Artifizielle Störung

Unter einer artifiziellen Störung, auch Münchhausen-Syndrom genannt, versteht man die absichtliche fälschliche Vortäuschung von Symptomen, um die Rolle einer kranken Person einzunehmen. Die Patient*innen können zudem bei einer anderen Person (in der Regel ein Kind oder eine ältere Person) absichtlich Symptome verursachen, als Münchhausen-by-proxy-Syndrom bezeichnet. Im Gegensatz zur Simulation (Englisches Akronym: "Malingering") ist die Fälschung von Symptomen nicht mit einer externen Belohnung verbunden. Die Diagnose wird klinisch gestellt und die Therapie konzentriert sich auf eine vorurteilsfreie Konfrontation.

Aktualisiert: 19.06.2023

Redaktionelle Verantwortung: Stanley Oiseth, Lindsay Jones, Evelin Maza

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Epidemiologie und Ätiologie

Epidemiologie

  • Die geschätzte Prävalenz beträgt 0,5 – 2 % bei Patient*innen in somatisch-medizinischen Versorgungskontexten.
  • Münchhausen-by-proxy-Syndrom betrifft fast ausschließlich Frauen*.
  • Die Prävalenz ist bei Beschäftigten im Gesundheitswesen und bei Personen mit höherer Intelligenz höher.
  • Viele Menschen mit artifiziellen Störungen haben zugrundeliegende komorbide psychiatrische Störungen wie Persönlichkeits-, Stimmungs- oder Drogenkonsumstörungen.

Ätiologie

  • Unbekannt
  • In der Anamnese möglicherweise Missbrauch oder Vernachlässigung
  • Man geht davon aus, dass ein Krankenhausaufenthalt und die medizinische Versorgung das sichere Umfeld bieten, das den Betroffenen gefehlt hat.

Klinik und Diagnostik

Klinik

  • Die Symptome sind sehr unterschiedlich und hängen von dem jeweiligen Täuschungsmechanismus ab.
  • Gewöhnlich zeigt sich ein dramatisches und bizarres klinisches Bild, das mit dem herkömmlichen medizinischen Verständnis nicht erklärt werden kann.
  • Kein Ansprechen auf normalerweise wirksame medizinische oder psychologische Interventionen
  • Häufige Szenarien:
  • Werden sie übersehen, können artifizielle Störungen zu einem unbeabsichtigten Tod führen.

Diagnostik

Die psychiatrische Anamnese muss nach Möglichkeit zusätzliche oder externe Informationsquellen miteinbeziehen.

  • ICD-11-Diagnosekriterien
    • Absichtliches Erzeugen und Vortäuschen von körperlichen oder psychischen Symptomen und Verletzungen. Bei bereits bestehender Erkrankungen werden Beschwerden häufig übertrieben dargestellt und zusätzliche Symptome erfunden.
    • Betroffene erhalten eine medizinische Behandlung und nehmen auf Grundlage der vorgetäuschten Symptomatik eine Krankenrolle ein.
    • Es besteht kein externer Anreiz für die Vortäuschung und Fälschung der Symptome.
    • Das Verhalten kann ursächlich keiner anderen psychischen Störung zugeordnet werden.
  • Beachte: Die Diagnose des Münchhausen-by-proxy-Syndroms wird für die Person gestellt, die die Krankheitssymptome bei einer dritten Person erzeugt und nicht für die Person mit den entsprechenden Symptomen.
Tabelle: Merkmale einer artifiziellen Störung im Vergleich zu wichtigen Differentialdiagnosen
Bereitschaft, sich einer Untersuchung zu unterziehen Vorsätzliches betrügerisches Verhalten Externe Belohnung
Hypochondrische Störung Hypochondrische Störung Hypochondrische Störung +
Somatitisierungsstörung +
Artifizielle Störung + +
Simulation (Englisches Akronym: “Malingering” + +

Therapie

  • Die Behandlung von artifiziellen Störungen sollte sich an drei Grundsätzen orientieren:
    • Verringerung des Risikos von Morbidität und Mortalität
    • Behandlung der zugrunde liegenden psychiatrischen Erkrankung
    • Unter Beachtung von rechtlichen/ethischen Auswirkungen
  • Patient*innen nicht wertend oder anklagend konfrontieren:
    • Videobeweise für unaufrichtiges Verhalten können das Gespräch erleichtern, da die Betroffenen ihr Verhalten möglicherweise leugnen.
    • Die Patient*innen sollten zu einer Psychotherapie Psychotherapie Psychotherapie überwiesen werden.
    • Bei der Konfrontation ist Vorsicht geboten, da das therapeutische Verhältnis verloren gehen kann und möglicherweise ein anderer Therapeut/eine andere Therapeutin aufgesucht wird.
  • Unnötige Behandlungsmethoden sollten vermieden werden.
  • Eine artifizielle Störung, bei der einer anderen Person Schaden zugefügt wurde, rechtfertigt eine Überweisung an das Jugendamt oder die zuständige Justizbehörde!
  • Die Prognose ist ungünstig und die Behandlung sollte sich eher auf die Kontrolle als auf die Heilung der Erkrankung konzentrieren.

Differentialdiagnosen

  • Konversionsstörung Konversionsstörung Konversionsstörung: das Vorhandensein von Symptomen oder Defiziten, die die willkürliche motorische oder sensorische Funktion beeinträchtigen und somit auf ein neurologisches Leiden schließen lassen, aber nicht durch medizinische Befunde erklärt werden kann. Die Diagnose ist klinisch, und die Behandlung umfasst Psychotherapie Psychotherapie Psychotherapie. Anders als bei der artifiziellen Störung gibt es keine Anzeichen für eine tatsächliche Krankheit oder eine absichtliche Verfälschung der Symptome.
  • Borderline-Persönlichkeitsstörung: die am weitesten verbreitete Persönlichkeitsstörung. Gekennzeichnet durch emotionale Instabilität, Impulsivität, verzerrte Denkmuster und intensive, aber instabile Beziehungen. Die Diagnose ist klinisch und die Behandlung umfasst eine Psychotherapie Psychotherapie Psychotherapie, insbesondere die Dialektisch-Behaviorale Therapie (DBT). Patient*innen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung können im Rahmen ihrer auf Aufmerksamkeit abzielenden Verhaltensweisen absichtlich Verletzungen herbeiführen. Es wird nicht versucht, den Behandelnden zu täuschen.
  • Simulation (Englisches Akronym: “Malingering”): eine Störung, bei der Symptome vorgetäuscht werden, um einen sekundären Nutzen zu erzielen (z. B. um sich der Polizei zu entziehen, von der Arbeit fernzubleiben oder Erwerbsunfähigkeitsleistungen zu erhalten). Das Vorhandensein eines externen Anreizes unterscheidet die Simulation von einer artifiziellen Störung.

Quellen

  1. Sadock, BJ, Sadock, VA, Ruiz, P. (2014). Kaplan and Sadock’s synopsis of psychiatry: Behavioral sciences/clinical psychiatry (11. Aufl.). Kapitel 13, Psychosomatische Medizin, Seiten 465-503. Philadelphia, PA: Lippincott Williams and Wilkins.
  2. Jafferany, M, Khalid, Z, McDonald, KA, Shelley, AJ. (2018). Psychological aspects of factitious disorder. The primary care companion for CNS disorders, 20(1), 17nr02229. https://doi.org/10.4088/PCC.17nr02229
  3. Geile, J., Aasly, J., Madea, B. et al. Incidence of the diagnosis of factitious disorders – Nationwide comparison study between Germany and Norway. Forensic Sci Med Pathol 16, 450–456 (2020).
  4. Kapfhammer, HP. Artifizielle Störungen. Psychotherapeut 63, 153–174 (2018).
  5. ICD-11 MMS Version 2022 (11. Revision). https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http://id.who.int/icd/entity/790764418 (Zugriff am 25.02.2022)
  6. World Health Organisation (2020). ICD-11, 6D50 Factitious Disorder. https://icd.who.int/browse11/l-m/en#/http://id.who.int/icd/entity/430567349 (Zugriff am 06.04.2022)

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

Holger Wöltje

Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

Frank Eilers

Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Leon Chaudhari ist ein gefragter Marketingexperte, Inhaber mehrerer Unternehmen im Kreativ- und E-Learning-Bereich und Trainer für Marketingagenturen, KMUs und Personal Brands. Er unterstützt seine Kunden vor allem in den Bereichen digitales Marketing, Unternehmensgründung, Kundenakquise, Automatisierung und Chat Bot Programmierung. Seit nun bereits sechs Jahren unterrichtet er online und gründete im Jahr 2017 die „MyTeachingHero“ Akademie.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.

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