Diarrhö in der Pädiatrie

Als Diarrhö ( Durchfall Durchfall Durchfall (Diarrhö)) bezeichnet man das Absetzen großer Mengen Stuhl, welche oft locker, flüssig oder wässrig sind und zu einem übermäßigen Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten führen. Diarrhö ist eine der häufigsten Erkrankungen bei Kindern und macht weltweit den größten Anteil an Morbidität und Mortalität in der pädiatrischen Altersgruppe aus. Die meisten Fälle sind infektiös bedingt und werden durch Rotaviren verursacht, die übrigen durch Bakterien ( Escherichia coli Escherichia coli Escherichia coli, Salmonellen Salmonellen Salmonellen) und Parasiten (Entamoeba histolytica). Die Behandlung beruht weitgehend auf der Rehydrierung; eine Antibiotikatherapie wird nur bei Bedarf eingesetzt. Sofern die Erkrankung umgehend behandelt wird, ist die Prognose sehr gut.

Aktualisiert: 16.06.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Überblick

Definition

Diarrhö ist definiert als häufige Stuhlentleerung, bei der die Stuhlkonsistenz locker oder wässrig ist.

Die Quantifizierung des Stuhlgangs ist unterschiedlich:

  • > 10 ml/kg/Tag bei Säuglingen und > 200 g/Tag bei älteren Kindern, was zu einem übermäßigen Verlust von Flüssigkeit und Elektrolyten führt
  • ≥ 3 unförmig wässrige Stuhlabgänge pro Tag (WHO-Definition)

Klassifizierung

  • Nach dem Zeitpunkt des Auftretens:
    • Akut, wenn sie ≤ 2 Wochen andauert
    • Chronisch, wenn sie länger als 2 Wochen andauert
  • Nach Ätiologie:
    • Osmotisch
    • Sekretorisch
    • Entzündlich
    • Durch Motilitätsstörung

Epidemiologie

  • Weltweit die häufigste Ursache für Morbidität und Mortalität:
    • In den Industrieländern ist die akute Diarrhö am häufigsten und geht mit einer geringeren Morbidität und Mortalität einher.
    • In Entwicklungsländern ist chronische Diarrhö häufiger und tödlicher.
  • Die häufigste Krankheit bei einem ansonsten gesunden Kindes:
    • Weltweit erkranken Kinder unter 5 Jahren durchschnittlich 2-3 Mal pro Jahr an Diarrhö.
  • Die häufigste Form ist die virale Diarrhö:

Ätiologie

Akut

Säuglinge und Kleinkinder:

Ältere Kinder:

Chronisch

Säuglinge und Kleinkinder:

Ältere Kinder:

Klassifikation

Sekretorisch

Secretory diarrhea

Pathogenese der sekretorischen Diarrhö:
Eine Überaktivierung von Ionentransportkanälen kann zu einer Sekretion von Elektrolyten und Wasser in das Darmlumen führen, was zu Durchfall führt.
Ca2+: Kalzium
CACC: Kalzium-aktivierte Chloridkanäle
cAMP: Zyklisches Adenosinmonophosphat
CFTR: Cystic fibrosis transmembrane conductance regulator
Cl-: Chlorid
K+: Kalium
Na+: Natrium
NKCC: Natrium-Kalium-Chlorid-Kotransporter

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Osmotisch

  • Mechanismus:
    • Unverdauliche Stoffe verändern den osmotischen Gradienten im GI-Trakt.
    • Anstatt Flüssigkeiten aufzunehmen, verliert die GI-Schleimhaut an Flüssigkeit.
  • Auslöser:
    • Laktase-Mangel
    • Glukose-Galaktose-Malabsorption
    • Laktulose
    • Missbrauch von Laxanzien Laxanzien Laxanzien
  • Klinische Merkmale:
    • Sistieren der Symptome bei Fasten
    • Erhöhte Werte bei H2-Atemtest bei Kohlenhydrat-Malabsorption
    • Keine Leukozyten im Stuhl
Osmotic-diarrhea

Pathogenese des Laktasemangels (eine Ätiologie der osmotischen Diarrhö):
Die Laktose wird nicht aufgespalten und verbleibt im Dünndarmlumen, zieht Wasser an und verursacht osmotische Diarrhö. Die bakterielle Gärung der Laktose führt zu Symptomen wie Blähungen, Flatulenz und abdominellen Schmerzen.

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Erhöhte Motilität

  • Mechanismus:
    • Pathologisch gesteigerte Darmmotilität
    • ↓ GI-Transitzeit
    • Die Nahrung wird nicht verdaut und schnell wieder ausgeschieden.
  • Auslöser:
  • Klinische Merkmal: Eine Infektion kann zu einer erhöhten Motilität beitragen.

Verringerte Motilität

  • Mechanismus:
    • Defekt der neuromuskulären Einheit(en)
    • Stase führt zu bakterieller Überwucherung
  • Auslöser:
  • Klinisches Merkmal: mögliche bakterielle Überwucherung

Verringerte Darmoberfläche

Mukosaschäden

Klinik

Anamnese

  • Wichtige klinische Zeichen und Symptome:
    • Fieber Fieber Fieber
    • Blut oder Schleim im Stuhl
    • Kontakt zu Nutztieren und Reptilien ( Salmonellen Salmonellen Salmonellen, E. coli) bei hämolytisch-urämischem Syndrom bei Kindern
    • Potenziell kontaminierte Lebensmittel
    • Kürzlich vorangegangene Reisen
    • Kürzlich vorangegangen Einnahme von Antibiotika
  • Wenn Virus als Auslöser:
  • Wenn Bakterien als Auslöser:
    • Hohes Fieber Fieber Fieber
    • Blutiger Stuhlgang
    • Abdominale Schmerzen
    • Eine Shigellen-Infektion kann von Krampfanfällen begleitet sein.

Körperliche Untersuchung

Tabelle: Grad der Dehydrierung Dehydrierung Volumenmangel und Dehydration bei Kindern
Mild Mäßig Schwere
Gewichtsverlust
  • < 5 % bei Säuglingen
  • < 3 % bei älteren Kindern
  • 5–10 % bei Säuglingen
  • 3–9 % bei älteren Kindern
  • > 10 % bei Säuglingen
  • > 9 % bei älteren Kindern
Trockene Schleimhaut (frühes Zeichen) +/-, sieht trocken aus +, sieht sehr trocken aus
Hautturgor (spätes Zeichen) + +/- ++/+
Eingesunkene Fontanellen + ++/+
Psychischer Zustand Normal Fatigue/Reizbarkeit Apathie/Lethargie
Enophthalmus + +
Atmung Normal Tief, kann tachypnoeisch sein Tief und tachypnoisch
Herzfrequenz Herzfrequenz Herzphysiologie Normal Erhöht Sehr hoch
Hypotonie Hypotonie Hypotonie + +
Distale Perfusion Normal
  • Extremitäten fühlen sich kalt an
  • Rekap-Zeit: 3-4 Sekunden
  • Akrozyanose
  • Rekap-Zeit: > 4 Sekunden
Urinausscheidung Leicht verringert Oligurien Oligurie Oligurie Kaliumregulation durch die Niere/ Anurie Anurie Akute Nierenschädigung

Diagnostik

Eine weitreichende Untersuchung bzw. Abklärung ist im Allgemeinen nicht erforderlich und nur bei mittelschwerer bis schwerer Dehydratation, Immunschwäche und Sepsis Sepsis Sepsis und septischer Schock sowie in chronischen Fällen indiziert.

Therapie

  • In den meisten Fällen nur supportive Maßnahmen:
    • Flüssigkeitssubstitution bei Kindern
    • Ausreichende Nahrungsaufnahme: Fördern Sie die Nahrungsaufnahme während und nach Durchfallerkrankungen.
  • Antibiotika bei:
    • Schwerer Erkrankung
    • Immunschwäche
  • Prävention:
    • Ausschließliches Stillen bis zum Alter von 6 Monaten
    • Impfungen gegen Rotavirus Rotavirus Rotavirus und Cholera in endemischen Gebieten
    • Aufklärung über:
      • Ordnungsgemäßes Waschen und Desinfizieren von Lebensmitteln
      • Angemessene Entsorgung von Lebensmittelabfällen
      • Wasser abkochen
      • Händewaschen, insbesondere nach dem Stuhlgang, und andere Hygienemaßnahmen
Flowchart-about-fluid-replacement-treatment-in-children

Flussdiagramm für die Bewertung und Behandlung von Dehydrierung je nach Schwere der Symptome
ORT: orale Ersatztherapie
PO: per os (zur Angabe der oralen Aufnahme/Verabreichung)
NG: nasogastrisch

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Differentialdiagnosen

  • Toxische Megakolon Megakolon Megakolon: angeborene nicht-obstruktive Erweiterung des Dickdarms in Verbindung mit systemischer Inflammation. Bei dem toxischen Megakolon Megakolon Megakolon verursacht die Entzündung Entzündung Entzündung der Darmschleimhaut Blähungen und Durchfall Durchfall Durchfall (Diarrhö) und erfordert oft eine Kolektomie in jungen Jahren.
  • Appendizitis Appendizitis Appendizitis: Entzündung Entzündung Entzündung und Infektion der Appendix, die Schmerzen im rechten unteren Quadranten des Abdomens und Fieber Fieber Fieber verursacht und mit Erbrechen Erbrechen Erbrechen im Kindesalter und Durchfall Durchfall Durchfall (Diarrhö) einhergehen kann. In der Pädiatrie ist die Bildgebung der Wahl für Appendizitis Appendizitis Appendizitis die Ultraschalluntersuchung und die Behandlung erfolgt durch eine Operation.
  • Mukoviszidose Mukoviszidose Mukoviszidose (Zystische Fibrose) (Zystische Fibrose): autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die durch eine Mutation im CFTR-Gen verursacht wird und mit chronischen Lungeninfektionen und Fehlfunktionen des Pankreas Pankreas Pankreas: Anatomie und Funktion einhergeht. Zusätzlich zu den pulmonalen Symptome können GI-Beschwerden wie chronische Diarrhö auftreten. In den Deutschland wird routinemäßig ein Screening durchgeführt und Kinder werden schon in jungen Jahren vorstellig.
  • Zöliakie Zöliakie Zöliakie: auch Glutensensitive Enteropathie genannt. Die Zöliakie Zöliakie Zöliakie ist durch eine Glutenunverträglichkeit gekennzeichnet, die zu wiederkehrenden Durchfällen führt. Die Diagnose durch eine Dickdarm-Biopsie ist der Goldstandard. Zusätzlich wird noch eine serologische Untersuchung auf Gewebs-Transglutaminase-Antikörpern (tTG-IgA-AK) und Endomysium-Antikörpern (EmA-IgA-AK) durchgeführt, sowie das Gesamt-IgA bestimmt. Die wichtigste Therapiemaßnahme ist das Meiden von glutenhaltigen Lebenmitteln.
  • Reizdarmsyndrom Reizdarmsyndrom Reizdarmsyndrom: chronische gastrointestinale Motilitätsstörung ohne organische Ursache, gekennzeichnet durch unregelmäßige Darmbeschwerden, Abdominalschmerzen und gastrointestinale Symptome wie Völlegefühl und Flatulenz. Die Therapie ist symptomatisch.
  • Morbus Crohn Morbus Crohn Morbus Crohn: entzündliche Darmerkrankung, die durch eine immunvermittelte Kolitis gekennzeichnet ist. Diarrhö tritt häufig bei Menschen mit entzündlichen Darmerkrankungen auf. Die Behandlung erfolgt mit immunsuppressiven Mitteln wie Steroiden.

Quellen

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