Verleitung zur Falschaussage, § 160 StGB

Verleitung zur Falschaussage, § 160 StGB

Die Verleitung zur Falschaussage gemäß § 160 StGB ist hochumstritten. Dies macht sie zu einem echten Klausur-Dauerbrenner. Dieser Beitrag vermittelt einen prägnanten Überblick über den Streitstand und seine Auswirkungen auf die möglichen Fallkonstellationen.
Verleitung zur Falschaussage
Lecturio Redaktion

·

27.02.2024

·

Inhalt

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I. Allgemeines zur Verleitung zur Falschaussage, § 160 StGB

Die Aussagedelikte (geregelt in § 153 – § 162 StGB) bestrafen überwiegend denjenigen, der vor Gericht oder gegenüber einer Behörde vorsätzlich die Unwahrheit sagt. Dabei sind § 153 – § 156 StGB eigenhändige Delikte.

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© Lecturio GmbH. Alle Rechte vorbehalten.

Jedoch soll auch bestraft werden, wer einen Zeugen, Sachverständigen oder eine andere Beweisperson dazu verleitet ein gerade solches Aussagedelikt zu begehen.

Das Problem liegt sodann darin, dass eine Tatbegehung in mittelbarer Täterschaft (§ 25 Abs. 1 Var. 2 StGB) bei eigenhändigen Delikten nicht möglich ist. Um diese Strafbarkeitslücke zu schließen, kam der § 160 StGB ins Gesetz.

Absatz 1 des § 160 StGB lautet:

Wer einen anderen zur Ableistung eines falschen Eides verleitet, wird […] bestraft; wer einen anderen zur Ableistung einer falschen Versicherung an Eides Statt oder einer falschen uneidlichen Aussage verleitet, wird […] bestraft.

Dabei soll vor allem verhindert werden, dass eine Störung von behördlichen oder gerichtlichen Verfahren entsteht.

II. Prüfungsschema des § 160 StGB

Schema: Verleitung zur Falschaussage, § 160 StGB

  • I. Tatbestand des § 160 StGB
    1. Objektiver Tatbestand
    2. Taterfolg: objektiv falsche Aussage i.S.e.
      • Meineids, § 154 StGB, oder
      • einer falschen uneidlichen Aussage, § 153 StGB oder
      • einer falschen Versicherung an Eides Statt, § 156 StGB
    3. Tathandlung: Verleiten
    4. Gutgläubigkeit des Aussagenden
    5. Subjektiver Tatbestand – Vorsatz
  • II. Rechtswidrigkeit
  • III. Schuld

III. Voraussetzungen des § 160 StGB

1. Tatbestand

Der objektive Tatbestand des § 160 Abs. 1 StGB verlangt, dass der Täter einen anderen zur Ableistung eines falschen Eides (§ 154 StGB), einer falschen Versicherung an Eides Statt (§ 156 StGB) oder einer falschen uneidlichen Aussage (§ 153 StGB) verleitet.

Definition: Verleiten meint grundsätzlich jede Art der Veranlassung zu einer der genannten Taten.

Eine Täuschung oder Drohung ist hierfür beispielsweise ausreichend. Typische Tathandlungen sind: Täuschung, Ausnutzung eines bereits bestehenden Irrtums oder Drohung

Subjektiv muss der Täter mindestens mit bedingtem Vorsatz handeln.

Anforderungen im Hinblick auf das „Verleiten“

Umstritten ist jedoch, wann noch von einem Verleiten durch den Täter gesprochen werden kann:

  • Nach einer Ansicht in der Literatur soll § 160 Abs. 1 StGB nur Anwendung finden, wenn die Voraussetzungen einer mittelbaren Täterschaft nach § 25 Abs. 1 Var. 2 StGB an sich erfüllt sind, eine Strafbarkeit aber deshalb nicht möglich ist, weil die Aussagedelikte eigenhändige Delikte sind. Demnach muss der subjektive Tatbestand auch den Vorsatz des Täters hinsichtlich der Gutgläubigkeit des Vordermanns beinhalten.
  • Nach Ansicht der Rechtsprechung und eines anderen Teils der Literatur kommt eine Vollendungsstrafbarkeit gemäß § 160 Abs. 1 StGB zusätzlich auch in Betracht, wenn der Vordermann bösgläubig handelt.

Konsequenzen für die verschiedenen Fallgestaltungen

Dieser Streit ist von großer Bedeutung für die Behandlung unterschiedlicher Fallkonstellationen:

a. Der Täter hält den Aussagenden für gutgläubig, dieser ist es auch tatsächlich

Beispiel: A hat einen Banküberfall verübt. Sein Nachbar N soll im Prozess als Zeuge aussagen. Im Vorfeld überzeugt A den N, dass die beiden am fraglichen Abend zusammen ein Fußballspiel angesehen haben. N glaubt dies und sagt dementsprechend vor Gericht aus. Dies hatte A sich auch so vorgestellt.

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N hat hier gutgläubig falsch ausgesagt. Davon ist A im Vorfeld auch ausgegangen. Hier liegt nach beiden Ansichten ein Verleiten des N vor, sodass § 160 Abs. 1 StGB erfüllt ist. Dies ist die einfache Fallkonstellation ohne weitere Probleme.

b. Der Täter hält den Aussagenden für gutgläubig, dieser ist tatsächlich aber bösgläubig

Beispiel: A hat einen Banküberfall verübt. Sein Nachbar N soll im Prozess als Zeuge aussagen. A erklärt ihm vor der Aussage, dass sie doch an besagtem Wochenende auf einer Feier gewesen seien. A geht dabei davon aus, N werde gutgläubig in diesem Sinne aussagen. N durchschaut jedoch As Plan, sagt aber dennoch zu seinen Gunsten aus.

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  • Nach der Literaturansicht steht die Bösgläubigkeit des N einer Bestrafung nach § 160 Abs. 1 StGB entgegen. Diese setzt eine Werkzeugeigenschaft des Vordermanns voraus. Es kommt nur eine Strafbarkeit gemäß §§ 160 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB in Frage.
    Eine Strafbarkeit wegen einer Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage gemäß §§ 153, 26 StGB ist nicht möglich, da A der Vorsatz im Hinblick auf eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat fehlt.
  • Auf Grundlage der Ansicht der Rechtsprechung und eines Teils der Literatur ist hingegen eine Vollendungsstrafbarkeit des A gemäß § 160 Abs. 1 StGB anzunehmen, da ein Verleiten auch bei einem bösgläubigen Vordermann bejaht werden kann.

Streitentscheid

Sofern Sie den Streit in der Klausur entscheiden müssen, können Sie folgende Argumente ins Feld führen:

  • Für die Literaturmeinung spricht, dass kein Bedürfnis besteht, solche Fälle in die Anwendung des § 160 Abs. 1 StGB einzubeziehen, in denen der Täter den bösgläubigen Vordermann irrtümlich für gutgläubig gehalten hat. In dieser Situation kommt unproblematisch eine Versuchsstrafbarkeit gemäß §§ 160 Abs. 2, 22, 23 Abs. 1 StGB in Frage.
  • Für die Ansicht der Rechtsprechung und eines Teils der Literatur wird argumentiert, dass der Täter sein Ziel, eine Gefährdung der Rechtspflege herbeizuführen, vollumfänglich erreicht hat, auch wenn der Aussagende entgegen seiner Vorstellung bösgläubig ausgesagt hat. Daneben führe die Literaturansicht einen Wertungswiderspruch herbei, wenn sie denjenigen, der jemand anderen zu einer vorsätzlichen Falschaussage veranlasst, milder bestraft als jemanden, der einen anderen zu einer gutgläubigen Falschaussage bringt.

Im Ergebnis kann beiden Meinungen gefolgt werden, für welche sich entschieden wird, hängt von der persönlichen Überzeugung  bzgl. der Argumente ab. Hier ist gutes Argumentieren gefragt und führt zu zahlreichen Punkten. Der Streit sollte aber nur dann thematisiert werden, wenn auch wirklich eine solche Konstellation vorliegt, bitte nicht nur gelerntes Wissen runterschreiben!

c. Der Täter hält den Aussagenden für bösgläubig, dieser ist tatsächlich gutgläubig

Beispiel: A hat einen Banküberfall verübt. Sein Kollege K soll im Prozess als Zeuge aussagen. Vorher zwinkert A ihm verschwörerisch zu und sagt: „Du weißt ja, dass wir an dem Tag zusammen beim Fußball waren!“ Dabei geht A davon aus, dass K weiß, dass er den Überfall begangen hat und dennoch in diesem Sinne aussagen wird. K glaubt, dass sie tatsächlich zusammen bei dem Spiel waren und sagt vor Gericht zu Gunsten des A aus.

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Hier ist der Täter wegen einer versuchten Anstiftung zur uneidlichen Falschaussage gemäß § 159 i.V.m. § 153 oder § 30 Abs. 1 StGB strafbar.

  • Nach Ansicht der Literatur ist bereits der Tatbestand des § 160 Abs. 1 StGB nicht erfüllt.
  • Nach der Ansichtder Rechtsprechung und eines Teils der Literatur wird § 160 Abs. 1 StGB hingegen aufgrund von Subsidiarität verdrängt.

d. Der Täter hält den Aussagenden für bösgläubig, dieser ist auch tatsächlich bösgläubig

Beispiel: A hat wieder einen Banküberfall verübt. Sein Gärtner G weiß hiervon. Dies ist A auch bewusst. Dennoch bittet er den G, vor Gericht auszusagen, dass beide am fraglichen Abend gemeinsam die Hecke geschnitten haben. G kommt dieser Bitte nach und sagt zu Gunsten des A aus.

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In diesem Fall kommen beide Ansichten zu einer Strafbarkeit des A nach §§ 153, 26 StGB. Es liegt eine vorsätzliche rechtswidrige Haupttat durch G vor, zu der A ihn auch bewusst bestimmt hat.

  • Nach der Literaturansicht ist der Tatbestand des § 160 Abs. 1 StGB nicht erfüllt.
  • Die Ansicht von Literatur und Rechtsprechung nimmt hingegen eine Verdrängung des § 160 Abs. 1 StGB im Wege der Subsidiarität an.

2. Rechtswidrigkeit und Schuld

Bei der Rechtswidrigkeit und Schuld kommen die üblichen Aspekte in Betracht.

Vor allem aber folgende:

IV. Fazit

Hat man sich die möglichen Fallkonstellationen einmal vor Augen geführt, fällt es nicht mehr schwer, über die Strafbarkeit des Täters nach den beiden Ansichten zu entscheiden. So sind Sie für die Klausur bestens gewappnet.

Quellen

  • Joecks, Wolfgang: Studienkommentar StGB, 11. Aufl., München 2014
  • Kindhäuser, Urs: Strafrecht Besonderer Teil I, 6. Aufl., Baden-Baden 2014
  • Wessels, Johannes/Hettinger, Michael: Strafrecht Besonderer Teil I, 38. Aufl., Heidelberg [u.a.] 2014

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Simon Veiser

Simon Veiser beschäftigt sich seit 2010 nicht nur theoretisch mit IT Service Management und ITIL, sondern auch als leidenschaftlicher Berater und Trainer. In unterschiedlichsten Projekten definierte, implementierte und optimierte er erfolgreiche IT Service Management Systeme. Dabei unterstützte er das organisatorische Change Management als zentralen Erfolgsfaktor in IT-Projekten. Simon Veiser ist ausgebildeter Trainer (CompTIA CTT+) und absolvierte die Zertifizierungen zum ITIL v3 Expert und ITIL 4 Managing Professional.

Dr. Frank Stummer

Dr. Frank Stummer ist Gründer und CEO der Digital Forensics GmbH und seit vielen Jahren insbesondere im Bereich der forensischen Netzwerkverkehrsanalyse tätig. Er ist Mitgründer mehrerer Unternehmen im Hochtechnologiebereich, u.a. der ipoque GmbH und der Adyton Systems AG, die beide von einem Konzern akquiriert wurden, sowie der Rhebo GmbH, einem Unternehmen für IT-Sicherheit und Netzwerküberwachung im Bereich Industrie 4.0 und IoT. Zuvor arbeitete er als Unternehmensberater für internationale Großkonzerne. Frank Stummer studierte Betriebswirtschaft an der TU Bergakademie Freiberg und promovierte am Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung in Karlsruhe.

Sobair Barak

Sobair Barak hat einen Masterabschluss in Wirtschaftsingenieurwesen absolviert und hat sich anschließend an der Harvard Business School weitergebildet. Heute ist er in einer Management-Position tätig und hat bereits diverse berufliche Auszeichnungen erhalten. Es ist seine persönliche Mission, in seinen Kursen besonders praxisrelevantes Wissen zu vermitteln, welches im täglichen Arbeits- und Geschäftsalltag von Nutzen ist.

Wolfgang A. Erharter

Wolfgang A. Erharter ist Managementtrainer, Organisationsberater, Musiker und Buchautor. Er begleitet seit über 15 Jahren Unternehmen, Führungskräfte und Start-ups. Daneben hält er Vorträge auf Kongressen und Vorlesungen in MBA-Programmen. 2012 ist sein Buch „Kreativität gibt es nicht“ erschienen, in dem er mit gängigen Mythen aufräumt und seine „Logik des Schaffens“ darlegt. Seine Vorträge gestaltet er musikalisch mit seiner Geige.

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Holger Wöltje ist Diplom-Ingenieur (BA) für Informationstechnik und mehrfacher Bestseller-Autor. Seit 1996 hat er über 15.800 Anwendern in Seminaren und Work-shops geholfen, die moderne Technik produktiver einzusetzen. Seit 2001 ist Holger Wöltje selbstständiger Berater und Vortragsredner. Er unterstützt die Mitarbeiter von mittelständischen Firmen und Fortune-Global-500- sowie DAX-30-Unternehmen dabei, ihren Arbeitsstil zu optimieren und zeigt Outlook-, OneNote- und SharePoint-Nutzern, wie sie ihre Termine, Aufgaben und E-Mails in den Griff bekommen, alle wichtigen Infos immer elektronisch parat haben, im Team effektiv zusammenarbeiten, mit moderner Technik produktiver arbeiten und mehr Zeit für das Wesentliche gewinnen.

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Frank Eilers ist Keynote Speaker zu den Zukunftsthemen Digitale Transformation, Künstliche Intelligenz und die Zukunft der Arbeit. Er betreibt seit mehreren Jahren den Podcast „Arbeitsphilosophen“ und übersetzt komplexe Zukunftsthemen für ein breites Publikum. Als ehemaliger Stand-up Comedian bringt Eilers eine ordentliche Portion Humor und Lockerheit mit. 2017 wurde er für seine Arbeit mit dem Coaching Award ausgezeichnet.

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Yasmin Kardi ist zertifizierter Scrum Master, Product Owner und Agile Coach und berät neben ihrer Rolle als Product Owner Teams und das höhere Management zu den Themen agile Methoden, Design Thinking, OKR, Scrum, hybrides Projektmanagement und Change Management.. Zu ihrer Kernkompetenz gehört es u.a. internationale Projekte auszusteuern, die sich vor allem auf Produkt-, Business Model Innovation und dem Aufbau von Sales-Strategien fokussieren.

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Als akkreditierter Trainer für PRINCE2® und weitere international anerkannte Methoden im Projekt- und Portfoliomanagement gibt Andreas Ellenberger seit Jahren sein Methodenwissen mit viel Bezug zur praktischen Umsetzung weiter. In seinen Präsenztrainings geht er konkret auf die Situation der Teilnehmer ein und erarbeitet gemeinsam Lösungsansätze für die eigene Praxis auf Basis der Theorie, um Nachhaltigkeit zu erreichen. Da ihm dies am Herzen liegt, steht er für Telefoncoachings und Prüfungen einzelner Unterlagen bzgl. der Anwendung gern zur Verfügung.

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Alexander Plath ist seit über 30 Jahren im Verkauf und Vertrieb aktiv und hat in dieser Zeit alle Stationen vom Verkäufer bis zum Direktor Vertrieb Ausland und Mediensprecher eines multinationalen Unternehmens durchlaufen. Seit mehr als 20 Jahren coacht er Führungskräfte und Verkäufer*innen und ist ein gefragter Trainer und Referent im In- und Ausland, der vor allem mit hoher Praxisnähe, Humor und Begeisterung überzeugt.