen Aufzeichnung
Den Schutz der Vorschrift genießen nur echte Urkunden oder technische Aufzeichnungen. Das ergibt sich aus dem Umstand, dass der Bestand unechter Urkunden und Aufzeichnungen nicht schutzwürdig ist. Handelt es sich dagegen um lediglich unwahre Beweisstücke, kommt eine Strafbarkeit nach § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB in Betracht.
Definition der Urkunde: Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung (Perpetuierungsfunktion), die dazu bestimmt und geeignet ist, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen (Beweisfunktion) und ihren Aussteller erkennen lässt (Garantiefunktion).
II. Die dem Täter nicht oder nicht ausschließlich gehört
Mit dem Begriff „gehören“ ist nicht das Eigentum an der Urkunde oder Aufzeichnung gemeint. Stattdessen geht es darum, dass dem Täter nicht das alleinige Beweisführungsrecht an ihr zustehen darf, damit der Tatbestand erfüllt ist. Dabei ist zu beachten, dass staatliche Ausweisdokumente ausschließlich ihrem Inhaber „gehören“.
III. Vernichten, beschädigen oder unterdrücken
Von einer Vernichtung der Urkunde oder der Aufzeichnung spricht man, wenn eine Zerstörung ihrer beweiserheblichen Substanz stattgefunden hat.
Eine Beschädigung liegt demgegenüber bei einer erheblichen Beeinträchtigung der Eignung der Urkunde oder der Aufzeichnung vor, als Beweismittel zu dienen.
Dagegen handelt es sich um eine Unterdrückung, wenn die Handlung dafür sorgt, dass das Beweismittel aufgrund einer Entziehung nicht durch den zur Beweisführung Berechtigten genutzt werden kann.
§ 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB – Die Datenunterdrückung
Gemäß § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB wird bestraft, wer beweiserhebliche Daten (§ 202a Abs. 2 StGB), über die er nicht oder nicht ausschließlich verfügen darf, in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, löscht, unterdrückt, unbrauchbar macht oder verändert.
I. Beweiserhebliche Daten
Daten gemäß § 202a Abs. 2 StGB sind nur solche, die elektronisch, magnetisch oder sonst nicht unmittelbar wahrnehmbar gespeichert sind oder übermittelt werden. Sie müssen außerdem beweiserheblich sein. Dabei ist aber zu beachten, dass sie nicht urkundengleich sein müssen, weil § 274 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht auf § 269 StGB verweist. Es muss jedoch jemand anderes ein Beweisführungsinteresse an ihnen haben, das verletzt wird.
II. Kein ausschließliches „Verfügendürfen“
Zusätzlich darf der Täter nicht die einzige Person sein, die über die beweiserheblichen Daten verfügen darf. Das „Verfügendürfen“ ist dabei genauso zu verstehen wie das „Gehören“ im Rahmen des § 274 Abs. 1 Nr. 1 StGB.
III. Löschen, unterdrücken, unbrauchbar machen oder verändern
Der Täter muss die beweiserheblichen Daten löschen, unterdrücken, unbrauchbar machen oder verändern. Die Daten sind gelöscht, wenn sie endgültig verloren sind. Hingegen sind sie bloß unterdrückt, wenn der Berechtigte keinen Zugriff auf sie hat und er sie deswegen nicht mehr verwenden kann.
Darüber hinaus macht der Täter die Daten unbrauchbar, sofern sie derart in ihrer Gebrauchsmöglichkeit eingeschränkt sind, dass ihre ordnungsgemäße Verwendung nicht mehr möglich ist und sie hierdurch ihren Zweck nicht mehr erfüllen können. Eine Veränderung der Daten liegt vor, wenn die in ihnen enthaltenen Informationen nun andere sind und ihr ursprünglicher Zweck hierdurch behindert wird.
§ 274 Abs. 1 Nr. 3 StGB – Die Grenzveränderung
Schließlich wird nach § 274 Abs. 1 Nr. 3 StGB derjenige bestraft, der einen Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmtes Merkmal in der Absicht, einem anderen Nachteil zuzufügen, wegnimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt oder fälschlich setzt.
I. Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmtes Merkmal
Ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmtes Merkmal meint dabei einen Gegenstand, der für die Beurkundung einer Grenze sowohl geeignet als auch bestimmt ist. Merkmale, die den Wasserstand bestimmen, dienen dagegen der Festlegung von Nutzungsrechten an Wasser.
II. Wegnehmen, vernichten, unkenntlich machen, verrücken oder fälschlich setzen
Der Täter muss den Grenzstein bzw. das andere Merkmal wegnehmen, vernichten, unkenntlich machen, verrücken oder fälschlich setzen. Mit Vernichten ist gemeint, dass seine Substanz aufgehoben wird. Das fälschliche Setzen erfasst den Fall, dass der Täter vorgibt, eine Sache sei tatsächlich ein Grenzmerkmal.
Der subjektive Tatbestand
Subjektiv muss der Täter bei allen drei Tatvarianten dolus eventualis bezüglich der objektiven Tatbestandsmerkmale aufweisen. Daneben muss er in der Absicht handeln, einem anderen einen Nachteil zuzufügen. Hierfür genügt dolus directus 2. Grades, also sicheres Wissen.
Tipp: Schau dir hier am besten unser Video zur Urkundenunterdrückung gem. § 274 StGB an!
Quellen
- Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Aufl., München 2014
- Kindhäuser, Urs: Strafrecht Besonderer Teil I, 6. Aufl., Baden-Baden 2014