Hepatitis-D-Virus

Das Hepatitis-D-Virus (HDV) ist ein kleines, behülltes, einzelsträngiges RNA-Virus. Das Hepatitis-D-Virus gilt als Satellitenvirus, da es für seine Bildung und Sekretion das Vorhandensein des Hepatitis-B-Virus Hepatitis-B-Virus Hepatitis-B-Virus (HBV) benötigt. Damit eine Person an Hepatitis-D erkranken kann, ist daher eine Koinfektion oder Superinfektion mit HBV erforderlich. Wie HBV wird auch HDV parenteral, durch ungeschützten Geschlechtsverkehr oder perinatal übertragen. Das klinische Bild entspricht dem einer klassischen Virushepatitis, einschließlich der Koinfektion mit HDV und HBV, die aufgrund der hohen Mortalitätsrate als die schwerste Form der Hepatitis gilt. Bei akuten Hepatitiden erfolgt eine symptomatische Behandlung, während bei chronischen Hepatitiden Peginterferon alfa-2a erforderlich ist. Die Hepatitis-B sollte mit den hierfür vorgesehenen Medikamenten behandelt werden. Bei Dekompensation kann eine Lebertransplantation nötig sein.

Aktualisiert: 23.06.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Klassifikation

RNA-Viren Flussdiagramm Klassifizierung

Klassifikation von RNA-Viren:
Viren können auf viele Arten klassifiziert werden. Die meisten Viren haben ein Genom, das entweder aus DNA oder RNA besteht. RNA-Viren können außerdem durch eine einzel- oder doppelsträngige RNA gekennzeichnet sein. Behüllte Viren sind von einer dünnen Hülle aus Zellmembran bedeckt (die in der Regel von der Wirtszelle stammt). Fehlt die Hülle, werden die Viren als unbehüllte Viren bezeichnet. Viren mit einzelsträngigen Genomen haben eine +-Polarität (“sense”), wenn das Genom direkt als Messenger-RNA (mRNA) verwendet wird, die wiederum in Proteine übersetzt wird. Einzelsträngige Viren mit – –Polarität (“antisense”) verwenden die RNA-abhängige RNA-Polymerase, ein virales Enzym, um ihr Genom in Messenger-RNA umzuschreiben.

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Allgemeine Merkmale

Aufbau

  • Familie: Kolmioviridae, Gattung: Deltavirus
  • Einzelsträngige zirkuläre RNA RNA Die Ribonukleinsäure – Aufbau, Struktur und verschiedene Arten von RNA (ssRNA)
  • Negative Polarität (“antisense”)
  • Klein (ca. 36 nm im Durchmesser)
  • Unvollständiges Viruspartikel → ähnelt einem Viroid
  • Hülle enthält Hepatitis-B-Surfaceantigen (HbsAg)
  • Es sind 8 Genotypen des Hepatitis-D-Virus (HDV) bekannt, wobei Typ I vor allem in der westlichen Welt und Deutschland vorkommt.

Eigenschaften

  • Verursacht akute oder chronische Hepatitis
  • Unterschied zum klassischen Satellitenvirus: HDV hat keine Sequenzähnlichkeit mit dem Hepatitis-B-Virus Hepatitis-B-Virus Hepatitis-B-Virus (HBV) → kann sich unabhängig von HBV replizieren, benötigt aber HBV für die vollständige Virionenbildung und -sekretion
  • Ist für die Replikation auf die Maschinerie der Wirtszelle angewiesen
  • Senkt die HBV-Replikation bei den meisten Personen (Mechanismus unvollständig verstanden)
Hepatitis-D-Virus (HDV)_

Hepatitis-D-Virus (HDV):
Das Hepatitis-D-Virus besteht aus einzelsträngiger zirkulärer RNA (HDV-RNA), einem einzelnen HDV-kodierten Antigen (HDAg) und einer Lipoproteinhülle (HBsAg), die vom Hepatitis-B-Virus (HBV) bereitgestellt wird.

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Epidemiologie

  • Prävalenz:
    • Etwa 5 % der Menschen mit Hepatitis B Hepatitis B Hepatitis-B-Virus weltweit haben eine HDV-Koinfektion (insgesamt 15-20 Millionen Menschen)
    • Erwachsene > Kinder, insbesondere in Gebieten mit hoher HBV-Impfquote
    • Am höchsten: Mongolei, Republik Moldau, West- und Zentralafrika
    • Rückgang der Prävalenz aufgrund steigender HBV-Impfraten
    • Deutschland 2014: 15 gemeldete Fälle
  • HDV-HBV-Koinfektion/Superinfektion ist die schwerste Form der chronischen Virushepatitis → schnelle Entwicklung eines hepatozellulären Karzinoms (HCC) und Tod aufgrund von Leberversagen

Pathogenese

Übertragung

Die Übertragung von Hepatitis D ist ähnlich wie die von Hepatitis B Hepatitis B Hepatitis-B-Virus.

  • Ungeschützter Geschlechtsverkehr
  • Am häufigsten: parenteral (gemeinsam benutzte intravenöse Nadeln, versehentliche Nadelstiche)
  • perinatal (am häufigsten in Gebieten mit hoher Prävalenz)

Risikofaktoren des Wirtes

  • Intravenöser Drogenabusus
  • Personen, die ungeschützten Sex mit mehreren Partnern haben
  • Männer, die Sex mit Männern haben (MSM)
  • HIV-Infektion HIV-Infektion HIV-Infektion und AIDS
  • Hämodialyse
  • Von HBV-positiven Müttern geborene Säuglinge
  • Berufe mit Kontakt zu menschlichem Blut, Samenflüssigkeit und/oder Vaginalflüssigkeit
  • Personen, die eine Hämodialyse erhalten oder Empfänger von Organen oder Bluttransfusionen sind

Pathophysiologie

  • Eine Infektion mit HDV kann nur als Koinfektion oder Superinfektion mit HBV auftreten.
  • HDV infiziert Leberzellen → exprimiert virale Peptide Peptide Proteine und Peptide auf deren Oberfläche über einen Gallentransporter
  • HDV erkennt seinen Rezeptor anhand des großen HBsAg
  • Nach dem Eindringen in den Hepatozyten Hepatozyten Leber ist das HDV unbehüllt → nutzt die RNA-Polymerasen der Wirtszelle zur Replikation
  • Peptide Peptide Proteine und Peptide aktivieren Lymphozyten Lymphozyten Lymphozyten (CD8+ zytotoxische T-Zellen T-Zellen T-Zellen) → Leukozyten entwickeln eine zelluläre Immunantwort gegen infizierte Leberzellen → Zerstörung von Hepatozyten Hepatozyten Leber → Hepatitis

Klinik

Allgemein

  • Die HDV-Infektion ist klinisch nicht von anderen Formen der viralen Hepatitis zu unterscheiden.
  • 90 % der Fälle sind asymptomatisch.
  • Inkubationszeit:
    • Koinfektion: 1-6 Monate
    • Superinfektion: 2-8 Wochen
  • Mögliche Symptome:

Koinfektion

  • Nur, wenn die Person zum Zeitpunkt der Infektion Anti-HBs-negativ ist
  • Klinisch nicht von der klassischen Hepatitis B Hepatitis B Hepatitis-B-Virus zu unterscheiden
  • Während der Erstinfektion können die Betroffenen asymptomatisch sein.
  • Höhere Inzidenz von Leberversagen bei Drogenkonsumenten

Superinfektion

  • Kann sich als schwere akute Hepatitis (unerkannter HBV-Trägerstatus) oder als Verschlimmerung einer chronischen Hepatitis B Hepatitis B Hepatitis-B-Virus darstellen
  • Beschleunigt das Fortschreiten einer schwereren Erkrankung (Zirrhose, HCC) in allen Altersgruppen
  • Die HBV-Replikation wird durch eine HDV-Infektion reduziert (Mechanismus unvollständig verstanden)

Diagnostik und Therapie

Diagnostik

  • Anamnese (Endemiegebiete, Risikogruppen)
  • Virale Marker (Serum)
    • HBs-Ag: muss für die Diagnose von HDV positiv sein
    • Superinfektion:
      • anti-HDV-IgM und HDV-RNA positiv
      • anti-HBc-IgM negativ
      • HBsAg dauerhaft positiv
    • Koinfektion:
      • erster Transaminasenanstieg durch HBV, zweiter Anstieg durch HDV
      • anti-HDV-IgM und HDV-RNA positiv
      • anti-HBc-IgM positiv
      • HBsAg erst positiv, nach Ausheilung negativ
    • Spätmarker: Anti-HDV-IgG
  • Zusätzliche Laboruntersuchungen:

Therapie

  • Akute Hepatitis: symptomatisch, keine spezifische Therapie verfügbar
  • Chronische Hepatitis: Peginterferon alfa-2a
    • Mindestens 48 Wochen lang
    • wenn Therapieansprechen: längere Gabe
    • Wirksamkeit ca. 25 %
    • Nur so lange wirksam, wie es verabreicht wird
    • Kontraindikationen: dekompensierte Leberzirrhose Leberzirrhose Leberzirrhose, aktive psychiatrische Erkrankungen, Autoimmunerkrankungen
  • Antivirale Therapie der Hepatitis-B
  • Bei Dekompensation trotz Therapie: Lebertransplantation
  • In klinischer Erprobung: Lonafarnib, Mircludex B

Prävention

  • Die Prävention von HDV basiert auf der Unterbindung der Ausbreitung von HBV
  • Die Impfung Impfung Impfung gegen HBV ist die wirksamste Methode zur Vorbeugung von HDV:
    • Totimpfstoff
    • 3 Dosen im Alter von 2, 4 und 11 Monaten (empfohlen mit Sechsfach-Impfstoff)
    • Auffrischimpfung nicht generell empfohlen, Ausnahmen: Indikations- (Immundefizienz, erhöhtes nicht-berufsbedingtes Expositionsrisiko) und berufsbedingte Impfung Impfung Impfung (z.B. Gesundheitsdienst, Polizei)
    • Von infizierten Müttern geborene Babys: müssen die erste Dosis innerhalb der ersten 12 Lebensstunden erhalten
  • Weitere Maßnahmen:
    • Sicherheitsmaßnahmen für den Umgang mit Blutprodukten
    • Sichere Injektionspraktiken
    • Postexpositionsprophylaxe: abhängig vom aktuellen anti-HBs-Wert
      • Anti-HBs < 10 IE/L und war noch nie > 100 IE/L oder ist unbekannt: Simultanimpfung
      • Anti-HBs > 10-99 IE/L: Aktivimpfung

Vergleich der Hepatitis-Viren

Vergleichstabelle der Hepatitis-Viren

Anti-HBc-Antikörper: Anti-Hepatitis-B-Core-Antikörper
Anti-HBs-Antikörper: Anti-Hepatitis-B-Surface-Antikörper
HBcAg: Hepatitis-B-Core-Antigen
HBsAg: Hepatitis-B-Surface-Antigen
HBV: Hepatitis-B-Virus
HCC: hepatozelluläres Karzinom
HCV: Hepatitis-C-Virus
HDV: Hepatitis-D-Virus

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Differentialdiagnosen

  • Alkoholische Lebererkrankung Alkoholische Lebererkrankung Alkoholische Lebererkrankung: Lebererkrankung, die durch lang anhaltenden übermäßigen Alkoholkonsum entsteht. Das erste Stadium ist eine asymptomatische Fettleber, die reversibel ist. Das zweite Stadium ist die alkoholische Steatohepatitis, die sich am häufigsten mit Gelbsucht, Fieber Fieber Fieber und rechtsseitigen Oberbauchschmerzen äußert. Das 3. Stadium ist die Leberzirrhose Leberzirrhose Leberzirrhose. Die Diagnose wird durch Anamnese, Leberfunktionstests und bildgebende Untersuchungen gestellt.
  • Medikamenteninduzierte Leberschädigung: tritt auf, wenn eingenommene Medikamente die Hepatozyten Hepatozyten Leber direkt in vorhersehbarer dosisabhängiger Weise oder durch Überempfindlichkeitsreaktionen schädigen. Sie kann akut oder chronisch verlaufen, wobei sich eine schwere Toxizität als fulminantes Leberversagen manifestiert. Die Diagnose erfordert eine gründliche Anamnese und Laboruntersuchungen. Die Behandlung besteht aus einer frühzeitigen Diagnose und dem Absetzen des Medikaments sowie einer symptomatischen Therapie.
  • Autoimmunhepatitis Autoimmunhepatitis Autoimmunhepatitis (AIH): Leberentzündung, die auftritt, wenn das körpereigene Immunsystem die eigenen Leberzellen angreift. Das klinische Bild reicht von asymptomatisch bis hin zu Symptomen eines akuten Leberversagens. Die Diagnose wird durch die Untersuchung des Blutes auf charakteristische Autoantikörper (u.a. ANA und ASMA), erhöhte Transaminasen, verminderte Lebersyntheseparameter, erhöhtes IgG und Gesamteiweiß, ein sofortiges Ansprechen auf Steroide und eine Leberbiopsie gestellt. Bei Unsicherheit kann auf den AIH-Score zurückgegriffen werden. Die Behandlung umfasst eine mindestens zweijährige Immunsuppression mit Budesonid oder Prednisolon Prednisolon Immunsuppressiva und Azathioprin.
  • Morbus Wilson Morbus Wilson Morbus Wilson: autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, die auf einer Mutation im ATP7B-Gen beruht, das den Kupfertransport in den Hepatozyten Hepatozyten Leber reguliert. Neuropsychiatrische Manifestationen des Morbus Wilson Morbus Wilson Morbus Wilson helfen, ihn von anderen Hepatitiden zu unterscheiden. In frühen Stadien kann der Morbus Wilson Morbus Wilson Morbus Wilson mit einer hepatischen Enzephalopathie verwechselt werden. Kayser-Fleischer-Ringe und niedrige Caeruloplasminwerte helfen, ihn von anderen Hepatitiden zu unterscheiden.
  • Nichtalkoholische Fettlebererkrankung (Englisches Akronym: NAFLD):  Erkrankung, die durch die Ansammlung von Triglyceriden in den Hepatozyten Hepatozyten Leber entsteht. Die nichtalkoholische Fettlebererkrankung reicht von der Fettleber oder Lebersteatose bis hin zur nichtalkoholischen Steatohepatitis, bei der es zu Fettablagerungen und Entzündungen kommt. Die fortschreitende Leberschädigung und Fibrose entwickeln sich irreversibel zu einer Zirrhose und möglicherweise zum hepatozellulären Karzinom (HCC). Die Therapie erfolgt durch Änderungen des Lebensstils (Ernährung und Bewegung).

Quellen

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  9. Robert Koch Institut (2022). Epidemiologisches Bulletin. https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2022/Ausgaben/04_22.pdf?__blob=publicationFile (Zugriff am 20.03.2022)
  10. Gerd Herold: Innere Medizin 2021 (2021). 1. Auflage. S. 530f., S.537. ISBN 978-3-9821166-0-0

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