Nukleare Bildgebung

Die Nukleare Bildgebung ist eine radiologische Untersuchung unter Verwendung von Radiopharmaka, bei denen es sich um radioaktive Substanzen handelt, die von bestimmten Zelltypen aufgenommen werden. Die Nuklearmedizin befasst sich mehr mit den funktionellen und molekularen Aspekten des untersuchten Organs oder der untersuchten Pathologie und weniger mit der anatomischen Struktur. Patient*innen werden Radiopharmaka verabreicht und die in-vivo-Verteilung wird aufgezeichnet. Typische Einsatzgebiete sind die Lungenszintigrafie zur Diagnostik von Lungenembolien, die Skelettszintigrafie zur Diagnostik von Metastasen und okkulten Frakturen, die Myokardszintigrafie zur Beurteilung der Myokardperfusion und am häufigsten die Schilddrüsenszintigrafie zur Beurteilung von Knoten. Es gibt darüber hinaus noch weitere Einsatzgebiet, die aber deutlich seltener durchgeführt werden.

Aktualisiert: 21.07.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

Mit Video-Repetitorien von Lecturio kommst du sicher
durch Physikum, M2 und M3.

Terminologie und technische Aspekte

Mechanismus

  • In der Nuklearmedizin geht es eher um funktionelle als um strukturelle Bildgebung
  • Radioisotope: instabile Formen eines Elements, die detektierbare Teilchen emittieren, wenn sie in stabilere Formen zerfallen
  • Radiopharmaka (Tracer):
    • Künstlich hergestellte Isotope, die an Arzneimittel gebunden sind (Radioisotop + ein organisches Molekül)
    • Wird Patient*innen verabreicht und in der Nuklearmedizin verwendet
    • Das organische Molekül ermöglicht die Konzentration von Isotopen in einem bestimmten Zielorgan.
    • Das Radioisotop emittiert beim Zerfall nachweisbare ionisierende Strahlung (hochenergetische Strahlen), die während der Bildgebung detektiert werden.

Bildentstehung

Bildentstehungssysteme:

  • Das Gerät ist mit einer Gammakamera ausgestattet, die Strahlung erkennt und ein Bild erstellt:
    • Gammakamera ist ein Detektorsystem
    • Aktivitätsverteilung in Patient*innen wird als zweidimensionales Bild (Szinitigramm) dargestellt.
    • Statische Aufnahmen: Einzelbilder bei konstanter Aktivitätsverteilung
    • Dynamische Bildserien: Aktivitätsverteilung verändert sich während der Aufnahme
  • Komponenten der Gammakamera:
    • Kollimatoren: lässt nur Gammaquanten einer bestimmten Flugrichtung durch, besteht aus Bleisepten mit Löchern
      • Ortsauflösung und Empfindlichkeit verhalten sich gegenläufig
      • Kollimator mit hoher Ortsauflösung ist weniger empfindlich und andersherum
    • Natrium-Iodid-Kristall: strahlt schwaches Licht aus, nachdem er mit Gammastrahlen interagiert hat (Wandlung der Gammaquanten in Licht)
    • Photomultiplier: Detektieren und wandeln Licht vom Kristall in elektrische Signale um
    • Messkopfelektronik zur Datenverarbeitung: Analyse der Signale und Erzeugung von sichtbare Bilder

Bildgebende Techniken:

  • Single Photon Electron Computed Tomography-Kameras (SPECT):
    • Verwendet Gamma-emittierende Radioisotope
    • Es entsteht ein 3D-Bild durch mehrere 2D-Bilder, die unter verschiedenen Winkeln aufgenommen wurden
    • Häufig bei konventioneller nuklearmedizinischer Diagnostik
  • PET:
    • Verwendet Positronen-emittierende Radioisotope
    • Überlegene Bildqualität (Kontrast und Auflösung), aber teurer
    • Häufig als kombiniertes Bildgebungsverfahren, selten alleine
  • Kombinierte Bildgebungsverfahren:
    • Nuklearmedizinischen Systeme werden mit radiologischen Geräten kombiniert
    • CT (PET-CT oder SPECT-CT) oder MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) ist integriert
    • Verbesserte Lokalisierung von Läsionen
    • Häufig bei onkologischen Fragestellungen
SPECT CT-System

Ein SPECT/CT-System mit relevanten Komponenten, die auf dem rechten Foto gekennzeichnet sind

Bild: „NM19 290“ von Kieran Maher. Lizenz: Public Domain

Nuklearmedizinische Untersuchungen

  • Lungenperfusionsszintigrafie (Ventilations- und Perfusions-(VQ)-Scan oder Ventilations-/Perfusionsszintigrafie)
  • Knochenszintigrafie
  • Myokardperfusionsszintigrafie
  • Schilddrüsenszintigrafie (am häufigsten)
  • Seltener Einsatz:
    • Hepatobiliäre Funktionsszintigrpahien (Englisches Akronym: HIDA)
    • Nierenszintigrafie
    • Leberszintigrafie
    • Lymphszintigrafie
    • Milzszintigrafie
    • Mammaszintigrafie
    • Rezeptorszintigrafie (z. B. Detektion bei neurodegenerativen Erkrankungen)
    • Liquorraumszintigrafie
    • Tränenwegsszintigrafie
    • Speicheldrüsenszintigrafie

Hepatobiliäre Funktionsszintigrpahien

Tabelle: Interpretation der HIDA-Szintigrafie
Bildgebender Befund Interpretation
Gallengänge sichtbar Normale Leberfunktion
Füllung der Gallenblase Gallenblase Gallenblase und Gallenwege Offener Ductus zysticus
Radiotracer ist im Duodenum Duodenum Dünndarm zusehen Durchgängiger Gallengang
In der Gallenblase Gallenblase Gallenblase und Gallenwege ist kein Radiotracer zu sehen Obstruktion der Gallenblase Gallenblase Gallenblase und Gallenwege (akute Cholezystitis Cholezystitis Cholezystitis)
Im Duodenum Duodenum Dünndarm ist kein Radiotracer zu sehen Gallengangsatresie
Radiotracer außerhalb des Gallensystems Undichtigkeit des Gallengangs

Lungenperfusions-/Lungenventilationsszintigrafie (VQ-Szintigrafie)

  • Phasen:
    • Belüftungsphase:
      • Patient*innen atmen das Radiopharmakon, typischerweise Xenon-133, in Form eines Aerosols, ein (andere Option: Technetium-99m-Diethylentriaminpentaacetat (DTPA)).
      • Kleine Partikel werden dann in den Alveolen abgelagert und die Bilder werden aufgenommen.
    • Perfusionsphase:
      • Es wird ein injizierbares Radiopharmakon (Technetium-99m markierte humane albumine Aggregate (MAA)) verabreicht.
      • Technetium-99m MAA dringt in die Lungengefäße ein und es werden Bilder aufgenommen.
      • Regionale Verteilung der Partikel entspricht der relativen Perfusion der Lunge Lunge Lunge: Anatomie
  • Indikationen:
  • Kontraindikation: Allergie auf Radiotracer ( Anaphylaxie Anaphylaxie Typ-I-Allergie)
  • Normalbefund:
    • Normale Perfusion: gleichmäßige Aufnahme in die Lunge Lunge Lunge: Anatomie mit Photopeniebereichen im Bereich des Herzens und des Hilus
    • Normale Ventilation Ventilation Atemmechanik: Radiotracer wird homogen in die Lunge Lunge Lunge: Anatomie gespült, schnell ausgewaschen und zeigt kein Hinweis auf Lufteinschlüsse
    • Vor einer VQ-Untersuchung sollte eine Röntgenaufnahme des Thorax durchgeführt werden, um eine Konsolidierung auszuschließen, die ein falsch positives Ergebnis liefert.
  • Match-Befund:
    • Aktivitätsausfall an gleicher Stelle in Ventilations- und Perfusionsphase
    • Hinweis auf: pulmonale Raumforderung, Infekte, Pleuraergüsse, Folge obstruktiver oder restriktiver Lungenerkrankung, alte Lungenembolie Lungenembolie Lungenarterienembolie (LAE)
    • Verursacht durch Euler-Liljestrand-Reflex
  • Mismatch-Befund:
Tabelle: Wahrscheinlichkeit für eine Lungenembolie Lungenembolie Lungenarterienembolie (LAE) bei vorliegendem Mismatch-Befund nach den revidierten Kriterien der prospektiven Untersuchung der Pulmonary Embolism Diagnosis (PIOPED)
Kategorie Befunde
Hohe Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie Lungenembolie Lungenarterienembolie (LAE) Mehr als 2 große nicht übereinstimmende (Mismatch-Befunde) segmentale Defekte
Mittlere Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie Lungenembolie Lungenarterienembolie (LAE)
  1. 2 große, nicht übereinstimmende (Mismatch-Befunde) Segmentdefekte (grenzwertig hohe Wahrscheinlichkeit)
  2. 1 mittlerer bis 2 große segmentale Defekte oder jedes andere Muster, das schwer als hohe oder niedrige Wahrscheinlichkeit zu charakterisieren ist (echte mittlere Wahrscheinlichkeit)
  3. Einzelner Mismatch-Defekt bei Normalbefund in der Röntgenaufnahme des Thorax (grenzwertig niedrige Wahrscheinlichkeit)
Geringe Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie Lungenembolie Lungenarterienembolie (LAE)
  1. Nicht segmentale Perfusionsdefekte
  2. Jeder Perfusionsdefekt mit einem wesentlich größeren Röntgenbefund
  3. Match-Befund bei Normalbefund in der Röntgenaufnahme des Thorax
  4. Beliebige Anzahl kleiner Perfusionsdefekte bei Normalbefund in der Röntgenaufnahme des Thorax
Normalbefund Keine Match- oder Missmatch-Befunde

Knochenszintigrafie/Skelettszintigrafie

  • Das Skelettsystem kann nuklearmedizinisch beurteilt werden
    • Das verwendete Radiopharmakon wird an die Hydroxyapatitkristalle in der Knochenmatrix chemoadsorbiert; somit können Bereiche des Knochenumsatzes identifiziert werden.
    • Erhöhter Knochenumsatz wird bei Frakturen, Tumoren und akuten Infektionen beobachtet
    • Isotop: Technetium-99m
    • Radiopharmakon: Methylendiphosphonat
  • Bildgebung:
    • 4 Stunden nach der Injektion werden Bilder aufgenommen, sodass der Radiotracer vom Knochen Knochen Aufbau der Knochen aufgenommen werden kann.
    • Anteriore und posteriore Bilder
  • Indikationen:
Tabelle: Interpretation der Skelettszintigrafie
Befunde Beschreibung Genauigkeit Beispiele
Normalbefund Richtig negativ Falsch negativ
Normales Skelett Rein lytische Metastasen
Pathologisch Asymmetrische erhöhte Aufnahme Richtig positiv Falsch positiv
  • Osteoblastische Metastasen
  • Frakturen

Myokardperfusionsszintigrafie

  • Erkennt Schwankungen im Blutfluss und myokardiale Extraktion von Radiotracern
  • Materialien:
    • Isotope:
      • Technetium-99m
      • Thallium-201 (höhere Strahlenbelastung, nur noch in Ausnahmefällen)
    • Radiopharmaka:
      • Sestamibi
      • Tetrofosmin
  • Verfahren:
    • In normalen Koronararterien wird eine signifikante Arteriendilatation als Reaktion auf körperliche Anstrengung/Stress beobachtet.
    • Stenotische Bereiche zeigen keine Dilatation; daher treten Ischämie und EKG-Veränderungen auf.
    • Bei einer Herzuntersuchung ist Stress entweder:
      • Induziert durch Belastung durch Laufen auf einem Laufband
      • Pharmakologisch induziert durch Gabe von Adenosin oder Dobutamin Dobutamin Sympathomimetika bei Patient*innen, die nicht laufen können
  • Die Bildgebung wird sowohl bei Belastung als auch in Ruhe durchgeführt.
  • Radiopharmaka werden injiziert, wenn 85 % der maximal vorhergesagten Herzfrequenz Herzfrequenz Herzphysiologie (Englisches Akronym: MPHR) erreicht sind.
  • Indikationen:
  • Normalbefund in 3 verschiedenen Ebenen:
    • Die oberste Reihe jeder Serie wird unter Belastung ausgeführt.
    • Die untere Reihe jeder Serie wird in Ruhe ausgeführt.
    • Normaler Fluss zu allen Bereichen des Herzens sowohl in Ruhe als auch unter Belastung
  • Pathologischer Befund:
    • Myokardischämie: Bereiche mit Photopenie (d. h. verminderte Aufnahme) unter Belastung, die sich in Ruhe verbessern
    • Myokardinfarkt Myokardinfarkt Myokardinfarkt: anhaltende Photopenie (d. h. verminderte Aufnahme) trotz Ruhezustand

Schilddrüsenszintigrafie

Tabelle: Interpretation der Schilddrüsenszintigrafie
Aufnahme Muster Verdachtsdiagnose
Erhöht Knoten (warmer Knoten) Adenom
Diffus Morbus Basedow Morbus Basedow Morbus Basedow (Graves’ Disease)
Normal Symmetrische Aufnahme ohne Defekte
Verringert Knoten (kalte Knoten) Schilddrüsenkarzinom Schilddrüsenkarzinom Schilddrüsenkarzinom
Diffus Hashimoto-Thyreoiditis

Optionen der Bildgebungsmethoden nach Systemen

  • Bildgebung des ZNS (Gehirn, Rückenmark Rückenmark Rückenmark und Wirbelsäule Wirbelsäule Wirbelsäule):
    • Die Röntgenuntersuchung wird oft verwendet, um Frakturen der Wirbelsäule Wirbelsäule Wirbelsäule zu beurteilen.
    • Die CT ist eine gute Wahl bei Kopftraumata und zum Ausschluss einer intrakraniellen Blutung.
    • Die MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) liefert detailliertere Bilder des Gehirns und des Rückenmarks und ermöglicht die Identifizierung von Infarkten, Tumoren, Bandscheibenvorfällen und demyelinisierenden Erkrankungen.
  • Lungenradiologie Lungenradiologie Lungenradiologie und Bildgebung des Mediastinums:
    • Das Röntgen Röntgen Röntgen ist die bevorzugte initiale bildgebende Untersuchung zur Untersuchung der Lungenpathologie.
    • Die CT bietet detailliertere Ansichten des Lungenparenchyms, der mediastinalen Strukturen und des Gefäßsystems.
    • Die MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) wird nicht oft verwendet, kann aber zur Beurteilung von Malignomen und Herzerkrankungen eingesetzt werden.
    • Die Ultraschalluntersuchung kann zur schnellen Beurteilung von Traumata am Krankenbett und zur Führung von Verfahren wie der Thorakozentese Thorakozentese Invasive Verfahren am Thorax verwendet werden.
  • Bildgebung der Mamma:
    • Die Mammografie ist oft die erste Wahl für die Brustkrebsvorsorge (Mammografie-Sceening zwischen 50 und 69).
    • Die MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) kann zur genaueren Diagnostik eingesetzt werden.
    • Die Ultraschalluntersuchung ist hilfreich bei der Beurteilung von Lymphknoten Lymphknoten Lymphsystem und bei der Biopsie (unter beste Methode zur Diagnostik bei Frauen < 40 Jahren).
  • Bildgebung des Abdomens und der Nieren Nieren Niere:
    • Das Röntgen Röntgen Röntgen wird häufig verwendet, um Nierensteine, Darmverschluss und Pneumoperitoneum zu untersuchen. Darüber hinaus kann Barium zur Beurteilung der Schluck- und Darmfunktion verwendet werden.
    • CT und MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) ermöglichen detailliertere Beurteilungen der Bauchorgane und des Gefäßsystems.
    • Nuklearmedizin kann zur Beurteilung der Gallenblasenfunktion und Magenentleerung sowie bei gastrointestinalen Blutungen eingesetzt werden.
    • Die Ultraschalluntersuchung kann zur orientierenden Beurteilung der Bauchorgane eingesetzt werden.
  • Bildgebung des Uterus und der Ovarien Ovarien Ovarien:
    • Die Ultraschalluntersuchung ist die am häufigsten verwendete Methode zur Beurteilung der Ovarien Ovarien Ovarien und des Uterus, einschließlich der Beurteilung von Schwangerschaften und der Ursachen von abnormalen Uterusblutungen.
    • CT und MRT MRT Magnetresonanztomographie (MRT) bieten detailliertere Ansichten und sind oft nützlich bei der Beurteilung von Zysten, Malignomen und gutartigen Raumforderungen.
  • Bildgebung des Bewegungsapparates:

Quellen

  1. Brandon, D.C., Thomas, A.J., Ravizzini, G.C. (2014). Introduction to nuclear medicine. https://accessmedicine.mhmedical.com/content.aspx?bookid=1562&sectionid=95875470
  2. Elsayes, K.M., Oldham, S.A. (Eds.) (2014). Introduction to Diagnostic Radiology. McGraw-Hill. 
  3. Chen, M.M., Whitlow, C.T. (2011). Chapter 1. Scope of Diagnostic Imaging. In Chen M.M., Pope T.L., Ott D.J.(Eds.). Basic Radiology, 2e. McGraw-Hill.
  4. Kahl-Scholz, M., Vockelmann, C. (2017). Basiswissen Radiologie. Nuklearmedizin und Strahlentherapie. Berlin: Springer Verlag.